In der Nacht wurde Frederic durch die Aura eines Engels geweckt und schlug die Augen auf. Vor ihm saß Ferdinand auf der Bettkante. Er sah zum Egel. Frederics Augen fingen zu funkeln an und er umarmte Ferdinand von hinten. Er wollte etwas sagen, doch es fehlten ihm die Worte. Ferdinand umfasste Frederics Hand. Der Engel wies an, dass es Zeit war, Abschied zu nehmen und bei beiden rollten bereits die ersten Tränen. Sie blickten sich ein letztes Mal an und ihre Lippen vereinigten sich zu einem gemeinsamen Kuss.
Die Tränen rollten über Frederics Gesicht, welcher sich zu einem Lächeln aufraffte.
"Ich komme dich im Himmel besuchen, versprochen." hauchte er und Ferdinand ließ langsam seine Hand los, um den Engel zu folgen. Frederic sah, wie sein Gatte auf den Weg zum Engel noch einmal stolperte, was ihn zum schmunzeln brachte.
Schließlich sah er, wie seine Seele den Engel folgte und sich die Hülle auflöste.
Unter Tränen starrte Frederic auf den Haufen Asche, Erde und Staub. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er Witwer und alleine ist. Und in dem Moment, in der er die Überreste in einer Urne verwahrte, die er auf die Kommode stellte, kam ihn das ganze Haus, das Zimmer und das Bett unheimlich groß vor.
Frederic konnte keinen ruhigen Gedanken fassen und lag wach im Bett, bis er sich dazu entschloss, aufzustehen und sich anzuziehen. Ein simples schwarzes Hemd und Jeans, dazu sein Mantel. Die Haare ließ er offen.
In der Menschenwelt war es halb acht und er hoffte, irgendjemand von seiner Familie hier oder im Totenreich anzutreffen. Er suchte zuerst seinen großen Bruder auf und hatte Glück. Beim Anklopfen an die Tür wurde ihn diese von Gina geöffnet, die zuvor vom Seelengeleit wieder gekommen war. Das Ehepaar saß auf der Wohnzimmercouch und Frederic setzte sich neben seinen Bruder. Fritz sah seinem Bruder die Trauer an und legte die Hand auf seine Schulter.
"Was ist los, Freddy?" fragte er behutsam und seine Trauer auszusprechen, ohne zu weinen, fiel Frederic nicht leicht. "I-ich... bin wieder alleine... Ferdinand wurde erlöst..." hauchte Frederic und das Ehepaar schaute mitfühlend zu ihn. Gina erinnerte sich, dass Ferdinand ein Todesgeist gewesen war und ihr fiel auf, dass die nächsten Jahre immer mehr Todesgeister erlöst werden würden.
Fritz sprach seinen kleinen Bruder gut zu. "Du weiß, ihr werdet euch trotzdem noch sehen können. Du bist auch nicht alleine. Unsere Eltern, ich und viele weitere sind bei dir." sagte Fritz zärtlich und strich über Frederics rücken. Den Tränen nahe seufzte er.
"Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich mit dem Haus machen soll... Es kommt mir jetzt so groß vor und ich möchte nicht alleine darin leben." hauchte er und winkelte die Beine an. Gina ergriff das Wort.
"Daran wirst du dich wieder gewöhnen. Jetzt hängen noch all die Erinnerungen deines Liebsten daran. Ihr habt immerhin eine ganze Zeit dort zusammen gelebt. Gibt dem Ruhe und Zeit." Frederic versuchte auf ihre Worte zu hören.
"Ich frage mich, warum ich damals zuerst alleine da einziehen wollte... Vermutlich weil mich die Erde faszinierte und es zuvor meinem Bruder gehörte." murmelte er, als Fritz ihn in Erinnerung rief: "Hast du bei dem Umzug nicht Ferdinand kennengelernt?"
In Frederic kam ein Schmunzeln auf, welches einen traurigen Seufzer wich.
"Wenn du möchtest kannst du auch für ein paar Tage zu uns. Wir haben ein Zimmer frei. Du musst da nicht alleine durch." bot Fritz zuvorkommend an und sein Bruder versuchte nicht zu weinen. "Danke." hauchte er und war bereit, dieses Angebot anzunehmen. "A-aber was ist, wenn ich nicht mehr in dem Haus wohnen möchte?" fragte er seinen Bruder, welcher schulterzuckend antwortete: "Na dann schauen wir eben, ob ich es verkaufe oder anderweitig nutze." Aufmunternd lächelte Fritz. Er gab Frederic das Gefühl, dass er sich über nichts Gedanken machen musste.
"Wie hast du das damals all die Jahre alleine ausgehalten?" fragte Frederic Fritz, welcher kurz überlegte, bevor er ihm eine Antwort gab. "Ich war drogenabhängig. Ich habe nicht viel gemerkt. Es war mehr wie ein Ort, wo man verweilt, wenn man nicht gerade unterwegs war. Ich habe dort meine Trips ausgeschlafen. Und irgendwann kam Gina.", Er ergriff dabei Ginas Hand, die sich geschmeichelt fühlte.
"Und selbst als ich wieder klar im Kopf war und Gina sich getrennt hatte, ich kam schon immer alleine zurecht. Ich bin es gewohnt." erklärte Fritz und Frederic senkte den Kopf. "Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich bin es gewohnt." erklärte Fritz und Frederic senkte den Kopf.
"Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich bin es nicht gewohnt. Ich hatte immer jemanden bei mir. Ich kann nicht alleine sein, ich habe Angst davor." gestand Frederic und senkte den Kopf. Das verstand Fritz. "Erinnerst du dich noch daran, als du vorbeigekommen bist, weil ich nicht mehr alleine sein konnte, als Gina und Gamia beim Sensenmann waren?" hakte er nach und Frederic erinnerte sich. "Ja." Er nickte mit den Kopf. "Also ist es Zeit, dir zu helfen." meinte Fritz lächelnd und Frederic dankte seinen Bruder mit einer Umarmung.
Aus dem Haus holte Frederic nur das für sich nötigste, was er zum übernachten bei seinem Bruder benötigte. Die Urne stellte er auf ein Regal, das dekoriert war wie ein Altar, verziert mit Totenköpfen. "Ich bin bald wieder da." flüsterte er und gab dem Urnendeckel einen kleinen Kuss, bevor er die Haustür schloss.
Frederic stellte seine Tasche im Gästezimmer seines Bruders ab. "Ich danke dir, wirklich." Er drehte sich zu Fritz um, der am Türrahmen stand. "Gar kein Problem." entgegnete Fritz und legte den Arm um Frederic.
Die Brüder vernahmen die Haustür und Gamias Stimme, die laut rief: "Hallo?!"
"Wir sind im Gästezimmer!" antwortete Fritz und Gamia spurtete die Treppe hinauf. "Onkel Frederic!" Onkel und Nichte fielen sich in die Arme.
"Mein Beileid." flüsterte Gamia und drückte fest zu. Frederic schlang die Arme ebenfalls fest um sie und in seinem Gesicht zeichnete sich die Trauer ab. "Danke." Sie lösten die Umarmung und blickten sich in die Augen. "Aber ich freu mich über deine Anwesenheit. Komm doch mal für ein Bier mit mir und Niklas rüber." bot Gamia lächelnd an und Frederic nickte sachte. "Dann kann ich mich wenigstens versichern, dass er dich gut behandelt." schmunzelte er und Gamia entfuhr ein Seufzen.
"Würde er es nicht, wäre ich schon lange nicht mehr mit ihm zusammen. Paps hat auch immer ein Auge auf ihn." Mit einem stolzen Gesichtsausdruck nickte Fritz. Sein Grinsen war unübersehbar. "Ich tue alles für das Wohlergehen meiner Tochter."
Die folgenden Tage verblieb Frederic bei Fritz und lenkte sich ab, indem er unter Leute ging. Er trank mit Gamia und Niklas Bier, verpflegte mit Fritz die Terraintiere und besuchte seine Eltern.
Cedric und Felicia drückten ihren Sohn an sich, nachdem er ihnen von Ferdinands Erlösung berichtete. Felicia erinnerte sich an vor wenigen Tagen, wo Frederic ihr von der bevorstehenden Erlösung erzählt hat und jetzt saß er als Witwer vor ihr.
"Wenn dich etwas beschäftigt, komm vorbei. Du kannst auch zu den Heilern gehen, wenn ich da bin." bot Felicia lächelnd an und Frederic dankte ihr.
"Wisst ihr, ich fühle mich so alleine in diesem großen Gebäude... Ich möchte da nicht ohne eine andere Person leben. Ich überlege, davon auszuziehen. Kann ich nicht wieder zu euch ziehen?" erkundigte er sich und Felicia entgegnete mit einer Gegenfrage: "Wäre es nicht schöner, etwas eigenes zu haben?" Er dachte über die Worte nach. "Du kannst auch in unsere Nähe ziehen." riet Felicia sanft und Frederic wurde sich bewusst, dass er sich langsam entscheiden sollte, was er wollte.
Schweren Herzens entschied Frederic sich dazu, seinem Bruder mitzuteilen, dass er aus dem Haus ziehen wird. Fritz verstand seine Entscheidung und stand hinter dieser. "Es ist nur ein Haus." hatte er schulterzuckend gesagt und sofort seine Unterstützung für den Umzug angeboten.
Er verstaute die vielen Gegenstände in Kartons und wurde nostalgisch. Beim Auszug hatte er Ferdinand kennengelernt. Diesmal bekam er tatkräftige Unterstützung von Fritz und seinen Eltern.
"Da hat sich gut was angesammelt." schmunzelte Felicia und hatte zwei große Kartons in der Hand, die ihr die Sicht versperrten. Cedric nahm ihr einen Karton ab. "So fangen wir gar nicht erst an!" meinte er ermahnend und Felicia seufzte nur mit rollenden Augen.
Ein Portal tat sich auf und Alma stolperte in das Haus. Wie die Schmutzflecken im Gesicht verrieten, kam sie gerade von der Arbeit. Sie suchte Frederic auf und drückte ihn. "Noch mein herzlichstes Beileid. Ich habe es kürzlich erst erfahren. Wenn du eine Ablenkung brauchst, ich bin da." Er blickte sie sanft lächelnd an. "Ich danke dir. Aber Alma, wie oft habe ich dir schon erzählt, auf Schmutzflecken von der Arbeit zu achten?" Er seufzte und wischte ihr den Dreck vom Gesicht. Alma kicherte und auch Frederic amüsierte sich. "Weiß du, mir wird es fehlen, auf der Erde zu wohnen." meinte er und sein Blick schweifte durch das Wohnzimmer, in welchem nur noch wenige Kartons standen.
"Wir können trotzdem das Spa besuchen." erwiderte Alma positiv gestimmt und Frederic vergaß für einen Moment allen Kummer.
Frederic zog in eine Wohnung, die sich in der Nähe seiner Eltern befand. Er dankte allen für die Hilfe und verabschiedete sich. "Wir sind ja nicht weit weg." lachte Cedric und verließ dann den Raum.
Jetzt stand Frederic alleine in der neuen Umgebung da und merkte, wie das Lächeln schwand. Er stellte die Urne zuerst auf und setzte sich vegetierend auf das Bett. Frederic lehnte sich zurück und versuchte zu schlafen, doch trotz der Anstrengung des Tages verspürte er keinen Hauch von Müdigkeit. Das Gefühl von Einsamkeit kroch in ihn hoch.
Er hielt das unbändige Gefühl nicht mehr lange aus, stand auf und verließ sein neues Eigenheim.
Verschlafen öffnete Felicia ihm die Tür in ihrem Nachtkleid.
"Mutter? Darf ich bei euch schlafen? Bitte?" fragte er leise und mit einer Handbewegung bat sie ihn herein. "Ich habe schon damit gerechnet.", gähnte Felicia und schloss die Tür. "Das ist aber nicht die Lösung." Dessen war sich Frederic bewusst. "N-nur heute..." murmelte er und begab sich in das Gästezimmer. Felicia kehrte zu Cedric ins Bett zurück.
"Nur unser Sohnemann." erklärte sie und legte sich zu Cedric.
Felicia suchte das Gespräch mit ihrem Sohn am nächsten Tag auf und setzte sich zu ihm auf das Bett. "Freddy, denkst du es würde dir helfen, dir ein Haustier anzuschaffen? So wie dein Bruder es getan hat?" schlug sie vor und Frederic blickte zur Seite. "Ich weiß es nicht..."
"Ein Versuch ist es zumindest wert, oder?" fragte Felicia nach und ihr Sohn nickte. "Vielleicht hilft es auch, Veranstaltungen und Orte alleine zu besuchen. Man kann auch ohne eine andere Person viel Spaß haben." riet sie und Frederic dachte darüber nach. "Ich habe Festlichkeiten immer mit jemand anderen besucht. Ich kenne das gar nicht, für mich zu sein." gestand er und sah zu seiner Mutter.
"Möchtest du es mal probieren?" Lieblichen Blickes sah sie ihn an. "Ja..." Er legte seine Arme um sie. "Danke." hauchte er und Felicia erwiderte die Umarmung. "Du weiß, wir sind immer da, wenn es dir nicht gut geht. Wenn es mal wieder gar nicht alleine geht, komm vorbei."
Für dieses Angebot drückte Frederic Felicia noch einmal fester an sich.