Am nächsten Tag ging Cedric wie gewohnt seiner Praktiker Arbeit nach. "Danke für Ihre Hilfe, Jeff." verabschiedete er sich verbeugend von seinem Kollegen und lief mit ein paar Akten die düsteren Flure entlang. Plötzlich vernahm er Rufe einer Frau. "Hallo!" Er drehte sich zu ihr um und grüßte mit einer leichten Verbeugung. "Sie sind doch der Gildenführer Henrik! Nehmen Sie die Akten bitte mit? Die sind alle abgeschlossen!" fing sie schnell an zu erzählen und Cedric sah perplex zu ihr. Ihm war die Situation etwas peinlich und beschämt löste er das Versehen der Frau auf. "Entschuldigen Sie bitte, aber Sie verwechseln mich. Ich bin nicht der Gildenführer, sondern sein Zwilling." Leicht senkte er den Kopf und die Frau tat die Verwechslung leid. "Ist schon in Ordnung. Sie können mir die Akten aber gerne mitgeben, ich bin auf dem Weg zur Gilde." Kurzerhand nahm er die Akten und die Frau verschwand. Cedric hatte seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt, dass jemand ihn und sein Bruder miteinander verwechselt hat.
In der Gilde musterte er die große Tür und hatte die Erzählung seines Sohnes im Hinterkopf. Er setze sich zu seinem Bruder, nahm ein Glas Wein und berichtete Henrik von dem Versehen der Frau.
"Hahaha! Das finde ich lustig und schön zu hören!" lachte er erfreut und als er sich beruhigte, trank er etwas Wein, während er zu Cedric sah. "Du wirkst so nachdenklich! Möchtest du mir etwas sagen?" hinterfragte Henrik und lächelte dabei. Zustimmend nickte Cedric und sah ernst zu seinem Bruder. "Es gibt da ein Anliegen, um das ich dich bitten möchte." Kurzerhand erzählte er Henrik die ganze Geschichte mit Gina und seinem Sohn. Henrik wollte das erst nicht glauben, aber stand dem gefasst gegenüber. Ruhig hörte er zu und nickte. "Verstehe, das kann ich machen, aber wir sollten eine Weile damit warten. Ich weiß nicht, ob der Tod erfreut sein wird, wenn wir jetzt auf ihn mit diesem Thema zugehen." erklärte Henrik gelassen und dieser Aussage stimmte Cedric zu. "Das ist aber wirklich interessant. Ich war heute schon beim Tod und habe nur Justin angetroffen."
Beide tranken ein Weinglas zusammen, bevor Cedric sich noch ein paar Akten mitnahm, sich verabschiedete und diese Akten in seinem Büro bearbeitete.
Die Akte fest im Griff musterte Felicia den älteren Mann, der friedlich in seinem Bett versterben sollte und griff nach ihrer Sense. Sie geleitete die Seele, welche in den Himmel kommen sollte. Es war ein ruhiges Seelengeleit und Felicia war fast durch mit dem Geleiten, als sich ein Dämon mit abartigen Wolfszähnen und nicht einzuordnenden Körper auf dem Boden schlängelte. Es war eine Art Schlange mit merkwürdigen Fell, welches Zähne aufwies. Felicia spürte die Anwesenheit des Bösen, geleitete die Seele noch rechtzeitig in den Himmel, doch der Dämon riss bereits sein Maul auf und biss Felicia in ihr Fußgelenk. Die Zähne bohrten sich tief ins Fleisch und der Dämon erfreute sich an dem Blut, welches aus der Wunde floss. Felicia schrie wütend auf und trat den Dämon mit ihrem anderen Fuß weg, nahm ihre Sense und zerteilte den Dämon in der Mitte. Der Kopf biss sich noch einmal ins Fleisch, während der Schwanz wild umherzuckte und aus Maden einen weiteren Kopf formte. Mit zusammengebissenen Zähnen trat Felicia noch einmal kräftig zu und der abgetrennte Kopf verwuchs mit dem Neuen. Sie öffnete schnell ein Portal, stand unter Schmerzen auf und lief durch das Portal direkt vor die Wohnungstür.
Sie humpelte ins Badezimmer, zog ihre Schuhe und Socken aus und musterte die Bisswunde. Zu diesem Zeitpunkt kam Cedric heim und als er vor der Wohnung die vereinzelten Bluttropfen sah, rannte er sofort in die Wohnung. "Felicia?!" rief er besorgt und machte sich Gedanken um seine Liebste. "Im Bad!" rief sie unter Schmerzen und als Cedric in dieses lief, sah er seine Frau auf dem Boden sitzen, die ihm tapfer entgegen sah. "Ein Dämon hat mich angegriffen." erzählte sie und Cedric weitete die Augen. Er kniete sich zu ihr und Felicia war gerade dabei, die Wunde mit Wasser auszuspülen. "Ich weiß, du hörst das nicht gerne, aber möchten wir nicht lieber zu den Heilern?"
Über diesen lieb gemeinten Vorschlag war Felicia gar nicht begeistert und wurde sogar etwas wütend. "Nein!! Das kann ich auch selber versorgen! Ich brauche keine Heiler! Es ist nur eine Bisswunde!" Sie trocknete die Wunde mit einem Tuch, welches sich rot färbte. Cedric reichte ihr behutsam den Verband. "Das ist nichts, was ich nicht selber versorgen könnte! Wir haben damals in der Lehre wichtige Dinge zur Selbstversorgung gelehrt bekommen, mehr ist das nicht!" Sie legte den Verband mehrmals um die Wunde und schien dies sehr gut zu können. Cedric seufzte und sah ihr traurig wie auch ernst in die Augen. "Jetzt geht es noch, aber was machst du, wenn du dich schwer verletzt? Würdest du dann immer noch nicht zu den Heilern gehen wollen?" fragte er sie behutsam und strich über ihr Haar. Eiskalt antwortete Felicia: "Lieber sterbe ich!"
Cedric zuckte bei dieser Aussage zusammen. "Das geht doch nicht, Felicia! Erinnere dich daran zurück, wie du selbst bei der Geburt unserer Söhne nicht zu den Heilern wolltest und ich dich erst überzeugen musste." Felicia verschränkte die Arme. "Wir sind Todeswesen! Es wäre schon nichts passiert, wenn wir eine Hausgeburt ohne die Ärzte gehabt hätten!" erwiderte Felicia uneinsichtig und Cedric merkte, dass er bei diesem Thema selbst mit den stärksten Argumenten nicht zu ihr durchdringen konnte.
Er hob seine Frau auf die Arme und trug sie ins Bett. Sie fand seine Fürsorge in dem Moment sehr schön. Cedric setzte sic auf die Bettkante. "Überanstrenge dich in der nächsten Zeit bitte nicht und sag, wenn was ist." Während er diese liebevollen Worte von sich gab, strich er über ihren Körper. "Warum gehst du nicht gerne zu den Heilern?" fragte er sie und Felicia musterte ihn monoton. "Schon wieder diese Frage.... Ich mag einfach keine Ärzte, wie oft noch? Ich kann mich selber versorgen und ich gebe mein Leben nicht in irgendwelche Hände von fremden Personen!" Cedric senkte den Kopf. "Manchmal muss man das aber. Menschen tun dies auch." Auf diese Aussage ging Felicia nicht ein, aber Cedric merkte, dass er lieber nichts mehr sagen sollte, zog sich aus und legte sich zu seiner Frau ins Bett. "Ich liebe dich." flüsterte er und gab ihr einen Kuss. Sie schmiegte sich an ihn. "Ich liebe dich auch."
Mitten in der Nacht wurde Cedric von Felicias schmerzhaften stöhnen geweckt, die sie versuchte zu unterdrücken. Er war sofort wach und für seine Frau da. Man sah Felicia an, dass sie tapfer versuchte, den Schmerz auszuhalten. Kaum hatte Cedric das helle Feuer der Kerzenlampe entfacht, zog er die Decke weg und stellte geschockt fest, dass ihr Verband blutgetränkt war! Felicia schaute ihn mit einem flehenden Blick an und Cedric holte ein Tuch, säuberte und erneuerte den Verband vorerst. Er sah in ihre Augen und sie musste nichts sagen, da konnte er schon in ihrem Ausdruck lesen, dass sie ihn anflehte, nicht das zu tun, was er nun vorhatte. Doch Cedric war dies egal und zeigte kein Erbarmen. Ihm war das Wohl wichtiger und deshalb musste er Felicia nun zu etwas zwingen. Er kannte seine Frau. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sie zum Arzt zwingen, regelrecht zerren, musste. Sie war die erste Zeit immer sauer auf ihn, aber verzieh ihm dann auch wieder, weil sie ihm nicht lange böse sein konnte. Cedric zog sich schnell an und hob dann seine Frau hoch. "Wir gehen jetzt zu den Heilern!" Felicia war davon überhaupt nicht begeistert, aber wusste, dass sie nicht wegkam und Cedric Recht hatte. Er teleportierte sich zu den Heilern und trat zu einen der Räume. Nach kurzer Zeit kam eine Ärztin mit langen, braunen, zu einem Zopf gebundenen Haaren, zu ihnen. Sie trug einen Schwesternkittel über ihr rosa Oberteil und erkundigte sich sofort nach dem Problem, welches Cedric ihr sachlich erklärte. Felicia drehte den Kopf zu Cedrics Oberkörper, biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Die Heilerin bat Cedric Felicia auf die Untersuchungsliege zu setzen. Felicia krallte sich an sein Hemd und war überhaupt nicht dafür. Widerwillig setzte sie sich und die Heilerin nahm den Verband ab.
"Tut etwas bestimmtes im Bereich der Bisswunde weh?" erkundigte sie sich und Felicia blickte mürrisch zur Seite. Ohne ein Wort zu sagen verwies sie auf eine sehr schmerzende Stelle und ihr Gegenüber nahm eine Pinzette. "Es ist klein, aber ich sehe den Grund dafür schon." berichtete die Ärztin und holte etwas aus dem Inneren der Wunde hervor. Felicia biss die Zähne zusammen.
Die Heilerin legte das hervorgeholte Objekt in eine Petrischale und das Ehepaar bekam den Auslöser der Schmerzen zu sehen. Es war ein kleiner dämonischer Zahn, welcher sich wie ein Mund öffnete und dabei mehrere kleine Zähne freigab. Seitlich schien bereits ein weiterer Zahn an den eigentlichen herauszuwachsen. Die Petrischale wurde auf einen Tisch gestellt und die Heilerin machte sich daran, Felicias Wunde zu säubern. Dabei berührte sie Felicia und als sie gerade den Verband anlegen wollte, verlor Felicia die Beherrschung. "Los lassen!" befahl sie laut schreiend und trat dabei die Ärztin mit dem Fuß gegen das Kinn und die Nase. "Ich brauche Ihre Hilfe nicht! Ich bekomme den Rest alleine hin!" brüllte sie und funkelte die Ärztin, welche sich die Hand an der betroffenen Stelle hielt, böse an. Cedric war erschrocken über diesen Ausbruch und verbeugte sich vor der Heilerin. "Es tut uns unendlich leid. Meine Ehefrau hat Angst vor Ärzten." entschuldigte er sich zutiefst und fragte nach ihrem Zustand. Die Heilerin lächelte unsicher. "Ist schon in Ordnung. Wir haben viele Patienten, die Angst haben oder sich ungerne behandeln lassen. Da kommt sowas manchmal vor." Sie wirkte überhaupt nicht böse und schien sehr nett. Felicia rückte nach hinten und versuchte von der Liege runterzukommen, aber Cedric hielt sie auf und hob sie auf den Arm. "Ich werde mich nicht weiter behandeln lassen!!" zischte Felicia und die Heilerin beließ es dabei. "Wir danken trotzdem für ihre Hilfe." dankte Cedric und verabschiedete sich. Die Heilerin verbeugte sich vornehm und sah dem Ehepaar mit einen betrübten Blick hinterher.
Sie nahm die Petrischale und lief zu einem Raum, an dessen Tür sie anklopfte und eintrat. Es war ein Raum mit mehreren Unterlagen. "Paul? Hallo!" rief sie und lief in einem Nebenraum. Paul saß an seinem Schreibtisch und drehte sich zu ihr um. Auf seinem Schreibtisch lagen eine Silberfeder, mehrere Dokumente und ein umgeklappter Bilderrahmen. Er sah ruhig zu seiner Kollegin. "Guten Tag, Fila. Was möchtest du?" fragte er gelassen nach und sie überreichte ihm die Petrischale. Paul musterte die Petrischale fasziniert. "Von einem Dämon?" fragte er und Fila erzählte ihm mehr. "Das war in einer Bisswunde einer Patientin." erklärte sie und Paul packte die Schale zur Seite. Sie berichtete auch von dem Vorfall und Paul nickte, während er sich an seinem Schreibtisch zurückdrehte. "So ist das mit einigen Patienten." meinte er nur und es war kurz ruhig, bevor Fila erzählte: "Die Patientin war mit ihrem Mann Cedric Dronner hier."
Paul horchte auf und schaute zu Fila. "Cedric? Das ist gut zu hören. Ich erinnere mich noch genau, als ich bei der Geburt der Zwillinge der zuständige Arzt war. Es ehrt mich bis heute, bei diesem besonderen Ereignis dabei gewesen zu sein. Ihren Vater Richard werde ich nie vergessen. Er bat mich damals, bei der Geburt zu helfen und ist mir bis heute ein guter Freund. Schade, dass er von uns gegangen ist." Fila nickte bei seinen Worten und lächelte. Sie faltete die Hände vor dem Schwesternkittel zusammen, bis sie sich verabschiedete und weitere Patienten behandelte.
Cedric hatte Felicia heimgetragen und sie legte sich einen neuen Verband um und wurde ins Bett getragen. Reuevoll senkte sie den Kopf. "Entschuldige, dass ich dir solch eine Umstände bereitet habe." seufzte sie, aber Cedric strich lächelnd über ihre Haare und legte die Stirn auf ihre. "Alles gut, immerhin haben wir uns damals ein Versprechen gegeben und ich werde dir beistehen." Sorgevoll strich er über ihre Wange und Felicia fühlte sich geborgen. Das Ehepaar küsste sich innigst und Cedric legte sich zu seiner Frau ins Bett. Sie schmiegte sich an ihn. "Damals wirktest du immer so kühl und unnahbar bei den Praktikern." erinnerte sie sich schmunzelnd und ihr Gatte wusste, was sie meinte. "Ich habe damals wirklich so weit wie möglich versucht, keinen Kontakt zu den anderen Todeswesen zu haben. Durch die vergangenen Erlebnisse habe ich eine Mauer um mich herum gebaut und war der typische Einzelgänger, bis ich dich getroffen habe." Er legte den Arm um sie und gab ihr einen Stirnkuss. "Gerade dieses Geheimnisvolle hat mich damals so fasziniert und hinter dieser kalten Fassade hat sich schließlich ein weicher Kern verborgen." Sie grinste und Cedric schmunzelte über ihre Aussage. Er drückte sie an sich und bevor sie einschliefen haben sie sich einen zärtlichen langen Kuss.