Die Seelengeleiter passten sich der neuen Struktur an. Die fehlenden Dämonen kamen den Todeswesen zugute. Sie mussten sich diesen nicht mehr widersetzen. Ihre einzigen Probleme waren fortan die bösen Seelen, die sich nicht ohne Umschweife geleiten ließen. Dies war bei der jetzigen Seele der Fall. Es war die Seele eines alten Mannes, der jahrelang Tierquälerei betrieben hatte. Er hatte sich einen Teil seines Lebens durch Qualzüchtungen finanziert. "Sie haben die Tiere doch immer süß gefunden? Was soll daran falsch gewesen sein?" blökte er und Gina sprach weitere Sünden aus. "Sie haben vermehrt Wettbewerbsbetrug begangen." Erneut fand der Herr Widerworte.
"Ich bin kein Verlierer! Ich brauchte das Geld!" Seine worte waren Gina egal. Sie zwängte seine Seele in die Hölle. Dort fingen seine schlimmsten Ängste ihn ein und er war gefangen in seiner selbst. Gina kehrte mit der Akte zurück ins Totenreich. Das Totenreich hatte sich schnell an die Umstellung gewöhnt. In den Akten stand fortan Garten Eden. Die alten Akten hatten sich von selbst umgeschrieben. Gina lagerte die Akte ein und verabschiedete sich von dem Sensenmann. Sie kehrte heim zu ihrer Familie.
Daheim fand sie Fritz und Frederic auf dem Dach der Halle vor. Sie setzte sich zu ihnen und bekam einen Begrüßungskuss von Fritz.
"Seid ihr wieder gesprungen?" fragte sie, doch Frederic schüttelte den Kopf. "Ist mir nicht mehr hoch genug." murmelte er, aber etwas sagte Gina, dass er zu Besuch war, um dem Alleinsein zu umgehen. "Ich geh dann auch wieder. Ich muss noch meine Pflicht als Todesengel erfüllen." verabschiedete er sich schnell und wandte dabei den Blick von seinem Bruder und Gina ab. Für Gina kam es rüber, als käme er mit den Anblick einer Partnerschaft nicht klar.
Frederics erster Auftrag führte ihn ins Altersheim. Vor ihm lag eine schlafende ältere Frau, die 86 Jahre alt war. Sie lächelte und Frederic setzte die Sense an ihren Brustkorb an. "Martha Conner.", sprach er und kam zu ihren Tugenden. Martha war alleinerziehende Mutter von zwei Kindern gewesen und hatte mehrere Jobs ausgeübt, um ihren Kindern etwas bieten zu können. Selbst jetzt waren ihre Kinder ihr am wichtigsten.
"Ich geleite ihre Seele in den Garten Eden." sprach Frederic zum Schluss und geleitete die Seele in die naturumwobene Welt von Mutter Natur. Selbst im Tode lächelte die alte Dame noch.
Seine zweite und letzte Akte brachte ihn zu einem Mann mittleren Alters, der herzensgut war, sich seinen Lebensunterhalt allerdings mit nicht legitimen Mitteln verdiente. Ein Gartenunfall wurde ihm zum Verhängnis und Frederic sah, wie sich die Kettensäge in das menschliche Fleisch schnitt. Frederic sah zur Akte und führte die Seele in die Totenwelt. Kurz darauf betrat er selbst das Totenreich, überreichte die Akten Johannes in der Gilde und kehrte in seine Wohnung zurück.
Er löste seinen Zopf, hängte seinen Mantel auf und legte eine CD einer Death Metal Band auf. Diese ertönte in voller Lautstärke, die von außen nicht hörbar war. Die Wohnungen des Zwischenreiches ließen Geräusche nicht nach draußen vordringen. Frederic legte sich auf das große Bett und vegetierte vor sich hin. "Du musst damit klar kommen." flüsterte er zu sich selbst und versuchte den inneren Drang, seine Eltern zu besuchen, zu widerstehen.
Mit erhobenen Hauptes betrat Mutter Natur die Hölle. Ihre Hände waren vor ihren Körper zusammengefaltet und sie lief zu ihrer Kreation von Gut und Böse. Beide sahen und spürten Mutter Naturs Anwesenheit. "Wie geht es meinem Gleichgewicht der Welt?" fragte sie und der ehemalige Himmel sprach als erster.
"Es wäre angenehmer ohne die krächzende Stimme dieser Visage in meinen Kopf zu hören!" keifte das Gute. Das Böse antwortete ähnliches. "Ich sehe deine gutmütige Fratze auf meinem Leib. Mir kommt die Speie hoch!"
Mutter Natur dachte trotz der Quälereien beider nicht im entferntesten daran, die Hülle von Gut und Böse zu verändern. Stattdessen kniete sie sich zu ihnen runter.
"Ihr könnt mir doch nicht erzählen, dass ihr nicht vorher schon miteinander kooperiert habt." Die Stimmen beider verstummten. Mutter Natur lächelte. "Ich habe nachgedacht.", Sie legte die Hände auf ihre Oberschenkel. "Der Himmelsfürst, oder eher seine Engel, kreierten die Schicksale. Nicht viele Schicksale waren den Menschen wohlgesonnen. Wäre es da nicht möglich, dass der Himmelsfürst sich mit dem Höllenfürst zusammentat?" Beide wichen ihren Blick aus. "War es so?" "Jaaa..." krächzte das Böse und das Gute versuchte ihn dafür mit der Hand zu schlagen. Mutter Natur lächelte, als sie das sah. "Das erinnert mich an Viktorius von Eden." fing sie an und der ehemalige Himmelsfürst biss die Zähne zusammen. "Dieser Name." knirschte er und das Böse lachte.
"Wunderbares Kerlchen!" Mutter Natur hob die Hand und beide verstummten. "Du hast ihn gehasst, weil er Recht mit seinen Worten hatte, stimmt doch? Er war eine Gefahr für dein Regime, die Wahrheit und dein Ego." Die Hände des Guten verkrampften sich. "Er hat nicht nach deiner Nase getanzt und das passte dir nicht." Mutter Natur wusste, dass sie Recht mit ihren Worten hatte.
Das Gute hatte den Blick von Mutter Natur abgewandt. Dafür sprach das Böse. "Es stimmt, was du sagst. Er will es nur nicht zugeben." Gehässig grinste die Fratze des Bösen. "Ich kann es in unseren Gedanken hören."
"Sei still!" schnauzte das gute und versuchte sich vom Bösen zu lösen, ohne Erfolg. Mutter Natur beobachtete das Schauspiel.
"Mir gefällt die neue Struktur sehr. Eure neue Form ist auch viel passender und offensichtlicher. Ihr könnt nicht mehr verstecken, dass ihr eins seid." Mutter Natur erhob sich. "Eine letzte Sache gäbe es noch." Gut und Böse sahen zu ihr. Mutter Natur hockte sich zu ihnen und ergriff je eine Hand von ihnen. "Es ist mir leider zu spät aufgefallen, aber...", Sie drückte die Hände beider ganz fest. "Die Hexenverfolgungen damals waren bewusst von euch in die Wege geleitet worden, richtig?" Sie lächelte, aber sie war zornig. "Die Kirche hat damals erwähnt, Hexen seien Schuld an den Plagen. Dabei gehörte die Kirche doch dem Himmelsfürst." Die Hände beider hatte sie fest im Griff. "Das Böse kehrte in den Dörfern und Städten heim und viele meiner guten Venefica starben auf dem Scheiterhaufen. Wie komisch, dass es aber nie eine böse Venefica traf." Ihr Blick wurde wütend. "Ihr habt die Hexenverfolgungen angestiftet, um mich zu schwächen! Der Himmelsfürst wollte Stärke und das Böse verbreiten. Je weniger Venefica es gab, desto weniger konnte ich zu den Menschen sprechen. Ohne Venefica zu denen ich sprechen konnte, konnte ich mehr Hüllen für den Himmel erschaffen. Ich muss schon sagen, ihr habt das geschickt hinter meinen Rücken getan und obwohl es so offensichtlich war, ist es mir nicht aufgefallen." Die Hände beider waren schmerzhaft gequetscht durch ihre Wut.
"Ja! Ja, das haben wir so geplant!" schrie das Gute und das Böse ergänzte: "Wir haben die Leichtgläubigkeit der Menschen damals ausgenutzt! Erzähl den jetzigen Menschen etwas von Hexen! Die sind nicht mehr so dumm wie damals!"
Den letzten Satz hätte er nicht aussprechen dürfen, denn Mutter Natur packte seine Finger und bog diese gewaltvoll nach hinten. Den Schmerz spürte auch das Gute. "Beleidige meine Kreation nicht! Sie sind nicht perfekt, aber nur weil du eine höhere Macht bist, hast du dich auch nicht über sie zu stellen!" Sie packte erneut seine Finger und bog diese wieder zurecht. Es schmerzte, aber wundersamerweise war die Hand wie zuvor.
"Warum können wir überhaupt Schmerz spüren?!" brüllte das Böse und Mutter Natur war bereits wieder aufgestanden. "Ihr habt eine Hülle ähnlich eines Menschens. Auch ich spüre Schmerz. Schmerz, ob psychisch oder physisch, machen einen Teil des Menschens aus. Außerdem kann es euch nicht schaden, Leid zu spüren." antwortete Mutter Natur gelassen und wandte ihnen bereits den Rücken zu. "Erfüllt eure Aufgabe, das Gleichgewicht der Welt zu halten. Ich kehre in den Garten Eden zurück."
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"Ich bin jetzt auf dem Weg zum Auto, Heather. In einer halben Stunde bin ich da und dann schauen wir uns dein zukünftiges Gefährt an." Er schmunzelte am Ende seines Satzes und schloss sein schwarzes Auto auf. In der anderen Hand hielt er sein Handy. "Oki, ich fahr auch gleich los. Ich hab es ja nicht weit." vernahm er die Stimme seiner Schwester. "Denkst du, soweit bringt dich dein Auto noch? Haha!" scherzte er und er konnte Heathers Augenrollen nicht sehen. "Dein Auto ist viel älter, eigentlich sollte das eher kaputt gehen als meins." entgegnete sie murrend. Damian war mittlerweile eingestiegen und strich über das Lenkrad. "Tja, gute Pflege halt." Von Heather kam nur ein Seufzer zurück. "na gut, ich muss auflegen. Bis gleich!"
"Bis gleich!" Die Geschwister legten auf und Damian fuhr von der Auffahrt des Hauses. Bevor er von der auffahrt fahren konnte kam ihn eine alte Frau entgegen, die sich Zeit beim überqueren ließ. Er fuhr endlich auf die Straße auf und das erste was vor ihm fuhr war ein Traktor, den er nicht überholen konnte. Dieser bog irgendwann ab und Damian hatte freie Fahrt. Vor ihm auf der Straße landete eine Krähe, die wieder weg flog, als er sich näherte. Ab diesem Moment fuhr eine Gestalt auf sein Autodach mit.
"Alle haben sie mich nie beachtet und mir Leid zugefügt. Ich will, das Andere genauso leiden, wenn ihnen etwas genommen wird und wissen, was sie mir angetan haben!" zischte die verhasste Stimme eines 19-jährigen, der den Fuß aufs Gas drückte. Das Tacho ging von 90 langsam auf 140 km/h hoch. Die Straße vor ihm war frei und gerade. Keiner fuhr hinter ihm und er wechselte von der rechten Straßenseite auf die Linke. Er fuhr den Gegenverkehr nun direkt entgegen!
Mittlerweile war sein Tacho bei 170 km/h angekommen.
Damian fuhr erlaubte 80 auf der Straße und hatte die Augen auf diese gerichtet.
Der Geisterfahrer sah nur noch seine Strecke vor sich und verlor sich in dem Tunnelblick. Auf seinem Autodach fuhr indes eine dürre Gestalt mit.
Damian bemerkte ein silbernes Auto vor sich und realisierte eine Sekunde später, dass er ihm direkt entgegenkam. "Scheiße!! Ist der bescheuert?!" Er wollte ausweichen, schaute schnell nach rechts und links, doch der Geisterfahrer war mittlerweile bei 190 km/h und innerhalb weniger Sekunden prallten beide Autos frontal ineinander.
Wie ein Schlagabtausch sahen sich Viktorius und Gina an. Sense und Akte in den Händen. Viktorius ließ die Sense auf den Geisterfahrer nieder. Durch den Aufprall lagen überall Autoteile, Blut und Fleischstücke. Der Geisterfahrer war nicht mehr zu erkennen gewesen. Er war mit dem Kopf vor und zurück geprallt. Durch die hohe Geschwindigkeit war sein Schädel stark eingedrückt worden. Er war sofort tot gewesen. Bei den Pedalen lagen Zähne, die beim Aufprall abgebrochen waren. Mehrere Brüche, Prellungen und Quetschungen zeichneten sich an seinem Körper ab. Viktorius klappte die Akte zu und kehrte in das Totenreich zurück. Gina verblieb am Unfallort. Andere Autos waren derweil angehalten und hatten Polizei, wie auch Notarzt verständigt. Gina setzte die Sense an Damians Körper an, las aber keine Todesdaten vor. Sie verblieb stumm an seiner Seite, bis die Rettungskräfte seinen Körper bargen.
"Er hat noch einen schwachen Puls!" Sie versorgten ihn, brachten ihn in den Krankenwagen und fuhren mit Blaulicht und Sirene in das nächste Krankenhaus.
Nervös hüpfte Heather von einen Bein auf das andere. "Er sollte eigentlich schon da sein." meinte sie mit hektischen Blick auf ihr Handy. "Er ist nie spät!" Sie zitterte und ihr Magen verkrampfte sich leicht. Der schmächtige Autoverkäufer verschränkte die Arme. "Müssen Sie ihn unbedingt dabei haben? Sie können sich das Auto auch alleine angucken. Ich bin Fachberater, ich hau Sie schon nicht übers Ohr." Ein Seufzen klang in seiner Stimme nieder und er sah auf seine prollige Armbanduhr. "Hören Sie, ich habe noch andere Kunden. Entweder Sie gucken sich das Auto jetzt an oder wir verschieben den Termin." mahnte er und Heather sah sich nervös um und entschied dann ohne nachzudenken. "Neuer Termin, bitte!" Der Autoverkäufer und sie machten einen neuen Termin in eineinhalb Wochen aus. "Es kann aber sein, dass das Auto bis dahin weg ist. Wir reservieren nicht." Das war Heather egal. Sie verabschiedeten sich und lief zu ihrem roten kleinen Auto, welches sie einst gebraucht erworben hatte. In ihrem Auto schrieb sie Damian und rief ihn an, aber es kam keine Antwort. Mittlerweile wartete sie fast zwei Stunden und scrollte durch die Medien, um sich abzulenken. Tränen stiegen in ihr hoch. "Man... Das passt nicht zu ihm. Da stimmt was nicht." Ihre Lippe zitterte und ihre Finger waren ganz kalt, bis sie auf einen neuen Artikel stieß.
"Unfall auf der..." Sie stockte und las den Bericht.
Heute Mittag gegen 12:31 kam es auf der Bundesstraße zu einem verherrenden Unfall. Ein 19-jähriger Geisterfahrer ist dabei mit erhöhter Geschwindigkeit gegen ein entgegenkommendes Auto geprahlt, welches nicht mehr ausweichen konnte. Der 19-järhige Geisterfahrer war sofort tot. Der 44-jährige Mann im schwarzen Auto liegt schwerverletzt im Krankenhaus. Die Polizei ermittelt nun, wie es zu diesem Unfall kommen konnte.
Dazu abgelichtet war ein Bild beider zertrümmerter Autos und Heather erkannte ohne Zweifel den PKW ihres Bruders wieder. Sie ließ das Handy fallen und schlug die Hände vor das Gesicht.
"Nein! Nein! NEIN!" Sie kreischte in ihrem Auto. "Das kann nicht wahr sein! Nicht mein Bruder!" Sie faltete die Hände zum Gebet zusammen und sprach zum Himmelsfürst. "Bitte lass meinen Bruder wieder gesund werden." Sie hatte ihren Bruder schon einmal fast verloren. Er war ihr ein und alles und zu jung, um zu sterben.
Das gute vernahm ihr Gebet, konnte aber nichts ausrichten. Das Böse lachte. "Töricht, weiter zu dir zu beten."
Heather wurde informiert, dass ihr Bruder im Krankenhaus lag und war ohne Umwege zu ihm gefahren. Beim betreten seines Krankenzimmers kamen ihr erneut die Tränen, als sie sah, wie Damian an all den Schläuchen hing, Verbände trug, bewusstlos im Bett lag. Die Ärztin teilte ihr mit, wie schwerwiegend die Verletzungen waren. Innere Blutungen, Brüche. "Selbst wenn er aufwacht, besteht das große Risiko, dass er nie mehr der Alte sein wird." Die hoffnungslosen Worte der Ärztin verstärkten Heathers Tränen. Sie war gezwungen sich zu setzen. Dabei sah sie Gina nicht, die neben Damian auf dem Stuhl saß und die Sense an seinem Körper hielt. "Wäre dieser Geisterfahrer nicht gewesen! Hätte ich mir das Auto nur alleine angesehen!" fluchte Heather und fing vor seinem Bett zu beten an.
"Bitte lieber Himmelsfürst, lass meinen Bruder wieder gesund werden." Sie flehte verbittert, während Gina all ihre Worte hörte. Heathers letzte verbleibende Hoffnung war ihr Glaube.