1,5 Jahre vergingen und die Menschheit konnte die Pandemie eindämpfen. Sie fanden Impfstoffe gegen diese Krankheit und lebten mit ihr. Musuko erfreute dies am meisten, da er sein Studio wieder öffnen durfte. Den ersten Termin reservierte er für Heather, die wie er froh war, dass sich alles wieder normalisierte. Dabei gestand Musuko, dass er die Zeit bei Shadia auch schön fand.
Veranstaltungen fanden ebenfalls wieder statt und in Brütteln wurde eine kleine Tattoomesse organisiert. Auf dieser Messe stellte auch Musuko aus. Mikel half ihm dabei, den Stand aufzubauen und ein paar Kleinigkeiten zu erledigen.
"Und dir ist das nicht zu viel?" hakte Musuko nach und legte die Hände auf Mikels Schultern. Dieser schüttelte lächelnd den Kopf.
"Heute ist ein guter Tag. Außerdem habe ich meine Ohrstöpsel und Samtball eingepackt oder ich gehe kurz raus."
"Oki, super. Hab dich lieb." Er gab Mikel einen Kuss vor den Menschen, die an ihnen vorbeiliefen. Auf Mikels Wange legte sich ein Rotschimmer. Während Musuko wartete, zeichnete er auf seinem Tablet an neuen Wanna-Dos. Mikel öffnete ihm eine kleine Energy-Dose.
"Danke." Er trank und stellte diese sicher zur Seite. Nebenbei beobachtete er die Menschen, die an seinem Stand vorbeiliefen und erkannte einige seiner Kunden wieder. Da sich der Stand nahe des Eingangs befand sahen sie die unterschiedlichsten Menschen ein und austreten. Mikel stupste Musuko an und bevor er es sah, hörte er schon die quirligen Stimmen.
"Mikel! Du auch hier? Mit deinen Mann?" Es waren Caitlyn und Patricia, gefolgt von ihrer Mutter, dessen Körper noch dünner wirkte, wie noch vor zwei Jahren. Mikel war nicht danach, ein längeres Gespräch zu führen.
"Ja. Was führt euch her?" Er rieb die Hände aneinander.
"Wir wollen uns ein Schwestern-Tattoo stechen lassen. Vielleicht überreden wir Muddi noch, sich auch eines stechen zu lassen." erklärte Patricia und sah zu Caroline, die die Nase rümpfte und Abstand hielt. Sie sah Mikel nicht mal an.
"Damit ich wie ein Verbrecher aussehe? Vergiss es." Sie sah sich die Messehalle an, während ihre Töchter mit Mikel sprachen.
"Kann dein Mann uns auch was stechen? Wir bekommen als Schwägerinnen sicher Rabatt, oder?" fragte Caitlyn und bevor Mikel antworten konnte, sagte Musuko bereits: "Nein! Ihr zahlt genauso viel wie jeder andere auch." Beide wirkten kurz eingeschnappt. "Na gut, schade. Wir sehen uns weiter um." Zu dritt verließen sie den Stand.
Ein Mädchen Anfang 20 sprach Musuko auf seine Artworks an und lobte diese. Lächelnd dankte Musuko. "Wenn du möchtest kann ich dir was stechen. Ich habe Zeit." Sein Gegenüber winkte jedoch ab.
"Nein danke. Ich habe meinen Stammtätowierer." Sie verließ den Stand und Musuko zeichnete weiter. Er ließ den Blick zwischendurch durch die Halle schweifen und erblickte Timothy. Er wandte sich seinem Tablet zu, aber Timothy sah seinen Stand und lief provokant zu ihm. Bei Musukos Stand nahm er eine der Wanna-Dos zur Hand und Musuko bat ihn, diese liegen zu lassen.
"Ich habe mittlerweile einen neuen Tätowierer gefunden. Einen Besseren." merkte Timothy an, aber Musuko sah nicht mal von seiner Zeichnung auf.
"Es gibt immer jemanden der besser ist." Musuko ließ dies unbekümmert.
"Schönen Tag noch, dir und deinem Helferlein!"
"Danke ebenso." Timothy verließ den Stand und das Ehepaar lachte über die Situation.
"Kann bitte auch mal ein Kunde kommen, der sich etwas tätowieren lassen möchte?"
Kaum hatte er dies ausgesprochen, kam Sarah auf ihm zu.
"Heyho! Hast du Zeit mir was zu stechen?" Musuko blickte zu ihr. "Ja, klar. Was möchtest du denn haben?"
"Die düstere Fledermaus mit den vier Flügeln sagt mir zu." Sie grinste.
"Jaa, die wäre für den Underboob. Das würde ein Weilchen Zeit in Anspruch nehmen." Sarahs Blick verriet, dass sie dem nicht zugetan war.
"Nackig möchte ich mich jetzt nicht machen. Ich hätte sonst noch ein Fineline-Tattoo in Planung, auf dem Handgelenk." Sie zeigte auf ihren rechten Arm.
"Jaa, was hast du dir vorgestellt?" Sarah erzählte ihm von ihren Vorstellungen und er entwarf ein Design, mit welchem sie zufrieden war.
"Übrigens wenn du die Fledermaus haben möchtest, reserviere ich sie dir. Ich kann verstehen, dass man sich auf einer Messe ungerne zu Schau stellt." Sarah nickte.
"Oh ja gerne." Mikel nahm das Motiv vom Tisch und notierte auf einem Zettel; reserviert für Sarah Krachten.
"Dann sind wir da preislich einmal bei 110 Euro." bat Musuko, während Sarah ihr frisch gestochenes Motiv begutachtete. "Klar." Sie zückte ihr Portmonee und reichte Mikel das Geld.
"Danke." Er lächelte und Sarah stand, fasziniert von ihrem Tattoo, vor Mikel.
"Gibt es eigentlich Rabatte wenn man mit dir befreundet ist?" scherzte sie und Musuko erstarrte in seiner Bewegung.
"Warum fragen mich das heute alle? Nein, bekommt man nicht. Von irgendwas muss ich doch leben. Geht nicht, dass ich jeden Rabatte gebe." Er desinfizierte die Arbeitsfläche. "Nicht mal Heather?" Musuko sah Sarah mit hochgezogener Augenbraue an und log.
"Nein, auch Heather nicht." Sarah grinste.
"Na dann, bis zum nächsten Mal." Sie ging und lief durch die Messehalle. Musuko setzte sich wieder zu Mikel.
"Wenn das so weitergeht, halte ich das keine zwei Tage aus. Und dafür habe ich den Sonntagsbesuch bei Mutti abgesagt." Mikel strich über Musukos Schulter.
"Mein kleiner Totengräber, ich würde mich auch einmal umsehen gehen und mir vielleicht ein neues Piercing stechen lassen." Er nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Musuko nickte.
"Tue das. Bin gespannt womit du wiederkommst." Musuko vertrieb sich die Zeit derweil mit dem zeichnen. Sein Gatte kam 20 Minuten später wieder mit einem frischen Helix-Piercing auf der rechten Seite.
"Steht dir." Geschmeichelt setzte sich Mikel wieder. "Danke. Ich habe mir lange nichts neues stechen lassen. Mein erstes Ohrloch hab ich mir auch erst mit 20 machen lassen." Er schob eine Haarsträhne hinter das Ohr und man erblickte sein Lobe, Flat und Helix Piercing.
"Meine Mutter hat mir Tattoos und Piercings erst ab 18 Jahren erlaubt. Nicht mal für Ohrlöcher konnte ich sie überzeugen." erzählte Musuko und sah zu Mikel.
"Ich habe oft versucht sie zu überreden. Einmal sogar mit Heather, da ich dachte wenn sie anwesend ist, wird Mom nachgeben. Dummerweise hat Heather sich auf Moms Seite geschlagen und gesagt, sie kann verstehen, dass man das erst darf, wenn man volljährig ist, weil Tattoo bleibt für immer und so. Da hätte ich mit rechnen müssen bei jemanden, der denkt von Energys draufzugehen." Ein langer Seufzer schloss Musukos Erzählung.
"Ich hätte gedurft, wenn ich gewollt hätte. Mein Erzeuger war da locker drauf, aber der hat sich mit 17 auch was von einem Kumpel tätowieren lassen." berichtete Mikel und Musukos Gesicht verzog sich.
"Am besten noch im Suff ohne Einhaltung jeglicher Hygienevorschriften." Mikel zuckte mit den Schultern.
"Das Schöne war aber, dass ich an meinem Geburtstag einen Piercing Gutschein bekommen habe. Davon ließ ich mir erstmal Ohrlöcher stechen. Dann kamen die zweiten Ohrlöcher und mein Industrial. Die ersten Tattoos ließen auch nicht lange auf sich warten. Mein erstes war der Sensenmann aufm Oberarm." Er zog das Shirt ein Stück hoch, damit Mikel es noch einmal sah. "Meinen 18.ten Geburtstag vergesse ich nicht so leicht. An dem Tag habe ich auch mein erstes Tablet zum zeichnen geschenkt bekommen. Ich hab geweint vor Freude, da die nicht billig sind. Mutti meinte nur, da es mein 18.ter ist und sie mich auf meinen Weg unterstützen möchte, ist das okay. Ich habe sie so fest umarmt, die hätte sich fast selber beerdigen müssen." Musuko schmunzelte und schwelgte in Erinnerungen. Die Nostalgie durchbrach ein Kunde, der sich ein größeres Motiv auf die Wade stechen lassen wollte. Musuko freute sich, die nächsten paar Stunden beschäftigt zu sein. Nach 2,5 Stunden war sein Kunde entlassen. Musuko genehmigte sich einen großen schluck Energy, während Mikel das Geld verwahrte und die Einverständniserklärung abheftete.
"Ich bin auch froh, wenn das wieder vorbei ist. Ich hab lieber meine Ruhe im Studio." Er lehnte sich zurück. "Sehe ich auch so. Mir sind das zu viele Eindrücke auf einmal. Ich geh kurz raus und auf Klo." Musuko nickte und sah Mikel durch die Eingangstür laufen. Er griff nach seinem Handy und las eine Nachricht von Shadia.
Viel Spaß dir und Mikel auf der Messe. Ich treffe mich morgen mit Tomas, um sich auszutauschen. Nächste Woche machen wir dann wie gewohnt unseren Sonntagsbrunch.
Musuko schrieb ihr, dass er später im Detail auf das Erlebte einging und wünschte ihr viel Spaß mit Tomas.
Tomas wartete auf Shadia am Sonntag vor dem Café der Krachten Bäckerei. Kurz vor 10 Uhr kam Shadia zum Café gelaufen und sie grüßten sich mit einer Umarmung. "Schön, dass du da bist. Gut siehst du aus." Er lächelte und Shadia ließ eine Haarsträhne durch ihre Finger gleiten. Ihre Haare waren zur Hälfte ergraut und das verbliebene Schwarz besaß keine Intensität mehr.
"Dem Alter entsprechend würde ich sagen." Sie lachte und Tomas stimmte mit ein. Zusammen betraten sie das gut besuchte Café. Für beide bestellte er einen Cappuccino und musste nichts dafür zahlen. Beide setzten sich in eine ruhige Ecke.
"Und ist dein Sohn auf der Messe?" Shadia nickte.
"Ja, mit seinen Mann. Eigentlich wäre heute unser gemeinsames Frühstück gewesen. Sonntags ist bei uns immer der Tag, wo wir entweder zusammen frühstücken oder zu Mittag essen." Sie nippte an dem Milchschaum.
"Das ist doch schön. Ich wünschte ich hätte das mit meinen Kindern. Meine Tochter lässt sich nur noch an Feiertagen hören und meine Söhne sind oft verplant. Die hätten da auch kein Bock zu. Jetzt sehe ich beide aber auch regelmäßiger. Meinen Jüngsten ja sowieso. Marvin hat doch auch eine Zeit bei dir gearbeitet."
"Musuko. Und ja hat er."
"Ach Entschuldigung. Wie komme ich immer auf Marvin?" Beide schmunzelten darüber.
"Ich bin so froh, dass Timmy doch noch bei mir angefangen ist. Schade, dass er damals schon nicht bei mir angefangen ist, aber ich kann ihn verstehen. Claudia hat das was ich mache nur toleriert und nicht gerne darüber geredet, als was ich tätig bin." erwähnte Tomas und Shadia nickte.
"Musuko haben auch einige geärgert wegen dem, was ich mache. Zum Glück ist das vorbei." Sie leerte ihre Tasse zur Hälfte.
"Einmal bestand meine Frau darauf, unsere Tochter von der Party abzuholen. Da unsere Familienkutsche in der Werkstatt war musste ich sie natürlich irgendwie anders abholen und da blieb nur der Bestattungswagen. Clara war das unfassbar unangenehm vor ihren Freunden und wir hatten noch zwei Tage Zoff deswegen." Er umfasste die Tasse mit beiden Händen.
"Wenigstens warst du verlässlich. Petri hat es öfters vergeigt, Musuko vom Kindergarten abzuholen. Ich oder meine Tante wurden dann um 16 Uhr angerufen, wann Musuko denn abgeholt wird. Und zu dem Zeitpunkt war Petri arbeitssuchend!" Shadia rollte mit den Augen.
"Du hast viel alleine gestemmt, kann das sein?" Shadia nahm einen Schluck und nickte dann.
"Selbstverständlich haben mich meine Tante und Onkel unterstützt. Ohne die Beiden wäre ich wohl durchgedreht." Mit einem leichten Schmunzeln versuchte sie das Gesagte weniger schlimm zu wirken.
"Ich hätte dich nicht alles alleine machen lassen." schleimte Tomas und strich über Shadias Zeigefinger. Kurz grinste sie.
"Glaube ich dir sofort. Du wärst dir auch nicht zu schade gewesen, Windeln zu wechseln." Fragend blickte Tomas Shadia an.
"Wieso?"
"Petri hat sich immer so angestellt, wenn es ums Windeln wechseln ging. Er meinte immer, ich kann das machen, immerhin mache ich auf der Arbeit nichts anderes. Und dann liegst du im Wochenbett und darfst trotzdem abends aufstehen, weil der feine Herr sich zu schade ist." Shadia verdrehte die Augen und trank ihren Cappuccino aus. In Tomas Gesicht zeichnete sich Fassungslosigkeit ab.
"Nach der Geburt unserer Kinder habe ich mich um die Kleinen gekümmert, damit Claudia genesen konnte. Na gut sie hätte mir auch die Hölle heiß gemacht, hätte ich es nicht getan." Er lächelte Shadia an und leerte seine Tasse. "Hätte ich bei Petri mal öfters machen sollen. Ich hatte bis zu seinem Seitensprung mit Schlafstörungen zu kämpfen. Nachdem ich ihn beerdigt habe waren diese wie weggeblasen. Aber ich merke schon, mit dir wäre es mir besser ergangen." Tomas fand keine passenden Worte zu ihrer Aussage und lächelte nur charmant.
"Möchtest du noch einen Kaffee?" fragte er, um vom Thema abzulenken.
"Einen Tee bitte, Earl Grey. Zu viel Kaffee bekommt mir nicht." Sie legte eine Handfläche über die andere und sah Tomas dabei zu, wie er die Tassen wegbrachte und mit zwei weiteren Heißgetränken wiederkam.
"Deine Ehe hat dich damals auch nicht erfüllt, oder?" fragte Shadia direkt und wärmte ihre Hände an der Teetasse.
"Ich erinnere mich wie ich bei dir anrief und du erzähltest, geheiratet und Vater einer Tochter geworden bist. Schon damals klangst du nicht stolz." Tomas nippte an den heißen Kaffee. "Hat sie auch nie. Ich lernte Claudia zufällig aufm Blumenmarkt kennen und anfangs war es toll. Wenn sie auch irgendwie nur eine Ablenkung für mich war. Ich merkte aber schnell wie kompliziert sie eigentlich war, aber da war es schon zu spät. Trotzdem versuche ich das Beste daraus zu ziehen. Es gäbe unsere wundervollen Kinder nicht. Meine Tochter und die Zwillinge würde ich gegen nichts austauschen wollen." Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und Shadia blickte ihn munter an.
"Mein Sohn sagte einst etwas ähnliches. Er wäre nicht der, der er jetzt ist. Man sollte sich nicht darüber Gedanken machen, was gewesen wäre sondern was ist." Tomas hob den Pott Kaffee an.
"Ich finde unser Treffen, wie es jetzt ist, sehr schön." Shadia nahm ihre Teetasse zur Hand und schmunzelte.
"Dem gibt es nichts hinzuzufügen." Beide leerten ihre Trinkgefäße zur Hälfte.
"Mein Sohn Timothy hat sich gestern auf der Messe ebenfalls etwas stechen lassen. Irgendeine Figur auf der Wade. Hat mich gewundert, dass er nicht bei deinem Sohn war. Das war doch immer sein Stamm-Tätowierer." Shadia biss sich bei Tomas Worten fast auf die Lippe. Sie war sich unsicher, ob er von deren Beziehung wusste und dem, was Timothy getan hatte. Schließlich dachte sie an ihren Sohn und wie mit ihm umgegangen wurde. "Es gibt eventuell ein paar Dinge über Timothy, die du nicht weiß."