Montagmorgen
Die Geschwister standen zusammen um sieben Uhr auf und Damian überließ seiner Schwester den Vortritt im Bad. Heather trug ihre Haare offen und zu ihrer schwarzen Jeans zog sie sich einen violetten Pullover an. Sie setzte sich zu ihren Bruder an den Küchentisch und schaute aus dem Fenster.
"Arbeitest du heute daheim?", fragte sie ihn und er nickte, während er sich sein Toast schmierte. "Darf ich dann bitte das Auto haben oder musst du nachher noch wegfahren?" fragte sie weiter und erst nickte er, dann schüttelte er mit dem Kopf. "Kannst das Auto nehmen." meinte er, gähnte einmal und biss dann in sein Käsetoast. "Danke." Lächelnd nahm sie sich ihr Müsli und goss sich einen Tee auf.
Heather verabschiedete sich und spurtete zum schwarzen, langen Auto. Mit 18 hatte sie ihren Führerschein gemacht und anfangs war sie ganz aufgeregt, als sie nach bestandener Prüfung im Auto ihres Bruders saß. Den Führerschein hatte er ihr bezahlt, ein eigenes Auto musste sie aber selber zahlen, bis dahin teilten sie sich eines.
Immer wenn sie mit seinem Auto fuhr, fühlte Heather sich wie eine Geschäftsfrau und trotz Versicherung wollte sie keinen Schaden machen. Sie parkte auf dem Firmengelände und beim betreten des Bürogebäudes fragte eine Kollegin sie: "Das schwarze Auto mit dem Kennzeichen DW 96, ist das deins?" Heather schüttelte den Kopf. "Das gehört meinen Bruder. Ich wollte nicht nass werden und habe deshalb das Auto genommen." erklärte sie und nach einem kleinen Gespräch setzte sie sich an den Bürotisch. Sie fing mit dem bearbeiten der E-Mails vom Wochenende an. Um kurz nach 10 kam eine weitere Kollegin, die unbedingt mit Heather reden wollte.
"Ich war eben drüben in der Backstube und die junge Verkäuferin wurde von einer Kundin ziemlich mies angegangen. Die Kundin hatte 100 Brötchen bestellt, die nicht da waren. Du solltest das doch bei den Bäckern aufschreiben." Heather stockte und fühlte sich schuldig. "Mist, das hab ich vergessen, tut mir leid. Und nun?" fragte sie leise und ihre Kollegin verschränkte die Arme. "Wir haben versucht, an Brötchen zusammen zu bekommen, was ging. Ich habe aus einer anderen Filiale den Rest geholt. Das ging zum Glück ganz gut. Die Kundin hat einen Kaffee spendiert bekommen, während sie warten musste und hat Rabatt auf den Verkaufspreis bekommen. Was hätten wir aber gemacht, wenn das jetzt nicht geklappt hätte? Auf sowas muss du besonders achten." predigte ihre Kollegin und Heather nickte. Sie dachte über diesen Vorfall nach und hasste es, wenn ihr dies passierte. Ihr Bruder machte ihr dann immer Mut, dass Fehler ärgerlich aber normal seien. Mit der Zeit hellte sich nicht nur ihre Laune sondern auch das Wetter wieder auf. Sie grüßte den Chef, der hereinkam und sich direkt wieder verabschiedete. Sie hörte ihn noch mit dem Auto wegfahren, doch hörte ihn überraschend anhalten. Mit schnellen Schritten kehrte er in das Büro zurück. "Frau Willers? Das schwarze Auto ist doch ihres, oder?" hakte er nach und Heather nickte. "Ja?"
"Kommen Sie mal mit." Heather stand auf und fragte sich, was los sei. Sie folgte ihrem Chef hinaus auf dem Parkplatz. "Ich glaube nicht, dass das so soll." murmelte er und kurz darauf sah Heather, was er meinte. Mit einer orangenen Spraydose hatte jemand Wir fahren keine Verbrenner! auf die Motorhaube gesprüht. Heather schlug die Hand vor dem Mund und weitete die Augen. "Diese Aktivisten! Fragen Sie mal nach, ob jemand was gesehen hat." Kurz darauf stieg er in sein Auto und fuhr davon. "Wie soll ich das Damian erklären?" hauchte sie und fragte ihre Kollegen, doch keinem war was aufgefallen. "Verflixt." fluchte sie und setzte sich in den Aufenthaltsraum.
Dieser Vorfall ärgerte sie sehr und sie konnte sich kaum mehr auf die Arbeit konzentrieren. Beschämt und mit einem flauen Magengefühl fuhr sie nach Feierabend heim. Vorher fotografierte sie die Sachbeschädigung. Über Handy hatte sie es ihm nicht mitteilen wollen.
Mit hängenden Kopf betrat sie das Haus und suchte Damian in seinem Büro auf. Er sah ihr an, dass sie was beschäftigte. "War dein Tag heute nicht so erfolgreich?" fragte er, als sie meinte: "Du musst bitte mit zum Auto kommen." Sofort sprang er auf und folgte ihr.
"Bist du irgendwo reingefahren?" fragte er direkt und Heather verneinte. Er sah die Schmiererei und wurde wütend. "Ich glaube das nicht! Wenn ich wüsste, wer das war! Klasse, damit darf ich zum Lackierer! Kostet auch wieder Geld!" fluchte er und rief direkt beim Lackierer seines Vertrauens an. Er freute sich darüber, dass er das Auto am Folgetag vorbeibringen durfte. Die Situation ärgerte ihn, da die betreffende Person ohne eine Strafe davonkommen würde und eine Lackierung nicht billig war. Kosten, auf denen er sitzen blieb. Im Nachhinein war er auch erleichtert, dass Heather dem Auto keinen Schaden zugefügt hatte.
"Aktivismus schön und gut, aber wo soll das noch alles hinführen?" fragte er sich.
In den folgenden Jahren trat keine Besserung ein. Die Debatten rund um den Klimawandel worden mehr. Naturkatastrophen kamen öfters vor und dies führte dazu, dass einige Menschen aus ihren Heimatorten flüchteten. Klimaflüchtlinge nannten Menschen die Betroffenen. Der Klimawandel forderte viele Tote. Sowohl Mensch als auch Tier. Der weiße Tod erlebte mit, wie vereinzelt Tierarten ausstarben. Unteranderem der Eisbär. Die Gletscher schmolzen und der Meeresspiegel stieg an. Daraus resultierten Überflutungen. Die Ozeane versauerten und die Böden versalzten. Besonders Landwirte bekamen dies zu spüren, ebenso die Dürren.
Mit einem eiskalten Blick sah der weiße Tod zu den Menschen, die schonungslos die vielen Kühe töteten. Eine eiskalte Massentötung unter dem Deckmantel, dem Klima zu helfen, wie der weiße Tod fand. Nach diesem Geleit kehrte der weiße Sensenmann zu Mutter Natur heim. Mit gesenkten Kopf und der Sense in der Hand lief dieser zu Mutter Natur. Vor seinen eigenen Augen sah er den Zerfall von seiner Erschafferin. Zittrig stand sie vor der Hülle. Schlaff hing ihr Kleid an ihr herunter und versteckte die Dürre. Ihre Haut war blass, die Haare zerzaust und die Augen schimmerten nicht mehr grün, sondern nur noch in einem grau. Der weiße Tod war der Meinung, bereits graue Haarsträhnen entdeckt zu haben.
Mutter Natur erschuf Hüllen wie am Fließband. Sie war regelrecht gefangen in dem Bann, Menschen Körper zu kreieren. "Es gab eine Massentötung an Kühen." erwähnte ihr Gehilfe und Mutter Natur stoppte für einen Augenblick. "Bedauerlich." hauchte sie und machte sich weiter daran, Hüllen zu erschaffen. Ihr Gehilfe umfasste den Stab der Sense fester und wurde lauter: "Was muss noch alles passieren, damit du es endlich verstehst?!" Er biss die Zähne zusammen. Er wollte so nicht mit seiner Erschafferin reden.
Mutter Natur drehte sich zu ihn um. "Was verstehen?" wisperte sie und war regelrecht apathisch. "Dass das alles hier so nicht weitergehen kann." hauchte der weiße Tod, doch erreichte seine Erschafferin nicht. Wie in Trance wandte sie sich wieder den Seelengefäßen zu.
Der weiße Tod führte seine Arbeit fort und traf dabei auf einen Seelengeleiter. Stumm verrichteten beide ihre Arbeit. Der Seelengeleiter geleitete die Seele eines Mannes, der in den Tropen von einen Alligator attackiert wurde. Der weiße Sensenmann sorgte sich um eine Schlange, als er den Vorfall bemerkte.
"Wenn Mutter Natur zurückschlägt." murmelte er und dachte an all die Katastrophen. Dabei ließ er von der Schlange ab und beobachtete den Todeskampf. "Vielleicht sind die Katastrophen nicht nur ein Zeichen von Erschöpfung, sondern auch eine Art, dem Himmelsfürst zu zeigen, dass es genug ist." murmelte der weiße Sensenmann und verschwand zu einem weiteren Tiergeleit.
Es handelte sich um einen Elefanten und der weiße Tod war gerührt von der Gemeinschaft der Herde. Alle trauerten um den verstorbenen Elefanten und der weiße Tod fand, dass diese Tiere den Menschen in dem Moment sehr ähnelten. Der weiße Tod wusste um die Emotionen, die Tiere verspürten. Er hatte Tiere geleitet, die bis zum Schluss bei ihren Herrchen bleiben wollten, um ihre Seele irgendwann in das Leben nach dem Tod zu begleiten. Es gab aber auch Tiere, die noch nicht sterben wollten oder aggressiv worden. Er erinnerte sich an das Seelengeleit eines Hundes, der voller Angst war und nicht verstand, eingeschläfert zu werden. Seine einzige Intention war es gewesen, dass er den kleinen Jungen doch weiter beschützen wollte. Damals konnte der weiße Tod ihn die Angst nehmen, in dem er sagte, dass er ihn überall hinbegleiten konnte, sogar ins Bett, wo er sonst nicht schlafen durfte. Dies hatte ihn damals beruhigt und er war den Weg mit ihm gegangen. Tiere hatten ebenso eine Seele und der weiße Tod wusste, dass bei den Tieren alles von alleine ablief. Dies warf die Frage auf, warum dies nicht auch bei den Menschen sein konnte. Alleine dies war für den weißen Tod Grund genug, dass Mutter Natur stärker war, als sie dachte. Der weiße Tod wusste auch, wie Engel an Mutter Naturs Seite standen, als sie bestimmte Hüllen erschuf, als hätten sie kein Vertrauen in Mutter Naturs Fähigkeiten.
Der weiße Tod dachte nicht weiter darüber nach und führte seine Aufgabe fort. Sein Weg führte ihn zu einen Hund, der an der Autobahn ausgesetzt wurde. Da der Winter kälter wurde als gewohnt und der Hund keinen Zugriff auf Nahrung hatte, verstarb er langsam. Einfach weggegeben, das fand der weiße Sensenmann traurig. Er verblieb noch eine Weile bei dem Hund, blickte zum Himmel und sorgte dann um all die Tiere, die an diesem Festtag starben.
Silvester 1700
Während die Menschen ausgelassen feierten, den Himmel durch die Raketen Farbe verliehen und das neue Jahrhundert zelebrierten, waren die Seelengeleiter mit den Verstorbenen beschäftigt, die Schutzengel damit, Verletzte zu beschützen und der weiße Tod umsorgte die Tiere. Einigen Tieren stand er als Mutmacher bei und behütete sie, während sie angst hatten. Die Hölle hingegen geierten auf die Verletzten.
Die Menschen zündeten die Böller, schossen die Raketen in die Luft und überall wurde es laut. Ruckartig hielt sich Mutter Natur die Ohren zu und kniete auf den Boden. Ihre Augen waren aufgerissen und sie fing an, zu hyperventilieren. "Aufhören." flehte sie und zuckte zusammen, als ein weiterer Knall ertönte. Bei jedem weiteren Knall zuckte sie vor Angst zusammen.
Um gemeinsam das neue Jahrhundert zu begrüßen, hatten sich Heather, Damian, Musuko und seine Mutter bei Damian Zuhause getroffen. Alle waren ein Stück älter geworden. Damian war mit seinen fast Mitte dreißig noch ledig, aber er hatte sich damit abgefunden und war glücklich. Seine Schwester machte noch keine Anstalten, auszuziehen. Ihre Ausbildung hat sie als Innungsbeste abschließen können. Sie hatte danach in Erwägung gezogen, bei ihren Bruder im Büro anzufangen, doch er hatte abgelehnt und seitdem verblieb sie in der Bäckerei.
Musuko lebte mit seinen beinahe 24 noch bei seiner Mutter und verließ das Haus nur, um zu seinem Tattoo-Studio zu fahren. Er hatte sich diesen Traum erfüllt, auch wenn es anfangs holprig lief. Seine Mutter hatte ihn viel dabei helfen können. Sie war auch seine erste Kundin gewesen, die nach einem Mutter-Sohn Tattoo gefragt hatte. Seitdem trugen beide zwei kleine Sensenmänner mit ihren jeweiligen Initalien auf dem Oberarm. Gelegentlich half er seiner Mutter noch im Bestattungsinstitut.
Gamia war mit ihrer Mutter Seelen geleiten. Niklas hatte sich mit anderen Landwirten getroffen, diesen Abend wollte sie ihm das alleine machen lassen. Sie traf auf ihre Großeltern und Frederic, die ebenfalls sehr beschäftigt waren an diesem Tag. "Wir trinken nachher noch ein Glas Wein bei meinem Bruder." hatte Cedric beiläufig erwähnt, bevor er weiter zum Seelengeleit zweier Unfallopfer musste.
Suicide Hangman war ebenfalls mit dem Geleiten der Menschen, die sich dem Freitod hingaben, beschäftigt. Er konnte nicht jede Seele geleiten. So auch nicht die eines Mannes Mitte 20, der sich das Leben in seiner kleinen Wohnung genommen hatte. Er war komplett alleine gewesen, da er sich von jeden abgegrenzt hatte. Um seinen Körper bildete sich eine Blutlache durch die aufgeschnittenen Pulsadern. "Keiner wird mich vermissen." wisperte er und sah zu seinem toten Körper. Viktorius beobachtete ihn dabei und mit gesenkten Kopf ließ er den Geist. Er nahm sich vor, nach geraumer Zeit wieder nach ihm zu gucken und erteilte dem Sensenmann Bericht, dass diese Seele nicht geleitet werden konnte. Gelegentlich kam dies vor, dass sich Seelen von Suizidopfern nicht geleiten ließen. Der Sensenmann dankte Viktorius trotzdem und war froh, dass die Zusammenarbeit gut funktionierte.
Mit einem kritischen Blick sah Vicky in den Nachthimmel. In der Hand hielt sie eine Teetasse. "Das verschmutzt nur die erde." murmelte sie, wandte sich vom Fenster ab und setzte sich an ihren Schreibtisch. Vor ihr lagen mehrere Lernbücher. Nach ihrem Abitur, welches sie überraschend besser bestand als erwartet, fing sie an, Umweltwissenschaften zu studieren. Neben dem Studium ging sie für ein bisschen Geld in einem kleinen Laden jobben, um sich das Studium und etwas für sich zu finanzieren. Sie wusste aber, dass sie im Notfall auf ihre Väter zählen konnte.