"Bis später, ich muss zu den Sensenschmieden. Hab dich lieb, Papa!" verabschiedete Alma sich mit einer Umarmung und Henrik lächelte sie gelassen an und erwiderte die Umarmung. "Ich habe dich auch lieb." sagte er glücklich und schaute ihr hinterher. Er hatte ein stolzes Empfinden.
Alma war bei den Scythe Makern und heute ging es hektischer vonstatten. Sie kümmerte sich eigenständig um das Rausgeben der fertigen Sensen und dem entgegen nehmen neuer Sensenaufträge. Diese händigte sie gerade ihrer Lehrmeisterin aus und Sibylle fand ihre Selbstständigkeit bei diesen Dingen sehr löblich. Zudem Zeitpunkt kamen gerade einige Sensenschmieder mit gesegneten Sensen wieder und einer der Todeswesen brüllte direkt einen der Lehrlinge an. Alma hatte gerade ein paar Metallstäbe geholt und abgeliefert. Sie bekam das Gebrüll mit.
"Willst du mich verarschen?! Wie lange schärfst du nun schon Sensen?!" Der Mann nahm das unfertige Sensenstück und knallte es so laut auf dem Boden, dass der Lehrling zusammen zuckte. "Wie oft soll ich dir noch sagen, wie scharf eine Sense sein musst?! So scharf, dass sie sich problemlos ins Fleisch schneiden kann!!" Der Lehrling wich automatisch zurück und man erkannte klare Schnittnarben an den Armen des Lehrlings, welcher wohl öfters von seinem Lehrmeister körperlich misshandelt wurde. Der Mann war wütend und gestikulierte mit den Armen. Er schien voll vergessen zu haben, dass er noch eine Sense in der Hand hatte. Im nächsten Moment stockte er jedoch, als er merkte, dass die Sense irgendjemanden getroffen haben musste.
Alma weitete die Augen, als sie sah, wie sich das Sensenblatt unter ihrer rechten Brust einmal durch den Körper gestochen hatte. Sie fühlte keinen Schmerz und stand noch zu sehr unter Schock. Ihre Hände umgriffen zittrig das Sensenblatt und sie zog es eigenständig Stück für Stück aus ihrem Körper heraus. Dabei wurden ihre Hände blutrot und sie spuckte Blut.
Nachdem sie die Sense entfernt hatte, verspürte sie nun auch den ersten Schmerz, welchen sie krampfhaft zu unterdrücken versuchte. Der Sensenschmieder starrte nur regungslos zu Alma, bevor sie nach hinten kippte und das Bewusstsein verlor.
Blut floss aus der Wunde und färbte nicht nur die Kleidung, sondern auch den Boden rot. Sibylle eilte zum Unfallort und schaute gefasst zur bewusstlosen Alma, jedoch biss sie die Zähne zusammen und funkelte den Lehrmeister wütend an. Sie entriss ihm die Sense. "Erst brüllen Sie hier rum und dann gehen Sie verantwortungslos mit einer Sense um!! Sie sind für heute entlassen! Verschwinden Sie umgehend!" schrie sie ihr gegenüber böse an und stumm verließ der Angesprochene den Raum. Danach wandte sie sich Alma zu und einer der Lehrlinge fragte unsicher: "Soll ich die Heiler holen?" Sibylle schüttelte allerdings den Kopf und hob Alma hoch. "Nicht nötig, ich werde sie eigenständig zu den Heilern bringen!" Damit nahm sie ihre Sense und öffnete ein Portal zu dem Ärzten. Ihr war egal, dass sich ihre Arbeitskleidung mit Blut färbte.
Bei den Heilern rief sie verlangend nach Hilfe. Dr. Commer kam auf die Schmiedemeisterin zu und Sibylle schilderte die Lage. "Ein Arbeitsunfall. Ihr wurde mit einer Sense in den Körper gestochen!" Paul sah das Blut und tief sofort seine Kollegin. "Dr. Fila! Dieses Mädchen muss sofort operiert werden!" wies er streng und deutlich an. Fila nickte und holte eine Trage. Paul half ihr und brachte Alma in einem OP-Saal, wo Fila alles vorbereitete. In der Zeit fragte Paul Sibylle ein paar letzte Dinge. "Wie heißt die Patientin?" Sibylle antwortete das, was sie wusste. "Alma Corenzola." Die Schmiedemeisterin war überhaupt nicht nervös und vor dem Arzt wie immer gelassen. "Verwandte?" hakte Paul weiter nach und Sibylle erinnerte sich an die erste Segnung mit ihr zurück. "Ihr Vater ist der Gildenführer Henrik Dronner. Weitere Infos sind mir nicht bekannt." Der Arzt nickte und war sich bewusst, wem er vor sich auf dem Krankentisch liegen hat. Er verschwand sofort in den OP-Raum und Sibylle sah es in dem Moment als ihre Pflicht an, zumindest Almas Vater über den Vorfall zu berichten.
Sibylle teleportierte sich zur Gilde, in der Hoffnung, Henrik direkt anzutreffen. Sie betrat die Gilde und stand vor dem Gildenführer. "Guten Abend, Frau Klinke." grüßte er und lächelte. "Was wünschen Sie? Sie haben keine Sense dabei?" fragte er, als Sibylle ohne eine Miene zu verziehen berichtete: "Ihre Tochter hatte einen Arbeitsunfall und liegt bei den Heilern im OP."
Henriks Augen weiteten sich und man sah ihn den Schock über diese Nachricht richtig an. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Sibylle erzählte ihm die Einzelheiten und jetzt bemerkte Henrik kleinere Blutflecken an ihrem Ärmel. Langsam rutschte ihm das Weinglas aus der Hand, bis es auf dem Boden fiel und zerbrach. Im nächsten Moment dachte Henrik nicht nach, sondern handelte rein impulsiv und aus Reflex. Er stand auf, eilte zur Tür und klopfte mehrmals an, bevor er regelrecht die Tür aufriss. Der Tod fragte, was los sei und Henrik brachte nur schnell heraus: "Meine Tochter ist verletzt! Ich muss zu ihr!" Mit diesen Worten eilte der Gildenführer schon aus dem Raum und der Tod bat Justin vorerst Henrik zu vertreten.
Henrik nahm seine Sense, als er die Treppe hinunterrannte und öffnete ein Flügelportal und rannte durch dieses! Im nächsten Augenblick befand er sich vor Smeraldas Wohnungstür und klopfte an. Mit einem besorgten Blick öffnete sie ihm diese und ließ ihn in die Wohnung. "Henrik? Warum bist du hier?" hakte sie leise nach und Henrik sah, dass sie irgendwas zu bedrücken schien. "Du schaust so traurig, ist etwas?" fragte er sie, auch wenn er gerade nicht anders dastand und seinen Aufregung verbergen musste. Smeralda hielt sich den rechten Arm und senkte den Kopf, fast so wie ihre Tochter es immer tat. "Ich habe ein mieses Gefühl wegen Alma." beichtete sie, als Henrik ihre Vermutung bestätigte und von dem Vorfall erzählte. Smeralda schlug die Hände vors Gesicht und vergoss erste Tränen. "Oh nein, bitte nicht!" Sie schluchzte und genauso besorgt drückte Henrik Smeralda an sich und strich über ihren Rücken. Smeralda war komplett aufgelöst und wollte nur noch zu ihrer Tochter.
Sie wischte ihre Tränen weg und ließ sich noch einmal von Henrik umarmen, welcher über ihren Rücken strich. Gemeinsam gingen sie zu den Heilern und fragten einen der Ärzte. Ein blondhaariger Arzt musterte beide und antwortete ihnen gelassen. "Dr. Commer und Dr. Deeler sind gerade aus dem OP. Ihre Tochter liegt auf Station." Beide dankten ihm und wurden zu einer Tür begleitet, aus welcher der zuständige Arzt trat. Paul erkannte Henrik sofort.
"Die Patientin konnte erfolgreich operiert werden. Sie liegt jedoch im Koma und ich kann Ihnen nicht sagen, wann sie wieder zu Bewusstsein kommt." berichtete er mit einer Krankenakte in der Hand und sah in Henrik seinen alten guten Freund Richard. Zudem erinnerte er sich daran, wie Henrik vor wenigen Monaten selbst mit einer ähnlichen Verletzung bewusstlos bei den Heilern lag. Der Arzt ließ Almas Eltern zu ihr und als Smeralda ihre Tochter im Bett liegen sah, überkamen ihr erneut die Tränen und rührend legte Henrik den Arm um sie. Er gab ihr ein Gefühl, dass sie nicht alleine war und es bestürzte ihn genauso, sein eigen Fleisch und Blut so vor sich liegen zu haben. Ihm fielen Almas letzte Worte wieder ein, bevor sie zur Lehre gegangen war und das traf ihn emotional noch einmal mehr. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und wollte tapfer für Smeralda sein. Innerlich war er genauso aufgelöst wie sie. Henrik war eine Person, die bei Problemen eher alleine war und versuchte, es mit sich selber auszumachen. Auch wenn er ein sehr offener Mensch war, zeigte er seine schmerzlichen Empfindungen nicht gerne.
Smeralda musste sich hinsetzen und Henrik setzte sich neben sie. "Ich kann den Anblick nicht ertragen, sie so zu sehen." schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in seinen Oberkörper. Irgendwie fühlte sie sich gerade sehr geborgen und wollte die Umarmung nicht lösen. Henrik war für Smeralda da, so gut es ging und linste zu Alma rüber. Ihm fiel ein helles Licht auf und kurz darauf erschienen zwei kleine Engel. "Alma!" riefen sie bedrückt und flogen auf die Bettdecke. Smeralda horchte auf und sah zu den kleinen Engeln, die sofort zu ihr geflogen kamen, ihre Hand umfassten, wie auch die Tränen sanft wegwischten. "Ich habe sofort gespürt, dass etwas passiert ist." schniefte Smeralda und wurde von einem warmen Gefühl umhüllt. Die kleinen Engel gaben ihr ein Empfinden von Geborgenheit und spendeten so Trost. Smeralda hörte auf zu weinen, als die Engel ihr folgendes mitteilten: "Alma wird wieder gesund."
Sie flogen auf die Decke und legten sich vorsichtig zu der Stelle, an der Alma genäht worden ist. Henrik strich über Smeraldas Arme. "Die Engel haben Recht. Ich lag nach dem Seelenkampf mit einer ähnlichen Verletzung da und habe es überstanden. Nur eine Narbe ist davon geblieben."
Diese Worte gaben Smeralda Kraft und sie glaubte daran, dass Alma wieder gesund werden würde. Immerhin kannte sie ihre Tochter sehr gut und wusste, dass Alma sich niemals leicht geschlagen geben würde. Sie besaß eine große körperliche und psychische Stärke.
Smeralda stand auf und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange. Sie strich über ihre Hände und bemerkte, dass Almas Hände von der Arbeit ziemlich geschwunden waren. Auch Henrik verabschiedete sich von seiner Tochter und den kleinen Engeln, die weiterhin an Almas Seite blieben. Sie wirkten, als würden sie schlafen.
Almas Eltern liefen aus dem Heilertrakt und Smeralda senkte den Kopf. "Kann ich mit zu dir kommen?" fragte sie ihn unsicher und sah zur Seite. Henrik nickte. "Selbstverständlich." bejahte er, erwähnte dann allerdings, dass er vorher noch einmal zur Gilde müsse.
In der Gilde hatte ein anderes Gildenmitglied Justin bereits abgelöst und im schnellen vorbeigehen grüßte Henrik. "Guten Abend, Florenz!" Er klopfte an der Tür zum Tod und kam mit gesenkter Miene herein. Der Sensenmann erkundigte sich sofort, was geschehen war und Henrik berichtete ihm. Dabei kam er auch mit einer Bitte hervor. "In Anbetracht der Situation muss ich mitteilen, dass ich deiner Bitte, Lehrer für die Todeswesen zu sein, nicht nachkommen kann. Ich werde meiner Berufung in der Gilde weiter fortführen, doch den Rest der Zeit möchte ich bei meiner Familie verbringen. Ich bitte darum."
Der Tod hörte ihn an und sprach sein Mitgefühl aus. Er nickte bei Henriks Worten. "Natürlich. Wenn du ein weiteres Anliegen hast oder es nicht geht, mit der Gilde, sag Bescheid. Wir werden eine Lösung finden." Aufrichtig dankte Henrik mit einer Verbeugung. Er wusste das Angebot zu schätzen. "Was die Lehrer-Thematik angeht, würde ich sonst einmal Cedric fragen." meinte Henrik, als der Tod erwiderte: "Wenn nicht, dann ist dies so. Deine Familie geht vor." Dankbar lächelte Henrik und verabschiedete sich. Mit Smeralda zusammen begaben sie sich auf dem Heimweg und bei ihm Zuhause musterte sie dieses genau. "Es hat sich wirklich kaum etwas verändert." fiel ihr schmunzelnd auf, als sie das Wohnzimmer und den Flur musterte. Henrik sagte gelassen: "Fühl dich wie daheim und bediene dich."
Smeralda setzte sich ins Wohnzimmer aufs schwarze Sofa und saß etwas schüchtern da. Er setzte sich neben sie. "Ist schon eine Weile her, dass wir zusammen in meiner Wohnung waren." merkte Henrik an und schaute sie ruhig lächelnd an. Smeralda klammerte sich an ihre Oberschenkel und senkte den Kopf. "Ich kann nicht glauben, dass Alma tatsächlich bei den Heilern liegt. Es bricht mir das Herz." Auch wenn Smeralda wusste, dass Alma wieder wohlauf sein würde, hatte sie trotzdem Sorge und zwei Tränen rollten über ihr Gesicht. "Immerhin habe ich sie auf die Welt gebracht und das werde ich nie vergessen. Du kannst dir nicht vorstellen, was in einer Mutter alles vor sich geht, wenn etwas ist." Weitere Tränen flossen ihr Gesicht hinunter und Henrik zog sie an sich heran. Mitfühlend redete er mit ihr und legte den Arm um sie, während er aufmunternd zu ihr sah. "Es stimmt, dass ich diesen Schmerz nicht nachempfinden kann, aber die Sorge eines Elternteil wenn es ums eigene Kind geht verstehe ich sehr wohl." Er ließ nicht von ihr ab und wischte behutsam ihre Tränen weg. "Ich liebe Alma ebenfalls sehr und möchte genauso, dass sie schnell genesen wird. Nachdem Sibylle mir davon erzählt hat, bin ich sofort zu dir gegangen, obwohl ich im Dienst war. Mir war in dem Moment alles egal, Hauptsache ich konnte euch beistehen." Diese ruhigen Worte zu hören bedeutete Smeralda viel und füllte ihr Herz mit einem wohligen Gefühl. Zusammen saßen sie noch eine Weile auf dem Sofa und Henrik ließ nicht eine Sekunde von ihr ab. Smeralda erkannte Henrik in diesem Moment gar nicht wieder und er hatte sich wirklich verändert.
So wie er gerade für sie emotional da war, hatte sie es sich in ihrer Beziehung immer gewünscht. Smeralda war von der ganzen Tortur erschöpft und wollte nur noch schlafen. Sie war kaputt und schlief fast im sitzen ein, doch Henrik hielt sie an den Schultern fest und verhinderte, dass sie nach vorne kippte. "Entschuldige, ich möchte einfach nur noch ins Bett." hauchte sie kraftlos und Henrik half ihr beim aufstehen. Er bot ihr an, in seinem Bett zu schlafen. Dankbar legte sich Smeralda hin und Henrik machte es sich auf dem Sofa bequem, aber konnte nicht schlafen.
Nach einiger Zeit setzte er sich auf und schaute zu Smeralda rüber, die genauso wenig schlief und als Henrik näher hinhörte, realisierte er, dass sie leise weinte und stand auf. Mit Tränen in den Augen schaute sie zu Henrik und krallte sich an die Decke. "K-kannst du bitte bei mir mit schlafen, Henrik?" wimmerte sie und griff nach seiner Hand, die er sanft mit dem Finger streichelte. Er saß an der Bettkante und streichelte ihren Oberarm. "Natürlich." flüsterte er mit gesenkten Kopf und legte sich zu ihr. Smeralda krallte sich an sein Hemd und er legte den Arm um sie, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. Irgendwie beruhigte seine Anwesenheit sie und es dauerte, bis sie langsam einschlief. Henrik strich über ihre Haare und hatte sie fest im Griff. Er sah ebenfalls sehr besorgt aus und traurig hielt er sie weiterhin, selbst nachdem sie eingeschlafen waren, fest im Arm.
Henrik machte sich nach dem Aufstehen für die Gilde fertig und ließ Smeralda weiter schlafen, doch sie schien zu merken, dass er aufgestanden war und wurde wach. "Oh, ich wollte dich nicht wecken. Bleib ruhig liegen, du darfst gerne hierbleiben oder zur Gilde mitkommen." bot er ruhig an und lächelte vorsichtig. Smeralda schüttelte den Kopf. "Schon in Ordnung. Ich habe auch noch mehrere Akten vor mir." entschuldigte sie sich und stand auf. "Es bedeutet mir sehr viel, dass ich diese Nacht bei dir verbringen durfte. Danke." Sie hielt sich den rechten Arm und senkte den Kopf. Henrik lächelte und nahm das Dankeschön an. "Immer gerne. Ich möchte euch so gut es geht beistehen." Für einen Moment umfasste er ihre Hände, bevor er unsicher davon abließ und ihr ein Angebot machte. "Wenn du möchtest, darfst du immer herkommen, auch wenn ich gerade nicht da bin." sagte er und drückte ihr einen Wohnungsschlüssel in die Hand. Er vertraute Smeralda vollkommen und sie wollte das Angebot erst ablehnen, doch Henrik bestand darauf und so nahm sie den Schlüssel an sich. Ihre Gedanken konnte sie kaum in worte fassen, deshalb umarmte sie ihn einfach nur. Während Henrik zur Gilde ging, kehrte Smeralda heim, fühlte allerdings eine Leere in sich.