Mit einem schweren Kopf wachte Alma auf und fasste sich an die Schläfe. "Verdammt." fluchte sie mit knirschenden Zähnen und bemerkte, dass es Nachmittags war. Es erleichterte sie, dass sie erst Abends zu den Sensenschmieden musste, ärgerte sich aber über ihre Verfassung. Sie blickte zum Schreibtisch, auf welchem eine leere Weinflasche stand. Daraus schloss sie, dass sie sich wohl schlichtweg nur betrunken hatte. "Mist...." murmelte sie, packte sich ein paar Kleidungsstücke zurecht und lief zur Dusche. Dabei bemerkte sie, dass ihre beiden Elternteile nicht daheim waren. Nach der Dusche räumte sie die Weinflasche weg und versuchte sich zu erholen. Es wurde mit der Zeit etwas besser, doch wirklich fit fühlte sie sich nicht. Trotzdem trat sie ihren Weg pünktlich zu den Sensenschmieden an, konnte sich aber nicht sehr gut konzentrieren. Sibylle bemerkte die abfallende Leistung ihres Lehrmädchens, beobachtete sie vorerst jedoch nur.
Alma wurde beauftragt, eine Sensenklinge zu schärfen, doch obwohl sie das schon besser beherrschte, schlug sie eine Kerbung ins Sensenblatt. "Konzentrieren Sie sich!" ermahnte Sibylle laut und musterte die Kerbung. "Gehen Sie erstmal ein paar Sensen überreichen und danach drechseln Sie mir einen Holzstab! Ich werde in der Zeit Ihren Fehler wieder gut machen, obwohl ich andere Dinge zu erledigen habe. Allerdings sind Sie mir gerade zu inkompetent, dass selber auszubessern!" Mit ihren harten, niederschmetternden Worten machte sie Alma ein schlechtes Gewissen, die stumm nickte, sich innerlich ärgerte und dann zur Annahme lief. Es kamen nu wenige, darunter aber ein Heiler, welche eine zweite Sense beantragte. Das wunderte Alma ein bisschen, immerhin beauftragten Heiler kaum eine zweite Sense, da sie kaum praktische Arbeit verrichteten. Darunter machte sie sich jedoch keine weiteren Gedanken, verschrieb sich allerdings beim Namen. "Plutna, nicht Pluton!" korrigierte der Heiler freundlich und Alma entschuldigte sich für das Versehen, bevor sie den Sensenauftrag einem Scythe Maker geben wollte, welcher nur meinte, dass sie diesen erstmal ins Fach für unbearbeitete Aufträge packen sollte, weil sie mit den Sensen für die neuen Seelengeleiter beschäftigt waren. Zweitanträge wurden auch zweitrangig behandelt und dauerten ihre Zeit.
Alma nahm sich das Drechselwerkzeug zur Hand und bearbeitete den Stamm so weit wie möglich. Sie spannte das Holzstück ein und fing an, dieses zu bearbeiten. Plötzlich zuckte sie zusammen, als sie eine Einkerbung ins Holz riss und diese eine unebene Stelle aufwies. Innerlich regte Alma sich darüber auf und fühlte sich mies, da es die zweite Situation war, in der sie einen Fehler begangen hatte. Sibylle hatte das mitbekommen und rümpfte die Nase. Sie stellte sich hinter Alma und fuhr mit dem Finger über die unebene Stelle. Es herrschte kurze Stille, welche Alma nervös werden ließ. "Frau Corenzola? Sie enttäuschen mich. Das sind Aufgaben, die Sie doch mittlerweile beherrschen. Ich hätte Sie wirklich nicht loben dürfen." Sibylle nahm Alma das Werkzeug aus der Hand. "Wenn Sie doch noch nicht bereit sind, zu arbeiten, dann bleiben Sie gefälligst daheim, anstatt hier Fehler zu machen. Sie sind gerade unbrauchbar! Ich entlasse Sie hiermit auf unbestimmte Zeit, bis Sie es endlich hinbekommen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen!" Damit deutete Sibylle streng auf die Tür und funkelte Alma kalt an. Mit hängenden Kopf trat Alma durch die Tür und musste sich ihre Tränen verkneifen. Sie fühlte sich miserabel und regte sich über ihre Fehler auf. Alma bereute diese Fehler und wurde von miesen Gefühlen verfolgt. Sibylles Enttäuschung hatte sie am meisten getroffen, dazu ihre scharfsinnigen eiskalten Worte ohne jegliches Mitgefühl.
Ihre Eltern sahen Alma direkt an, dass es ihr nicht gut ging. Mit bedrückter Miene und hängenden Kopf kehrte sie heim und lief wortlos in ihr Zimmer. Das Paar schaute sich fragend an, bevor Smeralda schließlich hinterherlief und sich behutsam zu Alma aufs Bett setzte, welche die Knie anwinkelt und die Arme um die Beine geschlungen hatte. Henrik folgte seiner Partnerin, welche über die Haare ihrer Tochter strich und fragte, was los sei.
"Ich habe ein paar Fehler gemacht und meine Lehrmeisterin hat mich vorerst entlassen, bis ich wieder konzentriert arbeiten kann." Ihr kamen die Tränen und Smeralda nahm Alma mitfühlend in den Arm und fragte, was genau denn vorgefallen sei, als Alma von ihren Fehlern erzählte. "Nach schlechten Tagen kommen auch wieder bessere. Selbst ein Meister macht Fehler." sprach ihre Mutter ihr ruhig zu. "Mir ging es auch nicht sehr gut heute. Ich habe gestern ein bisschen zu viel getrunken, weil ich sauer war." schniefte Alma und Henrik musterte seine Familie. Er stand dort und verschränkte die Arme, bevor er ziemlich trocken meinte: "Du bist selber Schuld."
Beide stockten und blickten in seine Richtung. Smeralda wirkte fassungslos. "Wie?" hakte sie nach und Henrik nickte kühl. "Alma ist 21 und alt genug um zu verstehen, dass es einem Todeswesen nach zu viel Alkohol danach auch nicht mehr so gut gehen kann. Außerdem wusste sie, dass sie am heutigen Tag zur Arbeit musste. Vor allem sich aus einer Laune heraus zu betrinken, empfinde ich als unreif." Henrik begründete seinen Standpunkt eisern und er fühlte sich dabei auch nicht schlecht. Smeraldas Augen weiteten sich vor Entsetzen, doch Henrik war ihre besorgte liebevolle Art egal und redete weiter auf seine Tochter ein.
"Deshalb solltest du nicht rum weinen, wenn du selber Schuld daran bist, dass es dir passiert. Du kannst generell nicht jedes Mal traurig sein, wenn dir ein Fehler passiert. Deine Lehrmeisterin hat Recht. Du bist gerade von allem zu sehr belastet. Es ist gut, dass sie dich erstmal entlassen hat und bevor es dir nicht wirklich besser geht, bleibst du auch Zuhause! Selbst wenn du wieder vorgibst, es geht wieder. Ich hoffe, du wirst dir dessen endlich einmal bewusst." Alma hörte auf zu weinen, schaute allerdings nicht zu ihrem Vater, doch die Worte zeigten klares Durchsetzungsvermögen. Henrik merkte, dass er sich gerade nicht sehr beliebt machte, doch da stand er drüber.
Smeralda senkte den Kopf und war ein bisschen sauer auf ihren Partner. "Du kannst sie doch zumindest einmal in den Arm nehmen." meinte sie empört und strich über Almas Rücken, aber von Henriks Seite kam nichts und er stand weiterhin mit verschränkten Armen dort. "Eigentlich bist du doch eine vernünftige Person, Alma. Gerade führst du dich aber nicht sehr erwachsen auf." Mit diesen Worten verließ Henrik ihr Zimmer und ließ Alma sprachlos zurück. Auch Smeralda wusste nicht, was sie sagen sollte. "Mach dir keine Gedanken, dein Papa hat dich trotzdem lieb. Er macht sich nur Sorgen und mit dem von gestern verstehe ich ihn auch. Ich möchte auch nicht, dass du alleine einen Fall löst und in Gefahr gerätst." Alma nickte nur, als Smeralda ihr sanft zusprach. "Er hat auch nicht ganz unrecht." Smeralda beruhigte sich und konnte Henrik langsam nachvollziehen und musste ihm zustimmen. Ihre Tochter löste die Umarmung und legte sich ins Bett. "Ich lasse dich dann alleine. Sag einfach Bescheid und versuch den Kopf freizubekommen." Sie strich noch einmal über Almas Kopf und verließ dann ihr Zimmer.
Henrik saß auf dem Sofa und hatte weiterhin die Arme verschränkt, bis Smeralda ihn von hinten umarmte. "Du hast Recht mit deinen Worten." entschuldigte sie sich und ein wenig erleichtert lächelte Henrik. Kurzerhand setzte Smeralda sich zu ihm aufs Sofa und sie redeten über Almas Verfassung.
Es war Abends, als Cedric langsam wieder die Augen öffnete und leicht vor Schmerz stöhnte. Er fasste sich an den Kopf und richtete sich auf. Cedric war noch etwas benommen und musterte seine Umgebung. Kurz darauf griff er nach seiner schwarzen Brille und umfasste die Stelle, an die er getroffen wurde. Er zog das weiße Krankenkleid hoch und musterte die unübersehbare klare Narbe. Narben machten Cedric nichts aus und er zog das Gewand wieder hinunter. Daraufhin versuchte er aufzustehen, musste sich jedoch noch kurz an dem Bettgestell festhalten, damit er nicht aus versehen stürzte. Langsam lief er zur Tür und drückte den Türgriff hinunter, bevor er in den Flur trat. Sofort hielt einer der Heiler an. "Herr Dronner, Sie sind wieder wach." Dr. Elliot Bromerus sorgte sich um Cedric. "Legen Sie sich wieder hin." bat Elliot und wollte Cedric zum Bett begleiten, doch Cedric wich seiner helfenden Geste aus. "Ich kann mich auch Zuhause hinlegen." murmelte er und tapste aus dem Heilertrak, musterte die Totenwelt und nahm seine Sense, um sich vor die Wohnung zu teleportieren. Er klopfte so stark an, wie es seine Kräfte gerade zuließen.
Felicia schreckte hoch, als sie das Klopfen hörte, nahm ihre Brille und stand vom Bett auf. Ihre Haare waren total zerzaust und ihr schwarzes Nachtkleid nicht mehr das Neueste. Sie zückte ihre Sense und linste, als sie die Augen weitete und die Sense zurück steckte. Die Tür wurde vor Erleichterung regelrecht aufgerissen und sie umarmte ihren Mann unter Tränen. "Cedric, du bist wieder da!" rief sie und küsste ihn innigst. Er stand noch etwas neben sich, aber lächelte bei Felicias Erscheinung und umarmte sie. Felicia nahm seine Hand und führte ihn in die Wohnung, wo er sich aufs Bett setzte. "Wie geht es dir?" fragte sie behutsam nach und merkte, dass er noch nicht ganz bei Sinnen war. "Ich bin einfach gegangen. Ich möchte schlafen." Er legte sich auf die Seite und Felicia schmunzelte über die Benommenheit. "Gerne, tu das." flüsterte sie glücklich und legte sich zu ihm. Sie gab ihm einen Wangenkuss. "Schön, dass du wieder da bist." wisperte sie und kuschelte sich an ihn. Obwohl Cedric noch nicht ganz bei Sinnen war, nahm er seine Felicia in den Arm und schlief tief und fest. Das rührte Felicia sehr und sie musste grinsen.
Cedric wachte am Tag genauso irritiert auf, wie im Krankenzimmer, orientierte sich aber sehr schnell, als Felicia zu ihm ins Schlafzimmer kam und ihn lächelnd begrüßte. Sie lehnte sich zu ihm rüber und küsste ihn erfreut. Beide schlossen die Augen und küssten sich erneut. Beide waren erleichtert, sich wiederzusehen. Cedric strich mit den Fingern durch die Haare seiner Frau, welche ihm erzählte, wie er gestern heimgekommen war und Cedric beschämte es, dies zu hören. Er war allerdings noch nicht komplett anwesend, wollte für den Anfang erstmal duschen gehen und suchte ein paar gemütliche Kleidungsstücke vom Kleiderschrank heraus. Im Badezimmer zog er das Heilergewand aus und stand nackt im Raum, als Felicia die Tür öffnete. Kurz nahm er vor Schreck das Nachthemd und verdeckte damit das Nötigste, doch bei Felicias Erscheinung seufzte er erleichtert und senkte das Kleidungsstück. Im Nachhinein schämte er sich für seine Schreckhaftigkeit, da ihm bewusst war, dass es nur Felicia sein konnte. Diese murmelte leise eine Entschuldigung vor sich hin, als sie seine Narbe ausführlich musterte. "Das haben die Heiler gut hinbekommen." musste Felicia zugeben und lächelte Cedric an. "Ich finde sie schön." schmunzelte sie und umfasste seine Hüfte, bevor sie ihm einen Kuss gab. "Die Heiler werden sicher Engelsfedern zur Unterstützung der Wundheilung verwendet haben. Ich habe auch noch eine da und gegen deinen Zustand weiß ich noch etwas." Damit versteckte sie die Hände hinter dem Rücken und lief keck grinsend hinaus, während Cedric unter die Dusche ging.
In Pullover und Jogginghose setzte sich Cedric aufs Sofa. Felicia kam aus dem Schlafzimmer, lief ins Bad und setzte sich dann zu ihm. "Es ist immer etwas ungewohnt, dich in solcher Kleidung zu sehen." schmunzelte Felicia und erfreute sich an dem Anblick. Cedric stimmte ihr nickend zu. Überwiegend trug er feine Kleidung wie Hemden. Sich einen vornehmen Mann wie Cedric in privaten Kleidern wie einer Jogginghose vorzustellen, war kaum möglich und passte nicht zu ihm.
Er bemerkte, dass Felicia ihm eine Teetasse hingestellt hatte und musterte das Getränk. Es war eine kleine Feder, die im heißen Wasser schwamm und dieses leicht zum funkeln brachte. "Das ist eine Feder von den kleinen Engeln. Dieser Engelstee zu trinken, hat eine selbe Wirkung, wie die großen Engelsfedern. Mein Erzeuger hat mir dies einst gezeigt, als er einen Patienten behandelte. Manchmal ist es ganz vorteilhaft, Heiler als Eltern gehabt zu haben." In Ruhe schaute sie ihm dabei zu, wie er den Tee trank und nur die Feder überließ. "Erhol dich in der nächsten Zeit bitte noch ordentlich und stürz dich nicht gleich wieder in diesen Fall. Ich bin in Tränen ausgebrochen, als ich dich verletzt bei den Heilern sah." bat Felicia besorgt und Cedric senkte den Kopf. "Verzeih... Ich werde mich zurückhalten." Er nahm Felicias beide Hände und umarmte sie fest. "Ich wollte dir keine Sorgen bereiten." flüsterte er und matt lächelte Felicia. "Alles gut, ich bin sehr froh, dass es dir besser geht." Ihre Augen funkelten auf und sie kuschelte sich an ihn, als ihr etwas einfiel. "Ich soll dir übrigens sagen, dass Alma deine Dokumente hat. Sie wollte sich um den Fall kümmern." Cedric hob beide Augenbrauen an und war überrascht, schien aber auch nicht sehr begeistert. "Ich werde in der nächsten Zeit zu ihr gehen. Irgendwie gefällt mir die Sache nicht." meinte er leicht besorgt und legte den Arm um Felicia. Den heutigen Tag erholte er sich ordentlich und verbrachte die Zeit gemeinsam mit seiner Frau.
Am folgenden Tag erging es Cedric besser und am Nachmittag klopfte es an der Tür. Cedric schaute erst durch den Türspion und öffnete diese erst dann. "Da möchte man dich besuchen kommen und erfährt von den Heilern, dass du seit gestern wieder daheim bist." rief Henrik etwas aufgebracht, seufzte und beruhigte sich, bevor er Cedric umarmte. "Schön, dass du wieder auf den Beinen bist." flüsterte Henrik erfreut und eine Sorge weniger beschäftigte ihn daraufhin. Cedric erwiderte die Umarmung lächelnd. "Entschuldige." schmunzelte er und löste die Umarmung.
Felicia kam aus einem Nebenraum und grüßte Henrik, welcher gebeten wurde, doch noch einen Moment zu bleiben und sich daraufhin aufs Sofa zu setzen. Cedric setzte sich gegenüber von seinem Bruder, neben Felicia. "Ist etwas passiert, als ich abwesend war?" hinterfragte Cedric ruhig und Felicia schaute zur Seite und senkte leicht den Kopf. Anscheinend missfiel es ihr, dass Cedric sich wieder nur um den Fall kümmerte, obwohl er erst seit kurzem wieder auf den Beinen war. "Nein, aber Alma wollte sich darum kümmern, doch ich war dagegen und habe ihr die Papiere abgenommen. Ihr ging es psychisch noch nicht richtig gut und sie war auf Rache aus. Darum habe ich auch einen Konflikt mit ihr gehabt. Ich wollte dich bitten, einmal mit ihr zu reden." erzählte Henrik und sein Bruder nickte, während er den Finger ans Kinn legte. Seufzend berichtete Henrik weiter von dem Gespräch mit Alma. Cedric nickte nur und meinte, dass er mit ihr reden wird.
Daraufhin erzählte Henrik ihm etwas, was Cedric sprachlos machte. "Als du bereits bewusstlos warst, habe ich zwei Schutzengeln an deiner Seite gesehen und unsere Eltern. Ich habe mit ihnen geredet." Cedric wusste gar nicht, wie er darauf reagieren sollte und weitete ungläubig die Augen. "Stimmt... Da war ein Licht." murmelte er und schien sich nur sehr wage daran zu erinnern, doch als Henrik ihm alle Einzelheiten erzählte, musste Cedric sanft lächeln, auch wenn es ihn die Tränen in die Augen trieb. Felicia umarmte daraufhin ihren Mann. "Es freut mich sehr, dass sie im Himmel sind und zu uns blicken." sagte Cedric gefasst und er kam mittlerweile etwas besser damit um. Ihm war bewusst, dass er irgendwann von seinen Eltern Abschied hätte nehmen müssen. Cedric hatte gelernt, mit der Trauer zu leben.