Die Amphisbaena, ist eine mythologische, Schlange mit einem Kopf an jedem Ende.
Die Kreatur wird alternativ als Amfisibena, Amphisbaina, Amphisbene, Amphisboena, Amphisbona, Amphista, Amfivena, Amphivena oder Anphivena (die letzten beiden sind weiblich) bezeichnet und ist auch als "Mutter der Ameisen" bekannt. Der Name der Amphisbaena kommt von den griechischen Wörtern amphis, was "beide Wege" bedeutet, und bainein, was "gehen" bedeutet, sie geht also in beide Richtungen.
Die Entdeckung dieses Wesens soll durch den Heerführer Marcus Porcius Cato (* 95 v. Chr.; † 12. April 46 v. Chr. (das Todesdatum entspricht dem vor julianischen 13. Februar 46. Chr.) erfolgt sein.
Merkmale
Bereits Plinius der Ältere erwähnt in der Naturalis Historia (79 n. Chr.) die Amphisbaena als ein schlangenartiges Wesen mit einem Kopf an jedem Ende und gibt an, dass aus beiden Köpfen ein Gift strömt. Die Giftigkeit soll zudem doppelt so hoch sein, wie die einer normalen Schlange, Grund dafür sind die beiden Köpfe, welche demnach beide Giftdrüsen besitzen. Das Gift der Amphisbaena verursacht dieselben Symptome wie ein Vipernbiss, er führt also zu Entzündungen und einem langsamen, schmerzhaften Tod. Um diesem zu entgehen, soll Trinken von Koriander helfen und die gleichen Methoden wie die für Vipernbisse (Druckverbrand, Gegengift, etc.).
Claudius Aelianus studierte die Amphisbaena weiter und bemerkte, dass immer einer der Köpfe, die Rolle des Kopfes und der andere die Rolle des Schwanzendes annahm. Wollte die Amphisbaena ihre Richtung wechseln, so wurden die Rollen zwischen den Köpfen gewechselt. Solinus, Polyhistor ergänzte, dass die Schlange sich nur kreisförmig schlängelnd bewegen könnte, was ggf. der Fortbewegung der Afrikanischen Hornvipern (Cerastes) gleicht, welche sich Saiten windend fortbewegen. Dieser Gedanke wird unterstützt, wenn man bedenkt, dass in der griechischen Mythologie die Amphisbaena häufiger gehörnt dargstellt wird. Generell ist die Bewegungsgeschwindigkeit der Amphisbaena ungeheuer schnell, weshalb das Wesen mit großer Vorsicht zu behandeln sei.
ʿAmr ibn Bahr al-Dschāhiz (arabisch عمرو بن بحر الجاحظ, DMGʿAmr ibn Baḥr al-Ǧāḥiẓ; geboren um 776 in Basra; gestorben 869) berichtet von einem Mann, der eine Amphisbaena gesichtet hatte, dieser beschreibt die Fortbewegung der Amphisbaena als rollend, dafür habe sich das Tier in den eigenen Schwanz gebissen und sei durch den Sand gerollt.
Ein Verhalten das die amerikanische Hoop snake, japanische Tsuchinoko und dem skandinavischen Lindorm nachgesagt wird. In der Lindwurmsage von Neubrandenburg, kommt diese Fortbewegungsweise ebenfalls vor.
Während die frühen Beschreibungen der Amphisbaena eine giftige, doppelköpfige schlangenähnliche Kreatur erwähnen, sind mittelalterliche und spätere Darstellungen des Wesens deutlich extravaganter. Seit dem Mittelalter wird die Amphisbaena als zwei- oder mehrbeiniges Wesen zwei, mit schuppigen Füßen, insbesondere Hühnerfüßen, und gefiederten Flügeln dargestellt. Gelegentlich werden Darstellungen noch weiter ausgeführt und stellen die Amphisbaena als gehörnte, drachenähnliche Kreatur mit einem schlangenköpfigen Schwanz dar und kleine, runde Ohren.
Damit teilt die Amphisbaena das Schicksal (fast) aller mythologischen Schlangenwesen, welche bereits vor dem Mittelalter bekannt gewesen sind. Um die Verwirrung, was eine Amphisbaena wirklich ist, zu vergrößern, wurde es im Mittelalter zudem populär, jede Kreatur in der mittelalterlichen Kunst mit einem zusätzlichen Kopf am Ende ihres Schwanzes als Amphisbaena zu bezeichnen, auch wenn all diese Darstellungen nichts mehr mit der ursprünglichen zweiköpfigen Schlange gemein haben. Möglicherweise handelt es sich hier aber auch um eine lückenhafte Dokumentation von Metamorphose, wie man es von den Östlichen Drachen her kennt. Allerdings ist dies eher eine Spekulation.
Noch weiter verfälschte man die Amphisbaena in der Heraldik, wo sie mit der Amphitere und dem Basilisk vermischt wurde.
Der griechische Dichter Nikandros von Kolophon (* um 197 v. Chr. in Kolophon, Ionien; † um 133 v. Chr. möglicherweise in Pergamon) beschreibt die Amphisbaena als stumpfäugig. Weiter führt er aus, dass von jedem Ende ein stumpfes Kinn hervorragt; jedes sei weit voneinander entfernt. Er beschreibt damit vermutlich die ungiftigen Doppelschleichen (Amphisbaenia), Echsen, welche unteranderem in Afrika und Europa zu finden sind und nach der Amphisbaena benannt wurden.
Andere Quellen bezeichnen die Augen der Amphisbaena als leuchtend und geeignet für die nächtliche Jagd.
Jorge Francisco Isidoro Luis Borges Acevedo (* 24. August1899 in Buenos Aires; † 14. Juni1986 in Genf), ein argentinischer Schriftsteller, berichtet von einer Kreatur von den Antillen namens doble andadora ("geht in beide Richtungen"), die auch als zweiköpfige Schlange und Ameisenmutter bekannt ist. Die Ernährung durch Ameisen passt zu den bereits erwähnten Doppelschleichen, diese existieren ebenfalls in Südamerika und auch auf den Antillen. Auch andere Autoren früherer Epochen bescheinigen eine Ernährung mit Ameisen oder bezeichnen die Amphisbaena als Mutter der Ameisen. Borges Amphisbaena soll, sofern zerteilt, wieder zusammenwachsen können. Es ist anzunehmen, dass es sich bei diesem Wesen um eine inspirierte Fiktion handelt, da nur Borges es erwähnt, die Möglichkeit besteht aber, dass auf den Antillen eine Antillen-Amphisbaena existiert.
Neben ihrer häufig erwähnten Giftigkeit wird der Amphisbaena auch eine Unempfindlichkeit gegenüber Kälte bis hin zur enormen Hitzeentwicklung nach gesagt. Diese geht so weit, dass selbst eine tote Amphisbaena einen gewissen Umkreis wärmen kann, z.B. den Bereich, in dem ein Holzfäller an einem Baum steht, den er fällt, was für eine sehr große Wärmeleistung spricht.
Weiter soll die Amphisbaena im Zuge ihrer Hitzeentwicklung auch ein hitziges Temperament besitzen, was sie ungemein gefährlich machen kann.
Verbreitung
Amphisbaena besiedelt den Norden Afrikas und ist dort vorrangig in den Wüsten zu finden.
Edward Topsell (circa 1572 – 1625) beschreibt in seinem Bestiarium eine Verbreitung, welche über die nordafrikanische Küste hinausgeht und die Amphisbaena in Sizilien, Italien und auf der griechischen Insel Limnos verortet.
Sollte der Mann, von dem ʿAmr ibn Bahr al-Dschāhiz berichtet, seine Amphisbaena im Irak gesehen habe (wo ʿAmr ibn Bahr al-Dschāhiz lebte), würde das Verbreitungsgebiet der Amphisbaena einen großen Flächenzuwachs erhalten.
Lebensweise
Ernährung
Die Amphisbaena ernährt sich von Ameisen, Regenwürmern und Käfern.
Amphisbaena ernährte sich laut anderen Quellen von den zurückgelassenen Leichen der Soldaten der griechischen und römischen Feldzüge.
Fortpflanzung
Nachdem eine Amphisbaena Eier in den warmen Sand gelegt hat, bewacht sie das Nest, dabei ist stets ein Kopf wach, sollte der andere gerade schlafen.
Solinus hingegen erwähnt, dass Amphisbaena durch den Mund am Schwanzende geboren werden und somit ein Kreislauf-Motiv darstellen, wie es eher vom Ouroboros bekannt ist.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Der griechischen Mythologie zufolge wurde die Amphisbaena aus dem Blut hervorgebracht, das vom Kopf der Gorgo Medusa tropfte, als Perseus mit ihrem Kopf in seiner Hand über die libysche Wüste flog, wo dort aus dem Blut Schlangenwesen entstanden. Was erstmal von Apollonios von Rhodos' Argonautika im 3. Jahrhundert v. Chr. erwähnt wurde.
Der griechische Autor Nikandros aus Kolophon schrieb den Ursprung der Schlangen im 2. Jahrhundert v. Chr. stattdessen dem Blut der Titanen zu.
Erst durch Lukan im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde dem Medusa-Mythos ein genauer Katalog der entstandenen Schlangenwesen beigefügt. Die Schlangenarten wechseln je nach Überlieferung, sodass zu den "Libiychen Schlangen" folgende 14 Wesen gezählt werden: Dipsas, Seps, Prester, Haemorrhous bzw. Haemorrhois, Jaculus, Niliaca serpens, Basilisk, Scytale, Creastes, Chersydros, Amphisbaena, Pareias, Cerastes und Drakon.
Von diesen werden mehrere als Gegner/Hindernisse von Catos Armee beschrieben, allerdings nie alle 14 in einer Überlieferung.
Eine Amphisbaena weckte Dionysos aus seiner Ruhe, und als Vergeltung zerquetschte er sie mit einem Weinzweig.
Heilkunde
Mehrere Heilmittel wurden von Amphisbaenas abgeleitet. Ein mit Amphisbaena-Haut überzogener Spazierstock hält giftige Tiere fern, und ein mit Amphisbaena-Haut umwickelter Olivenzweig heilt Kälteschauer. Eine an einem Baum befestigte Amphisbaena sorgt dafür, dass der Holzfäller nicht kalt wird und der Baum leicht fällt. Wenn eine schwangere Frau über eine tote Amphisbaena steigt, wird sie sofort abbrechen, da der Dampf, der von der toten Schlange ausgeht, so giftig ist, dass der Fötus erstickt. Wenn eine schwangere Frau jedoch eine lebende Amphisbaene in einer Kiste bei sich trägt, wird die Wirkung zunichtegemacht.
Taxonomische Stellung
Da die Amphisbaena zwei Köpfe besitzt, kann sie als reptiloides Mischwesen betrachtet werden. Da die Köpfe beide derselben Schlange angehöhren und ansonsten die ursprüngliche Amphisbaena meist als mythologische Schlange referenziert wird, kann sie auch als solche betrachtet werden.
Diese Taxonomie betrachtet die Amphisbaena als einen Wyrmdrachen. Grund dafür, sind neben der bereits erwähnten Mischwesen-Charakteristika, die Fähigkeit der Hitzentwicklung, welche eine basale Form der Feuermanipulation darstellt.
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