Manohara ist eine Kinnari-Heldin (halb Frau, halb Vogel) aus den Jataka-Erzählungen (Sanskrit जातक, eigentlich "Geburtsgeschichte", eine moralisch lehrreiche Geschichte in Form einer Erzählung aus dem Leben des Buddha).
Merkmale
Manohara ist eine Kinnari und als solche ein Mischwesen aus Vogel und Mensch. Sie hat den Kopf, den Torso und die Arme einer Frau, aber die Flügel, den Schwanz und die Füße eines Schwans. In manchen Varianten erscheinen sie engelhaft, mit Flügeln am Rücken und einem menschlichen Körper.
Verbreitung
Manohara lebt am Berg Kailash, Kailas oder Gang Rinpoche (tibetisch གངས་རིན་པོ་ཆེ ZWPY Kangrinboqê, Wylie gangs rin po che; deutsch: "Kostbares Schneejuwel") - ein seine Umgebung deutlich überragender Berg im Gangdisê-Gebirge, dem westlichen Teil der Gebirgszüge des Transhimalaya in Tibet.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nicht viel bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Manohara und Prinz Sudhana
Manohara, die jüngste der sieben Töchter des Königs von Kimnara, lebte am Berg Kailash. Eines Tages reist sie von dort aus in das Reich der Menschen. Doch ihre Reise wurde als bald unterbrochen, als ein Jäger sie fing (in manchen Versionen mit einer magischen Schlinge). Der Jäger brachte die Gefangene zum Prinz Sudhana. Sudhana, Sohn von König Adityavamsa und Königin Chandradevi, war ein berühmter Bogenschütze und Erbe des Königreichs Panchala. Tatsächlich verliebte sich der Prinz in Manohara und die beiden heirateten.
Einige Jahre später wurde das Reich Panchala in die Wirren des Krieges gezogen. Seinen Pflichten ergeben, begab sich der Prinz in den Krieg. Manohara blieb im Palast zurücl - wo sie ein königlicher Ratgeber beschuldigte, Unglück über die Stadt gebracht zu haben, und die Kinnari mit dem Tod bedrohte. Manohara erkannte die Gefahr und entschied zu ihrem Heimatkönigreich Kimnara zurückzukehren, sie hinterließ ihren Ring und eine Wegbeschreibung für ihren Gatten, dass er die Möglichkeit hatte ihr zu folgen.
Als nachdem Krieg Prinz Sudhana nach Panchala zurückkehrte und feststellen musste, dass seine Liebste vertrieben wurde, folgte er ihr unverzüglich.
Von einem Einsiedler lernte er die Sprache der Tiere, um das Königreich Kimnara zu finden, sowie die notwendigen Gebete, um die Prinzessin zurückzugewinnen. Die beschwerliche Reise dauert sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage. Unterwegs begegnet Sudhana einem Yaksha, einem Flammenfluss und einem gigantischen Baum. Nach dieser langen und beschwerlichen Tortur traf er endlich den König von Kimnara, welcher den Prinzen bat, seine Aufrichtigkeit in verschiedenen Prüfungen zu beweisen, bei denen Stärke, Ausdauer und Witz auf die Probe gestellt wurden.
Bei der ersten Prüfung musste Sudhana eine Steinbank im Garten hochheben.
Die zweite Aufgabe testet seine Fähigkeiten mit Pfeil und Bogen.
Die letzte Prüfung bestand darin, herauszufinden, welche der sieben identischen Frauen Manohara sei. Doch vollständig identisch waren die Frauen nicht, eine von ihnen trug an ihrem Finger einen anderen Ring - und so erkannte Sudhana mit Leichtigkeit Manohara.
Zufrieden stimmte der König von Kimnara ihrer Heirat zu, und das Paar kehrt nach Panchala zurück.
Anmerkung:
Diese Legende erscheint im Divyavadana und ist durch Steinreliefs in Borobodur dokumentiert (irgendwann zwischen 778 n. Chr. bis 825 n. Chr. errichtet).
Versionen dieser Geschichte werden in der Literatur aller südostasiatischen Länder berichtet, und ähnliche Geschichten über eine Vogeljungfrau und einen sterblichen Mann finden sich in ganz Ostasien wieder.
Darunter die chinesische Geschichte von der Prinzessin und dem Kuhhirten. In diesen Geschichten steigen sieben Frauen, die fliegen können, zur Erde herab, um ein Bad zu nehmen. Die jüngste und hübscheste wird dabei von einem Menschen gefangen genommen (und verliert so die Flugfähigkeit) und anschließend die Frau eines menschlichen Mannes (entweder ihres Entführers oder des Prinzen-Helden der Geschichte). Später in den Geschichten zieht die Heldin ein magisches Ding an, dass ihr das Fliegen oder die Verwandlung in einen Vogel ermöglichte, und fliegt davon, was den Helden dazu veranlasste, seiner fliegenden Frau nachzujagen.
Theater
Die Geschichte von Manohara ein beliebtes Thema im südostasiatischen Theater.
Die Geschichte von Manora wurde beispielsweise in Myanmar als Theaterstück adaptiert. Dort war die Figur Manohara als Manoharī bekannt, eine der neun königlichen Töchter, die in einem silbernen Berg leben, der nach einem Gürtel aus stacheligem Rohr, einem Strom aus flüssigem Kupfer und einem Beloo (Yaksha) benannt seien soll. Ihr zukünftiger Ehemann, Prinz Sudhana Sudhanu (Bedeutung: Goldener Bogen), war Prinz von Panchala.
In dieser Version fliegen die Prinzessinnen mithilfe eines verzauberten Gürtels, und die Manohara-ähnliche Jungfrau wird von einem magischen Laufknoten gefangen.
Trivia
- Die Geschichte von Manohara und Prinz Sudhana könnte die Inspiration für den dramatischen Tanz Manora gewesen sein, der in Thailand und Malaysia aufgeführt wird.
Taxonomische Stellung
Manohara besitzt Merkmale von Vogel und Mensch, was sie zu einem reptiloiden Mischwesen macht, und zählt deshalb als Drache. Sie stellt dabei keine eigene Art dar, sondern einen der Vertreter der Kinnari dar.
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