Die Prester ist eine tödliche Schlangenart, die in den Wüsten Libyens vorkommt und große Ähnlichkeit zur Aspis aufzeigt. Sein Name bedeutet so viel wie "Balgschwellung" oder "geschwollene Venen". Variationen des Namens sind Presteros, Torridus ("brennend"), Dipsas ("durstig") - weshalb das Wesen mit der Dipsas, einer der anderen Lybischen Schlangen, häufig gleichgesetzt wird.
Merkmale
Prester sind Schlangenwesen mit enormer Hitzeentwicklung. Sie sind in der Tat so heiß, dass sie ihr dampfendes Maul permanent geöffnet halten müssen, ansonsten können sie sich selbst verbrennen. Aufgrund der Hitze sprudelt und kocht ihr Speichel, sodass sie ständig Schaum um das Maul haben. Prester sind ausgesprochen wendige Schlangenwesen.
Claudius Aelianus (* um 170 in Praeneste, dem heutigen Palestrina in Latium; † nicht vor 222), ein römischer Sophist und Lehrer der Rhetorik, beschreibt die Folgen eines Bisses der Prester. Zunächst verursacht der Biss Lethargie, fortschreitende Schwäche, Gedächtnisverlust, Unfähigkeit zu urinieren, Haarausfall, Würgen und schließlich Krämpfen, die zum Tod führen.
Marcus Annaeus Lucanus (* 3. November 39 n. Chr. in Corduba; † 30. April 65 in Rom), ein römischer Dichter, beschreibt den Biss als sengenden und der Gebissene spürt, wie das Gift, Flammenheiß, durch die Adern strömt. Es folgen Schwellungen, die sich wie Tumore immer weiter vergrößern, aufblähen, bis am Ende der gebissene, nur noch ein aufgedunsener Haufen ist. Die Überreste seien so unappetitlich gewesen, dass sogar die Aasfresser die Gebissenen gemieden haben.
Edward Topsell (ca. 1572 – 1625), ein englischer Geistlicher und Autor,
empfiehlt wilden Portulak, Bibergeil oder Biberkerne, Opoponax und Raute in Wein und Sprotten als Mittel gegen einen Presterbiss.
Vorkommen
Die Prester besiedelt die Wüsten "Libyens" (altgr.: Λιβύη, bezeichnet in antiken Quellen die ganze Maghreb-Region: Tunesien, Algerien, Marokko, Westsahara, sowie Libyen und Mauretanien).
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nicht viel bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Der griechischen Mythologie zufolge wurde die Lybischen Schlangen aus dem Blut hervorgebracht, das vom Kopf der Gorgo Medusa tropfte, als Perseus mit ihrem Kopf in seiner Hand über die libysche Wüste flog, wo dort aus dem Blut Schlangenwesen entstanden. Was erstmal von Apollonios von Rhodos' Argonautika im 3. Jahrhundert v. Chr. erwähnt wurde.
Der griechische Autor Nikandros aus Kolophon schrieb den Ursprung der Schlangen im 2. Jahrhundert v. Chr. stattdessen dem Blut der Titanen zu.
Erst durch Lukan im 1. Jahrhundert n. Chr. wurde dem Medusa-Mythos ein genauer Katalog der entstandenen Schlangenwesen beigefügt. Die Schlangenarten wechseln je nach Überlieferung, sodass zu den "Libiychen Schlangen" folgende 14 Wesen gezählt werden: Dipsas, Seps, Prester, Haemorrhous bzw. Haemorrhois, Jaculus, Niliaca serpens, Basilisk, Scytale, Creastes, Chersydros, Amphisbaena, Pareias, Cerastes und Drakon.
Von diesen werden mehrere als Gegner/Hindernisse von Catos Armee beschrieben, allerdings nie alle 14 in einer Überlieferung.
Die Prester selbst erscheint namentlich nur in wenigen Berichten und es gibt wenig Überlieferungen.
Laut Lukan soll sie die dritte Schlange gewesen sein, auf welche Marcus Porcius Cato der Jüngere mit seinen Männern traf, als sie die Wüste Libyens durchquerten. Sie biss der Überlieferung nach einem Soldaten namens Nasidius und ließ dessen Körper riesengroß anschwellen, woraufhin dieser starb.
Taxonomische Stellung
Laut Aelinus ist die Prester ein anderer Name der Dipsas, was beide Schlangenbeschreibungen zur gleichen Art machen würde. Andere Autoren, wie Topsell, widersprechen dieser Annahme, durch die Unterschiede in der Giftwirkung und dem fehlenden Schaumspeichel der Dipsas.
Isidor von Sevilla (lateinisch Isidorus Hispalensis; * um 560 in Carthago Nova (Cartagena), Spanien; † 4. April 636 in Sevilla), der Bischof von Sevilla, beschäftigte sich ebenfalls mit dem Prester und stellt das Wesen in die nie nähere Verwandtschaft der Aspis. Damit sind Dipsas, Prester und Aspis, welche alle zu den "Libyschen Schlangen" gezählt werden, vermutlich näher miteinander verwandt. Da zur Zeit der Aufzeichnungen die Bezeichnung "asp" aber auch generischer als Giftschlange gelesen werden kann, muss nicht zwingend von einer näheren Verwandtschaft im Sinne einer einzigen Art ausgegangen werden.
Diese Taxonomie betrachtet die drei Schlangenwesen als unterschiedliche Arten, welche aber eine nähere Verwandtschaft besitzen, da sie sich teilweise in manchen Merkmalen ähneln.
Da die Prester keinen Mischwesen-Charakter zeigt, ist sie zu den Mythischen Schlangen zu zählen. Untypisch für diese ist die enorme Hitzeentwicklung des Wesens, was ein Indiz dafür seien könnte, dass die Prester sehr nah mit den Drachen verwandt seien könnte und somit die Hypothese befeuern könnte, dass die Drachen sich aus einer schlangenartigen Stammform entwickelt haben.
Nachweise
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