Die Yatagarasu (jap. 八咫烏 (Kanji) やたがらす (Hiragana)), ist ein Yōkai und ein Kami in der japanischen Shintō-Mythologie. Übersetzt bedeutet der Name so viel wie "Achtspannenkrähe". Die Art wird auch Sansokuu (dreibeinige Krähe) oder Kin'u (goldene Krähe) genannt.
Etymologie
Eine dreibeinige Krähe wird in China seit der Jungsteinzeit als Symbol der Sonne verwendet und findet sich auch in der japanischen Antike wieder. Es ist anzunehmen, dass der chinesische Sonnenrabe Yang-wu einen wichtigen Einfluss in die japanische Mythologie, insbesondere in Yatagarasu bedeutet hat. Es gibt aber Indizien, dass der Yatagarasu auch ohne chinesischen Einfluss bereits in der antiken japanischen Mythologie Fuß fassen konnte.
Der Name Yatagarasu bedeutet "Achtspannenkrähe". Eine "Spanne" war die Länge zwischen dem ausgestreckten Daumen und dem Mittelfinger, ist aber eine poetische Art zu sagen, "sehr groß" als eine genaue Maßangabe. Andere Interpretationen gehen von einer "achtköpfigen Krähe" aus, generell ist die genaue Wortbedeutung von Yatagarasu für Japanologen schwer zu greifen. Das gängie Verständis übersetzt Yatagarasu als eine dreibeinige Krähe.
Ursprünglich wurde Yatagarasu mit zwei Beinen dargestellt (bzw. es wird nicht erwähnt, dass Yatagarasu drei Beine hat), aber in den 930er Jahren n. Chr. wurde der chinesische Mythos der dreibeinigen Krähe in die Geschichte von Yatagarasu integriert.
Seitdem sind Yatagarasu und die dreibeinige Krähe in Japan Synonyme.
Merkmale
Yatagarasu ist ein dreibeiniges Krähenwesen. Sollte der Name der Achtspannenkrähe wirklich wörtlich zu nehmen sein, beträgt die Flügelspannweite 144 Zentimeter (eine Spanne ~ 18 Zentimeter multipliziert mit 8), was tatsächlich im Bereich der Flügelspannweite eines Kolkraben (Corvus corax) ist. Das Gefieder ist schwarz. Yatagarasu besitzen einen sehr guten Orientierungssinn und wurde früher als Botenvogel genutzt. Da Yatagarasu auch Berichte überbringen konnte, wenn sie vom Empfänger vertrieben wurde, ist anzunehmen, dass sie die menschliche Sprache beherrscht.
Vorkommen
Die Art lebt in der Sonne und frequentiert gelegentlich den Luftraum Chinas und Japans.
Lebensweise
Stellung
Sie ist ein heiliges Geschöpf und ein Diener der japanischen Sonnengöttin Amaterasu.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Yatagarasu und Jimmu
Yatagarasu spielt sowohl im Nihon shoki (japanisch 日本書紀, dt. "Chronik Japans in einzelnen Schriften"; 720) als auch im Kojiki (jap. 古事記, dt. "Aufzeichnung alter Geschehnisse"; 712) eine wichtige Rolle, da sie dem Jimmu-tennō gesandt wird, als dieser sich in den Bergen Kumanos verirrt.
Im Nihon shoki wird Yatagarasu als Inkarnation der Göttin Amaterasu angesehen, während im Kojiki Yatagarasu als eine Inkarnation des Gottes Kamo Taketsunumi angesehen, der heute im Shimogamo-Schrein in Kyoto verehrt wird.
Jimmus Clan stammte aus Kyushu, der heutigen Präfektur Miyazaki. Er und seine Brüder zogen auf der Suche nach einer besseren Heimat entlang des Seto-Inlandmeers nach Osten und unterwarfen die verschiedenen Stämme, denen sie auf ihrem Weg begegneten, wobei sie viele Strapazen erleiden mussten. Als sie Naniwa (das heutige Osaka) erreichten, wurde Jimmus älterer Bruder Itsuse, der bis dahin Anführer der Expedition gewesen war, in einer Schlacht getötet. Jimmu erkannte, dass sie verloren hatten, weil sie in Blickrichtung Osten kämpften und somit gegen die Sonne kämpften. Er führte seine Truppen um die Halbinsel Kii herum nach Kumano (die heutige Präfektur Mie) um von dort aus einen Vorstoß gegen Westen (also gegen Naniwa) durchzuführen. Allerdings verirrte sich die Expedition in den Bergen von Kumano. Damit die Truppen der misslichen Lage entkommen können, schickt die Gottheit (im Nihon shoki Amaterasu, im Kojiki Takamimusubi, einer der Schöpfergötter) Yatagarasu, die Jimmu den Weg weisen soll. Yatagarasu selbst ist dabei der Gestaltgewandelte Gott Kamo Taketsunumi. Er führte Jimmu über die Berge von Kumano und letztlich nach Yamato (in der heutigen Präfektur Nara), wo Jimmu seine Hauptstadt gründete und Japans erster Kaiser wurde.
Der Legende nach war Jimmus Urgroßvater Ninigi der Enkel von Amaterasu. Somit sind Jimmu und die gesamte japanische Kaiserlinie die direkten Nachkommen der Sonnengöttin.
Yatagarasu und Kumano
In der Mythologie ist Yatagarasu auch ein Bote des Gottes Kumano. Während der Herrschaft von Kaiser Kōrei wurde ein Jäger namens Chiyokane, der in den Bergen Wildschweine jagte, von einer Krähe zu einem großen Baum geführt. Dort befand sich ein Licht.
Als er einen Pfeil auf das Licht richtete, hörte er eine Stimme sagen: "Ich bin der Gott von Kumano." Er baute einen Schrein zu Ehren der Gottheit und wurde zum obersten Verwalter der drei Kumano-Berge.
Dies war der Moment, als der Gott von Kumano dem Volk zum ersten Mal erschien.
Symbolik
Die dreibeinige Krähe wird seit langem in China und Japan in religiösen und astrologischen Symbolen verwendet, insbesondere von Menschen, die Sonnenanbetung und Onmyōdō praktizieren. Die drei Beine des Vogels repräsentieren Himmel, Erde und Menschheit, während die Krähe selbst die Sonne repräsentiert. Dies symbolisiert, dass Himmel, Erde und Menschheit alle von derselben Sonne kommen und wie Brüder zueinander sind. Sie sollen auch die drei Tugenden der Götter repräsentieren: Weisheit, Güte und Tapferkeit. Die drei Beine könnten auch die drei mächtigen Clans des alten Kumano darstellen (Ui, Suzuki und Enomoto), welche eine dreibeinige Krähe als Clanwappen verwenden.
Trivia
- In der Sengoku-Zeit (jap. 戦国時代 sengoku-jidai, dt. Zeit der [gegeneinander] kriegführenden Lande; etwa 1477 bis 1573) war Yatagarasu auch das Familienwappen und die Flagge der Familie Suzuki, die Zoga-shu in der Provinz Kii regierte.
- Seit dem 3. Juni 1931 (Shōwa 6) ist Yatagarasu auf den Emblemen der Japan Football Association und der japanischen Fußballnationalmannschaft zu sehen
- Am 4. Mai 2004 wurde ein Asteroid aus dem Asteroidengürtel (9106) Yatagarasu genannt.
- Yata-Garasu ist eine Stufe 2 Karte im Spiel Yu-Gi-Oh! mit 200 ATK und 100 DEF. Diese Karte kann nicht als Spezialbeschwörung beschworen werden. Während der End Phase des Spielzugs, in dem diese Karte als Normalbeschwörung beschworen oder aufgedeckt wurde, wird sie wieder auf die Hand des Spielers genommen. Falls diese Karte dem Gegner Kampfschaden zufügt hat, kann dieser in der nächsten Runde währende der Draw-Phase keine Karte ziehen.
Verehrung
Feste
In den Kumano-Schreinen werden Yatagarasu zu Ehren einige sehr bedeutende Feste ausgerichtet:
- Am Morgen des 1. Januar wird Wasser vom nahen Wasserfall zum Kumano Nachi-Taisha (jap. 熊野那智大社; auch einfach nur Nachi (那智); früher auch Kumano Fusumi-jinja (熊野夫須美神社)) ein Shintō-Schrein der Gemeinde Nachi-katsuura im Landkreis Higashimuro der Präfektur Wakayama) durch einen Priester gebracht, der eine schwarze Kappe namens Yatagarasu-bō trägt, welche eine stilisierte Krähe darstellt. Während dieser Prozession wird ein Norito (jap. 祝詞; ritualisiertes Gebet im Shintō) gesungen. Weiter werden zu diesem Anlass Amulette (shimpu) für sichere Geburten oder zur Abwehr von Insektenschäden an der Reisernte angefertigt.
- Am Abend des 7. Januar (nach dem Lunarkalender) findet im Haiden des Kumano Hongū-Taisha (jap. 熊野本宮大社; auch einfach nur Hongū (本宮, „Hauptschrein“); früher auch bekannt als Kumano-ni-masu-jinja (熊野座神社)) ist ein Shintō-Schrein im Stadtteil Hongū der Stadt Tanabe, Präfektur Wakayama) das Yatagarasu shinji bzw. Hōin shinji statt. Bei diesem Fest werden verschiedene Siegel mit dem Antlitz von Yatagarasu (go-ō-no-shimpu oder gyu-o genannt) auf Papier gedruckt und an Gläubige im ganzen Land verteilt. Im Volksglauben heißt es, dass wer ein solches Siegel verbrennt und die Asche davon verschluckt, müsse die Wahrheit sagen, wenn er den Mund wieder öffne, ansonsten drohe ihm, dass er Blut speie oder gar sterbe.
Schreine
Dem Yamashiro Fudoki zufolge wurde Kamo Take Tsunomi no Mikoto unter dem Namen Kamo Take Tsunumi no Mikoto im West-Honden des Kamo-mi-oya-Schreins in der Provinz Yamashiro verehrt. Gegenwärtig wird er unter dem Namen Yatagarasu in dessen Tobe-sha (ein massha; zu Deutsch: "Unterschrein" ein kleiner japanischer Schrein, der der Obhut eines größeren Schreins anvertraut ist) verehrt.
Das Shoku Nihongi berichtet von einem Yatanokarasu-Schrein im Landkreis Uda der Provinz Yamato, der im neunten Monat des Jahres 705 eingeweiht worden sein soll, was einer entsprechenden Stelle im Götterverzeichnis (Jinmyōchō) des Engishiki entspricht.
Häufig wird Yatagarasu unter dem Namen (Kamo no) Take Tsunumi no Mikoto verehrt, wie beispielsweise im Yatagarasu-jinja, ein Nebenschrein des Kumano Hongū-Taisha, im Kakehiko-jinja (ein massha des Kumano Nachi-Taisha). Neben diesen existieren drei weitere Yatagarasu-jinja im Gebiet der ehemaligen Provinz Yamato.
Im zentralen Schrein des Mitsui-no-yashiro (ein sessha des Shimogamo-Schreins; sessha zu Deutsch "Nebenschrein" ist ein kleiner japanischer Schrein, der der Obhut eines größeren Schreins anvertraut ist) und mit Tama-yori-hime im Mikage-jinja (ebenfalls ein sessha des Shimogamo-Schreins).
Die Bezeichnungen massha und sessha hatten ursprünglich rechtlich unterschiedliche Bedeutungen, sind heute aber Synonyme.
Im Kashihara-jingū wird Yatagarasu als Shinshi (Tiere, die als persönliche Diener von Kami fungieren) des Jimmu-tennō verehrt.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Ursprünglich könnte Yatagarasu von den Astronomen der Antike als Personifizierung von Sonnenflecken gedacht gewesen sein.
Taxonomische Stellung
Traditionell werden Yatagarasu zu den Yōkai und Kami gezählt, hierbei handelt es sich aber nicht um taxonomische Gruppierungen, sondern formelle Einheiten, im Fall der Yōkai voller übernatürlicher Kreaturen und Phänomene, die in der japanischen Folklore vorkommen und im Fall der Kami ujm Shintō-Gottheiten. Auf den ersten Blick scheinen sie nicht den Drachen anzugehören, da aber Vögel zu den Dinosauriern und damit zu den Reptilien zählen, ist die Yatagarasau als reptiloides Mischwesen aufgrund der Dreibeinigkeit auszumachen. In der Annahme, dass dies ein artypisches Merkmal und keine Fehlbildung einzelner Rabenvögel gewesen ist.
Auch wenn sie kulturell eher nicht als Drache angesehen werden würden. Innerhalb der Drachen gehört die Yatagarasu zu den Dinosaurierdrachen, genauer zu den Vogeldrachen. Dort ordnen sich die Yatagarasu zu den Krähendrachen ein, zu den auch Yogen no tori zählt.
Nachweise
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- Kamigraphie - ein Wiki von Studierenden für Studiere https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Yatagarasu Abgerufen am 3.07.2024
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- 斉藤ヒロコ (August 2012). "伝説の翼 #08八咫烏". BIRDER. 26 (8). 文一総合出版: 65.
- 「幕末の風雲児も歌った「ヤタガラス」」(和歌山県総合情報誌「和-nagomi-」vol.3、和歌山県知事室広報課、2007年9月25日)https://www.pref.wakayama.lg.jp/prefg/000200/nagomi/web/nagomi03/specialfeature-p3/ Abgerufen am 3.07.2024
- "孫一と雑賀鉄砲衆" (PDF). 和歌山市観光協会. http://www.wakayamakanko.com/img/pdf_saika.pdf Abgerufen am 3.07.2024