Yamata no Orochi (japanisch ヤマタノオロチ; Kojiki: 八岐遠呂智; Nihonshoki: 八岐大蛇) ist ein Drache aus der Mythologie des Shintō. Sein Name bedeutet so viel wie "Achtgabelige Riesenschlange".
Etymologie
Der japanische Name orochi (大蛇) leitet sich vom altjapanischen woröti mit einer regelmäßigen o- von wo-- Verschiebung ab, aber seine genauen Ursprünge sind rätselhaft. Neben dieser alten Orochi-Lesart werden die Kanji, 大蛇, häufig als daija ausgesprochen, "große Schlange".
Es gibt zahllose Versuche den Namen weiter zu ergründen, manche davon beziehen sich auf turkmenische oder germanische Wurzeln. Wahrscheinlicher dürften aber einheimische japanische Wurzeln sein, wie das japanische o- von o (尾, "Schwanz") (wo Susanoo das heilige Schwert entdeckte), ō (大, "groß; großartig") oder oro (峰, "Spitze; Gipfel") ; und -chi , was "Gott; Geist" bedeutet und etymologisch mit dem Mizuchi -Flussdrachen verwandt ist.
Merkmale
Yamata no Orochi besitzt acht Köpfe, acht Hälse, acht Schwänze, aber nur einen Rumpf. Die Augen des Schlangenwesens sind rot wie Blasenkirschen bzw. Lampionblumen (Physalis alkekengi). Auf ihrem Körper wachsen Moose, Zypressen und Sicheltannen (Cryptomeria japonica). Der Bauch ist überall beständig blutig und entzündet.
Die Körperlänge von Yamata no Orochi wird in den meisten Überlieferungen mit acht Tälern und acht Hügeln angegeben. Die Angabe ist zwar ungenau, bestätigt dem Wesen aber einen gigantischen Körperwuchs.
Vorkommen
Yamata no Orochi lebte im Einzugsgebiet des Hii-Fluss (斐伊川, Hii-kawa) auf der Insel Honshu in den Präfekturen Shimane und Tottori in Japan. Da nur ein einziges Individuum dieser Art bekannt ist und entlang des 153 Kilometer langen Stroms keine weiteren Sichtungen dokumentiert sind, ist zu befürchten, dass die Art ausgestorben ist.
Lebensweise
Ernährung
Yamata no Orochi war ein Allesfresser.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Die Legenden von Yamata no Orochi wurden ursprünglich in zwei alten Texten über japanische Mythologie und Geschichte aufgezeichnet. Der Kojiki aus dem Jahr 712 n. Chr. und der Nihon Shoki aus dem Jahr 720 n. Chr.. Beide Varianten ähneln einander stark, sodass sich ein Konsens der Geschichte bilden lässt:
Nach seiner Verbannung aus den Himmelsgefilden (Takamanohara; im Shintō der Geburts- und Wohnort der Himmlischen Kami) stieg Susanoo
nach Tori-kami hinab und traf nach einiger Zeit am Fluss Hii auf ein altes, weinendes Ehepaar mit einem Kind zwischen sich. Den Fremden erblickend stellte sich der alte Mann als Ashinazuchi, Sohn des Ōyamatsumi (höchster Bergkami) vor, seine Frau hieß Tenazuchi und das Kind Kushinadahime. In alternativen Fassungen ist Kushinadahime zu diesem Zeitpunkt in der Gesichte nicht geboren.
Susanoo fragte nach dem Grund ihrer Trauer, Tenazuchi erzählte dem Gott, dass sie ursprünglich acht Töchter gehabt habe. Aber Yamata no Orochi seit jedes Jahr gekommen um eine von ihnen zu fressen. Da nun die Zeit gekommen sei, dass das Schlangenwesen wiederkäme und sie keine Hoffnung auf Rettung hätten, weinten sie.
Auf das Versprechen Ashinazuchis hin, dass Susanno Kushinadahime heiraten könne, entwickelte der Gott eine List, welche er vom alten Ehepaar vorbereiten ließ. Er ordnete an, dass sie achtfach gebrauten Sake brauen sollten, einen Zaun mit acht Toren zu bauen hatten und an jedem der Tore acht erhöhte Gestelle zusammen binden sollten. Auf jedes Gestell sollte dann ein Gefäß mit dem achtfach gebrauten Sake gestellt werden.
Nachdem Ashinazuchi und Tenazuchi so getan hatten, wie es der Gott verlangte, erschien Yamata no Orochi und zögerte nicht sich den Sake einzuverleiben. Sogleich fiel das Untier darauf betrunken in tiefen Schlaf.
In einer alternativen Nihonshoki-Version flößt Susanoo der Schlange selbst den Sake ein oder der Sake war vergiftet. Als Yamata no Orochi ihm schonungslos ausgeliefert war, erschlug Susanno mit seinem zehn Handbreit langen Schwert (ein tsurugi (gerades Schwert mit zweischneidiger Klinge)) Yamata no Orochi und färbte dadurch den Fluss Hii rot mit Blut.
Beim Zerhauen des vierten Schwanzes schlug Susanoo sich sein Schwert schartig und fand darauf das 'Grasmähe'-Schwert (ein besonderes Katana), welches er später Amaterasu schenkte, der Ahnherrin des Kaiserhauses. In manchen Fassungen steckt das Schwert auch im 8. Schwanz.
Generationen später trug der kaiserliche Prinz und legendäre Held Yamatotakeru das ursprünglich Ama no Murakumo no Tsurugi (天叢雲剣, dt. "Schwert der Himmel verdunkelnden Wolken") genannte Schwert. Einer Überlieferung nach soll das Schwert ihm das Leben gerettet haben, als Aufständische ihn in eine Falle lockten und das Gras um ihn herum in Brand steckten, woraufhin das Schwert eigenständig das Gras (kusa) vor ihm mähte (nagu) und ihm somit die Flucht ermöglichte, woraufhin Yamatotakeru es Kusanagi nannte. Unter diesem Namen ist das Schwert heute noch als eine der drei japanischen Throninsignien bekannt.
Symbolik
Die Zahl 8 repräsentiert in Japan Vollständigkeit. Sie kann z.B. für die acht Inseln Japans stehen. Im Fall von Yamata no Orochi dürfte die 8 für die "Vollständigkeit des Bösen" oder einen vergleichbaren Wert stehen.
Trivia (Auswahl)
- In Detektiv Conan Band 46 Fall 137 bzw. im Anime Folgen 428 - 430 (internationale Zählweise) bzw. 394 - 396 (japanische Zählweise) wird Yamata no Orochi erwähnt und fundiertes Wissen zur mythologischen Geschichte, erlaubt das Finden eines von drei Schätzen (Kusanagi).
- In Digimon basiert Orochimon auf Yamata no Orochi und hat eine alkoholhaltige Atemwaffe. Zusätzlich existiert noch Susanoomon, welches die Waffe ZERO-ARMS besitzt: Orochi, die mit mehren Köpfen bestückt ist
- King Ghidorah aus dem Godzilla-Universum basiert ursprünglich auf der Lernäischen Hydra und Yamata no Orochi in Kombination mit Östlichen Drachen. Jedoch war Tomoyuki Tanaka, der Erfinder von Godzilla und King Ghidorah, der Meinung, dass 7 oder 8 Köpfe zu viel seien und reduzierte die Anzahl deshalb auf 3 Köpfe.
- Im Film "Godzilla: König der Monster" aus dem Jahr 2019 existiert ein Titan namens Titanus Yamata no Orochi oder einfach Yamata no Orochi, obwohl er im Film nicht zu sehen ist. Aber die Kreatur wurde auf einem Monitor angezeigt, wie sie in ihrem Eindämmungsfeld im Außenposten 91 Mount Fuji, Japan, erwachte, während Menschen versuchten, sich in Sicherheit zu bringen.
- Im Gatcha-Spiel Genshin Impact, tötete die Elektroarchontin (Göttin) Ei (Beelzebul) ihren Rivalen Orobashi Watatsumi Ōmikami, einen Drachen nach dem Vorbild von Yamata no Orochi.
- Die Videospielserie Megami Tensei besitzt Yamata-no-Orochi mehrere Auftritte als fangbares Dämonenwesen.
- Im Spiel Okami ist Yamata no Orochi der Endgegner.
- In Eiichiro Odas Manga-Serie One Piece erscheint eine antagonistische Figur namens Kurozumi Orochi. Er kann sich in einen achtköpfigen Drachen verwandeln, der aus einer Frucht namens Hebi Hebi no Mi stammt, Modell: Yamata no Orochi (Schlangen-Frucht, Modell: Yamata no Orochi).
- Das Pokémon Trikephalo und seine Entwicklungen basieren ebenfalls auf Yamata no Orochi und dem davon inspirierten King Ghidorah. Die erste Entwicklungsstufe dieses Pokémon, Kapuno, heißt im Französischen Solochi, von solus (lat. einzeln, einzig) und Orochi.
- Das Pokémon Hydrapfel aus der neunten Generation ist im japanischen und französischen nach Yamata no Orochi benannt.
- Im Manga "Shaman King" ist Orochi ein Elementargeist.
- Im Sammelkartenspiel Yu-gi-oh! gibt es eine Karte namens "Yamata Drache", die diesen Drachen darstellen soll.
- Der Charakter Orochimaru aus Naruto basiert nicht direkt auf Yamato no orochi, sondern auf dem gleichnamigen Schurken und Schlangenmagier aus der Sage Jiraiya Gōketsu Monogatari (児雷也豪傑物語, wörtlich "die Geschichte des gallanten Jiraiya"). Allerdings beherrscht er mit dem Yamata no Jutsu eine Technik, welche direkt auf Yamato no orochi zurückzuführen ist. Bei dieser Technik nutzt Orochimaru die Fähigkeit, seine Seele von einem Wirtskörper zu lösen. Dadurch erschafft er mit seinem Chakra eine riesige, weiße, achtköpfige Schlange, die wegen ihrer Größe verheerende Verwüstungen anrichten kann.
Verehrung
In einem Dorf in der Präfektur Hyōgo wird die Sage nachgestellt, indem man einen Aal mit Stroh ausstopft und mit einer Chilischote als Zunge ausstattet. Im Haus einer Familie, deren ältester Sohn gerade die Pubertät erreicht hat, muss der tote Aal Sake "trinken" und seine Todesqualen werden vor versammelter Menge nachgestellt. Der Sohn der Familie stellt dabei das Menschenopfer dar, das Orochi in der Sage dargebracht wurde. Schließlich wird der Aal geköpft und in Teile geschnitten und die ganze Gruppe besucht den örtlichen Schrein. Danach gibt es ein großes Festmahl.
Taxonomische Stellung
Yamata no Orochi Einordnung in die Taxonomie gestaltet sich als schwierig. Geht man von der "Drachen sind reptiloide Mischwesen"-Hypothese aus, ist Yamata no Orochi durch seine vielen Schlangenköpfen ein reptiloides Mischwesen.
Anders gestaltet sich dieser Umstand im Fall der Drachen-Hydren-Hypothese. In diesem Fall könnten Hydren nur dann Drachen sein, wenn sie ein Mischwesen aus mehreren Arten wären, welche zugleich auch eine Mehrköpfigkeit besitzen. Da Yamata no Orochi keine Beine oder ähnliches zu besitzen scheint, scheint er wirklich ein Mischwesen aus mehreren, vermutlich gleichen, Schlangen zu sein. Sollte sich also die Drachen-Hypothese bewahrheiten, wäre Yamata no Orochi vermutlich kein Drache.
Diese Taxonomie betrachtet zum gegenwärtigen Zeitpunkt Yamata no Orochi als einen Drachen und folgt somit der "Drachen sind reptiloide Mischwesen"-Hypothese. Die Stellung innerhalb der Drachen gestaltet sich ähnlich schwierig, wie Yamata no Orochis Stellung als Drache generell.
Darstellungen zeigen Yamata no Orochi meist als einen achtköpfigen Ryū, allerdings ist dieses Wesen noch nie den Ryū zugeordnet worden. Die Darstellungsähnlichkeiten lassen sich wohl am ehesten daher erklären, dass die japanische Kunst von der chinesischen beeinflusst wurde und so auch Yamata no Orochi im chinesischen Drachenstil festgehalten wurde. Auch das Yamata no Orochi einen Wani verkörpert scheint unwahrscheinlich. Es ist daher anzunehmen, dass Yamata no Orochi neben Ryū und Wani eine weitere japanische Drachengattung darstellt. Diese könnte mit anderen schlangenartigen Drachengattungen in Verbindung stehen und keine nähere Verwandtschaft zu den beiden japanischen Gattungen der Östlichen Drachen aufzeigen. Sollte dies der Fall sein, ist es schwierig einen nahe stehenden Verwandten der Yamata no Orochi auszumachen. Möglicherweise ist es ein japanischer Verwandter der Lernäischen Hydra und bildet mit dieser und einigen weiteren Schlangenhydren eine eigenständige Familie.
Nachweise
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