Kinnari (Sanskrit किंनरी kiṁnarī; auch Kinari, Kinaree, Kinnaree, Ginnarie oder Ginnaree, burmesisch ကိန္နရီ, kin-na-yi) ist ein Wesen der indischen Mythologie, das auch in der südostasiatischen Mythologie in Erscheinung tritt. In Tibet ist die Kinnara als Miamchi (Tibetisch: མིའམ་ཅི་, Wylie: mi'am ci) oder "shang-shang" (Tibetisch: ཤང་ཤང, Wylie: shang shang) (Sanskrit: civacivaka) bekannt.
Das männliche Gegenstück zu Kinnari wird Kinnara (किंनर kiṁnara) oder Kinnorn genannt.
Merkmale
Kinnari sind Mischwesen aus Vogel und Mensch. Kinnari haben den Kopf, den Torso und die Arme einer Frau, aber die Flügel, den Schwanz und die Füße eines Schwans. In der hinduistischen Mythologie wird Kinnara als halb Mensch, halb Pferd und halb Vogel beschrieben, was vermutlich eine Vermischung mit den hinduistischen Kinnara darstellt, welche zentauerartige Wesen sind. Einzigartig ist das Paar Kinnara-Kinnari-Flachreliefs aus dem Sari-Tempel in Indonesien. Es zeigt Kinnara als himmlische Menschen mit Vogelflügeln am Rücken, sehr ähnlich den gängigsten Engelbildern. Der untere Vogelteil soll laut thailändischer Mythologie, den Kinnari erlauben zwischen der menschlichen und der mystischen Welt zu fliegen.
Kinnari tanzen viel und sind bekannt für ihre Lieder und Dichtungen. Dabei spielen die weiblichen Kinnari bevorzugt Trommel, während die männlichen Kinnara bevorzugt auf Lauten musizieren. Weiter sind sie in der Lage, die menschlichen Schriftsprachen zu erlernen. Sie weben sich aus Blumen Kleidung und bedecken so teilweise ihre Intimbereiche. Weiter verwenden Kinnari Parfüm aus Blumen.
Verbreitung
Laut den nach Südostasien gelangten Legenden sind Kinnari an den Hängen des Himaphan-Waldes ("Schneewald"), auch Himavanta genannt, zu finden. Einem sagenumwobenen Wald, der sich irgendwo im Himalaya befindet.
Lebensweise
Ernährung
Kinnari ernähren sich von Blütenpollen.
Verhalten
Das Paar aus Kinnara und Kinnari wird häufig in indonesischen Darstellungen dargestellt, wie es Kalpataru, den Baum des Lebens, bewacht und manchmal auch einen Schatzkrug.
Kinnara organisieren sich in hierarchischen Strukturen mit einem König an der Spitze.
Fortpflanzung
Kinnari sind nicht in der Lage, Nachwuchs zu zeugen. Allerdings sind diese Wesen, wenn auch sehr langlebig, nicht unsterblich - es ist damit fraglich, wie die Art weiterhin Bestand hat.
Kulturelle Bedeutung
Interaktionen mit Menschen
Kinnari gelten als unschuldig und harmlos.
Gelegentlich nehmen sie sich Waisenkinder an, deren Eltern in Wäldern verschollen oder verstorben sind.
Mythologie
Burmesischer Buddhismus
Burmesische Buddhisten glauben, dass von den 136 früheren Tierleben Buddhas vier Kinnari waren. Auf den Fußsohlen des großen Liegenden Buddha des Wat Phra Chetuphon in Bangkok sind die 108 buddhistischen Symbole als Perlmutter-Einlegearbeit abgebildet, zwei dieser Symbole sind eine Kinnari und ein Kinnorn.
Jataka
In Jataka Nr. 481 wird beschrieben, dass Kinnari als harmlose Geschöpfe gefangen, in Käfige gesperrt und so den Königen zu ihrer Freude präsentiert wurden.
In Jataka Nr. 504 findet sich die Autobiografie eines Kinnara, der die Kinnara-Klasse wie folgt beschreibt: "Die wilden Tiere halten uns für menschenähnlich; Jäger nennen uns noch immer Kobolde. Die Kinnaras können singen, Flöte spielen und mit sanften Körperbewegungen tanzen."
Symbolik
Kinnari sind traditionelle Symbole weiblicher Schönheit, Grazie und Vollendung.
Trivia
- Ein altes indisches Saiteninstrument ist als Kinnari vina (Sanskrit: किन्नरी वीणा) bekannt.
- Die Statue der Oscar-Preisträger bei den Myanmar Academy Awards ist eine Kinnari.
- Thai Airways International veröffentlicht ein monatliches Magazin mit dem Titel Kinnaree (der thailändischen Lesart von Kinnari).
Taxonomische Stellung
Kinnari sind Hybridwesen aus Vogel (einem Reptil) und Mensch, was sie zu reptiloiden Mischwesen macht und damit Drachen. Ihre Einordnung in die tieferen Ebenen des Stammbaums gestaltet sich als schwierig. Der Torso ist der eines Vogels, was sie zu den Dinosaurierdrachen und letztlich den Raptorendrachen macht. Allerdings besitzen sie insgesamt sechs Extremitäten (2 Arme, 2 Flügel, 2 Beine), während für die meisten Raptorendrachen vier Extremitäten (2 Arme oder Flügel, 2 Beine) typisch sind. Trotz dieser Abweichung vom Grundbauplan, sind sie klar als Raptorendrachen zu erkennen und werden diesen zugerechnet. Innerhalb der Raptorendrachen bilden sie eine Klade mit den Kalaviṅka und anderen Vogel-Mensch-Mischwesen, deren Extremitätenzahl sechs beträgt.
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