Das Qílín (chin. 麒麟, W.-G. Ch'i-lin, jap. Kirin ) ist ein chinesisches Fabeltier. Es wird auch als „chinesisches Einhorn“ (irreführend, von seiner Beschreibung her passend, aber es sieht nicht aus wie ein Einhorn) bezeichnet. In China wird es auch Rénshòu (仁獸 / 仁兽), also das "Tier der Güte und Mitmenschlichkeit" genannt.
Etymologie
Qílín setzt sich aus Qí – 麒 das männliche und Lín – 麟 das weibliche Tier zusammen, wodurch der Dualismus, aber auch die Beziehung von Yin und Yang ausgedrückt wird.
Heute wird mit Qilin/Kirin, sowohl in Korea, China als auch in Japan, die Giraffe (Giraffa sp.) bezeichnet.
In Thailand wird das Qílín als "Gilen" (Thai: กิเลน) bezeichnet.
Merkmale
In der Ming-Dynastie (1368 – 1644) wurde das Tierwesen mit einem Drachenkopf, mit Flammenornamenten und Ochsenhufen sowie mit Fisch- beziehungsweise Drachenschuppen dargestellt. In der Qing-Dynastie (1644 - 1911) kamen ein Hirschgeweih, ein Löwenschwanz und der Bart eines Karpfens hinzu. Andere Darstellungen beschreiben den Schwanz als den eines Ochsen, das Geweih kann auch nur ein einzelnes Horn sein. Die Hufe des Qílín sind immer gespalten.
Es soll darüber hinaus auch in fünf verschiedenen Farben leuchten, das Bauchhaar ist meist gelblich gefärbt und Quelle seiner Feuerkräfte. Die Schulterhöhe beträgt rund 2 Meter.
Das Qílín hat eine friedliche Natur und verkörpert die Liebe von Frieden und Güte. Während des Fressens von Gras läuft das Qílín so elegant darüber, dass es weder das Gras zertrampelt, noch Kleintiere, wie Insekten, zertritt.
Vorkommen
In Ostasien, vorrangig China, Korea und Japan. Erscheint allerdings, nur, wenn ein gütiger und wohlwollender Herrscher (oder eine Regierung) an der Macht sind.
In Thailand lebt das Wesen auch im Wald Himavanta (Thai: หิมพานต์; RTGS: Himmaphan; Khmer: ហេមពាន្ត; UNGEGN:Hempéandâ; Burmesisch: ဟိမဝန္တာ; MLCTS: hi.ma.wanta)
Lebensweise
Ernährung
Dieses Wesen ernährt sich ausschließlich von Gras.
Verhalten
Obwohl Qílín guten und reinen Seelen niemals Schaden zufügen, greifen sie schnell und heftig an, wenn sie bedroht werden, und spucken heiliges Feuer aus ihrem Mund.
Fortpflanzung
Die Lebenserwartung des Qílín beträgt 1000 Jahre.
Kulturelle Bedeutung
Qilintanz
In traditionelle Festlichkeiten wird neben dem Löwen- und Drachentanz der Qilintanz (麒麟舞, Qílínwǔ) als Symbol des Glücks bei Paraden oder ähnlichem vorgeführt.
Reittier
In Korea soll Herrscher Dongmyeong (Hangul: 동명성왕; zu Deutsch: "heiliger König des Ostens"), Gründer des Goguryeo-Reiches (Hangul: 고구려; 37 v. Chr. bis 668 n. Chr.), ein Qílín wie ein Pferd geritten haben.
Status
Das Qílín ist der Herr der chinesischen behaarten Tierklasse. Andere Tierklassen und ihre respektiven Oberherren sind:
- geschuppt: Lóng (龍 / 龙)
- gepanzert: Schildkröte - Guī (龜 / 龟)
- nackt: Mensch - Rén (人)
- gefiedert: Fènghuáng (鳳凰 / 凤凰, wird häufig irreführend als Chinesischer Phönix bezeichnet)
Weiter wird das Qílín, neben dem Drachen" Lóng", dem "Phönix" "Fènghuáng" und der Schildkröte "Guī" zu den "vier Wundertieren" (siling) gezählt, die auch als Zauberwesen bezeichnet werden.
Diese sind nicht zu verwechseln mit den Vier Symbolen Si Xiang (四象, Sì Xiàng – "vier Erscheinungen") – Blauer Drache, Roter Vogel, Weißer Tiger, Schwarze Schildkröte – die in der chinesischen Astronomie die vier Himmelsrichtungen symbolisieren.
In Japan gilt der Kirin als das mächtigste und heiligste Tier überhaupt und übertrifft die Tierwesen Hōō (Fènghuáng) und Tatsu (alternativer; alter Name des japanischen Drachen, heute Ryū).
Symbolik
Da Qílín Tierwesen der Reinheit und Güte sind, werden sie seit frühester Zeit in Schnitzereien und Gemälden als Symbole dieser Tugenden verwendet. Sie gelten auch als Symbole für Gerechtigkeit und Weisheit.
Aufgrund ihrer Heiligkeit schmücken Bilder von Qílín häufig Tempel und Schreine. Viele Darstellungen zeigen das Qílín Bücher speiend, da es dann erscheint, wenn jemand Weises geboren wird.
Das Erscheinen eines Qílín gilt als Omen für großes Glück und Reichtum und als Zeichen für die Ankunft eines großen Anführers oder eines weisen Mannes.
Weshalb ein Qílín die Geburt von Konfuzius angekündigt haben soll, auch zu seinem Ableben soll das Fabelwesen erschienen sein.
Trivia
- In dem Fantasyfilm Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse spielt das Qilin eine zentrale Rolle.
- Die japanische Kirin Brauerei ist nach dem Kirin benannt und nutzt das Fabelwesen als Logo.
Verschmelzung mit dem Einhorn
In der Neuzeit verschmolzen die Darstellungen von Qílín oft mit der westlichen Vorstellung von Einhörnern. Qílín (麒麟) wird oft als "Einhorn" in westliche Sprachen, wie Englisch oder Deutsch, übersetzt und kann manchmal mit einem einzelnen Horn dargestellt werden.
Die Übersetzung ist jedoch irreführend, da Qílín auch mit zwei Hörnern auftreten.
Im modernen Chinesisch wird der Begriff "einhörniges Tier" (独角兽;獨角獸; Dújiǎoshòu) für "Einhörner" verwendet. Neben dem berühmten Pferdewesen, können eine Reihe verschiedener chinesischer Fabelwesen mit einem einzigen Horn dargestellt werden, und ein Qílín, selbst wenn er mit einem Horn dargestellt würde, würde auf Chinesisch als "Einhorn-Qílín“ und nicht "Einhorn" bezeichnet.
Taxonomische Stellung
Die taxonomische Stellung der Qílín gestaltet sich schwierig, da sie in den meisten Darstellungen Drachenmerkmale und Säugetiermerkmale verbinden, handelt es sich um reptiloide MIschwesen, definitionsgemäß damit um Drachen.
Das Drachenpferd Lóngmǎ wurde häufig mit dem Qílín gleichgesetzt und anhand der anatomischen Merkmale scheint es nahe liegend, dass beide Arten einen gewissen Verwandtschaftsgrad besitzen. Der nächste Verwandte des Qílín ist das thailändische Ma Nin Mangkorn (Thai: ม้านิลมังกร, zu Deutsch: "Ceylonit-Drachenpferd"), welches große Ähnlichkeit zum Qílín besitzt, aber seit jeher von ihm unterschieden wird. Da dieses als Drachenpferd bezeichnet wird, scheint auch Qílín einer größeren Gruppierung der Drachenpferde angehörig.
Nachweise
- Johny Cherry: Fabeltiere. Von Drachen, Einhörnern und anderen mythischen Wesen. Reclam, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-15-020185-5, S. 101–102.
- Josef Guter: Lexikon der Götter und Symbole der Alten Chinesen. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-04-5, S. 266–267.
- Kathlyn Liscomb: „How the Giraffe became a Quillin: Intercultural Signification in Ming Dynasty Arts.“ In: Jerome Silbergeld and Eugene Y. Wang (Hg.), The Zoomorphic Imagination in Chinese Art and Culture. Honolulu: Univ. of Hawai'i Press 2016, S. 341–377.
- „Kirin 麒麟“, Kotobank https://kotobank.jp/word/%E9%BA%92%E9%BA%9F-480476 Abgerufen am 28.11.2023
- Susan Bush: „Labeling the creatures: Some problems in Han and six dynasties iconography.“ In: Jerome Silbergeld and Eugene Y. Wang (Hg.), The zoomorphic imagination in chinese art and culture. Honolulu: Univ. of Hawai'i Press 2016, S. 67-94.
- Wolfgang Münke: Mythologie der chinesischen Antike. Mit Ausblick auf spätere Entwicklungen. Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32776-5, S. 55.
- https://yokai.com/kirin/ Abgerufen am 28.11.2023
- 《甲骨文合集》,编号36481正、反
- 殷墟发现的一个刻在牛肋骨上的长篇记事刻辞,後來被稱為小臣墙刻辞。小臣墙刻辞记载征伐危方,抓获“白麟”。1955年胡厚宣在《甲骨续存》序说:“其时代当属于帝乙帝辛,在十几万片甲骨文字之中,这是最重要的一条殷末战争史料,即在周金文中,亦唯有小盂鼎铭可以仿佛似之。”