Áo Run (敖闰), auch Áo Jun (敖君) , Áo Ji (敖吉), bzw. Variationen von Báilóng bzw. Pailóng ("Weiße Gewitterwolke" bzw. "Weißer Drache" ) ist der Drachenkönig des Westmeeres (西海龙王, Xīhǎi Lóngwáng) und einer der Drachenkönige der Vier Meere in der chinesischen Religion und koreanischen Mythologie.
Seine Brüder sind Áo Guang, der Drachenkönig des Ostmeeres, Áo Qin, der Drachenkönig des Südmeeres, und Áo Shùn, der Drachenkönig des Nordmeeres. Er ist unter den vieren der bekannteste Drachenkönig aus diesem Pantheon.
Als Drachenkönig des Westens wird er mit dem Herbst in Verbinung gesetzt.
Merkmale
Áo Run war ein strahlend weißer Lóng mit fünf Zehen. In der chinesischen Symbolik wurden Albino-Tiere mit übernatürlichen Kräften, einschließlich Magie, in Verbindung gebracht. Da Áo Run der einzige weiße Lóng war, galt er als umso mächtiger. Er erschien häufiger in der Gestalt eines Gewitters, weißer Gewitterwolke und gelegentlich auch als ein weißes Pferd.
Aufgrund seines Status ist anzunehmen, dass Áo Run ein geflügelter Lóng gewesen ist, damit gehört dieser Drache dem Ying Long Typus unter den Lóng an. Getragen wird diese Annahme u.a. durch den Umstand das
Áo Guang, der Azurdrache, ebenfalls ein geflügelter Ying Long ist und als ein Bruder des Áo Run gilt.
Als Lóng des Ying Long Typus hat Áo Run den Körper eines riesigen Karpfens, mit den Beinen eines Tigers, den Krallen eines Adlers, ein paar Hirschhörnern und Flügeln. Andere Quellen beschreiben den Ying Long und dadurch indirekt Áo Run, mit dem Kopf eines Kamels, Ohren einer Kuh, Bauch eines Frosches, Pfoten eines Tigers, lange Schnurrhaare einer Katze, Schuppen eines Karpfens, Augen eines Dämons, langer Hals einer Schlange, den Krallen eines Adlers, Hirschhörnern und Flügeln.
Wie die meisten chinesischen Drachenkönige, wird diese Gestalt aber weitesgehend verhüllt durch Gewänder des Adels. Sodass der Áo Run humanoid mit dem Kopf und den Händen eines Lóng dargestellt werden kann.
Vorkommen
Áo Run besiedelt das Westmeer, auf mythologischer Ebene liegt dies im Westen, außerhalb des für den Menschen fassbaren Kosmos. Alternativ kann aber auch das Westmeer der Qinghai-See (chinesisch 青海湖, Pinyin Qīnghǎi Hú, tib. མཚོ་སྔོན་པོ། Wylie mtsho sngon po) in der Provinz Qinghai sein.
Lebensweise
Familie
Áo Run zeugte drei Kinder. Seine Söhne sind Ao Lie, der das Ross von Tang Sanzang, dem Möch aus Die Reise nach Westen, war, und Áo Moang (敖摩昂). Neben den beiden hat der Drachenkönig des Westens eine Tochter namens Áo Cinxin (敖寸心), auch bekannt als Xihai Longnü (西海龙女).
Kulturelle Bedeutung
Feste
Feste zu Ehren von Áo Run und manchmal auch zu Ehren seiner Mutter variieren je nach Tradition und Region. Die folgenden Daten sind mit Festen verbunden, die dem Weißen Drachen gewidmet sind:
- Achter Tag des vierten Mondes (Pai-lung-tung)
- Achtzehnter Tag des dritten Monats (buddhistischer Festtag)
- Dreizehnter Tag des sechsten Mondes (Pai-lung-tung)
Der Volkslegende zufolge erschien Áo Run jedes Jahr zehn Tage vor dem buddhistischen Fest zu seinen Ehren in Form eines Gewitters.
Mythologie
Chinesische Mythologie
Die Geburt von Áo Run
Im vierten Jahrhundert, zur Zeit von Kaiser An (379–419 n. Chr.), öffnete eine junge Frau die Tür des Hauses ihrer Familie und traf auf einen alten Mann, der um Schutz vor einem aufkommenden Sturm bat. In ihrer Freundlichkeit ließ sie den alten Mann hinein.
Was in dieser Nacht passierte, ist je nach Fassung verschieden. In einer Fassung wird die junge Frau über Nacht sichtbar schwanger, nachdem der ältere Mann am nächsten Morgen gegangen war, entdecken die Eltern die Schwangerschaft und wissen darum, dass übernatürliche Kraft diese Schwangerschaft verursacht haben müssen. In einer anderen Fassung zwingt der alte Mann die junge Frau, mit ihm zu schlafen.
In beiden Fällen wurde die junge, nun schwangere Frau von ihren Eltern aus ihrem Zuhause und ihrer Familie vertrieben. Ein ganzes Jahr wanderte sie umher und bettelte bei Fremden um Unterstützung, während ihre Schwangerschaft sich weiter entwickelte.
Als sie das Kind zur Welt brachte, war es nur noch ein Klumpen Fleisch oder ein Ball weißen Fleisches, der scheinbar kein Leben in sich trug. Voller Trauer warf das junge Mädchen das leblose Wesen ins Wasser, und kaum hatte es die Oberfläche berührt, verwandelte sich das Fleisch in einen prächtigen weißen Drachen.
Áo Run wandte sich an seine Mutter, doch diese war voll Schrecken. Eine Version beschreibt, dass der Schreck sie tötete, eine andere, dass die Verwandlung einen Sturm herbei beschwor, der ihr den Atem nahm und sie für immer ohnmächtig werden ließ.
In beiden Fällen brach die junge Frau zusammen und wachte nie wieder auf.
Áo Run begann zu fliegen und erzeugte einen Sturm, einen weiteren erzeugte er, als die Trauer, über den Verlust der Mutter, ihn übermannte. Der zweite Sturm war um einiges stärker und verheerender, als der erste.
Dann flog der Drache davon und verschwand über dem Gipfel eines nahegelegenen Hügels.
Die Einheimischen begruben die junge Frau ehrenhaft und verehrten sie als Mutter des Weißen Drachen.
Der Gipfel wurde später bekannt als "Drachengipfel". Ihr Grab wurde zu einem beliebten Schrein, welcher der Mutter von Áo Run gewidmet war, und dieser wurde zu einem beliebten Ort für religiöse Pilger. Der Legende nach besucht Áo Run jährlich an seinem Geburtstag, der auf den achtzehnten Tag des dritten Monats fällt, das Grab seiner Mutter.
Die Krönung der Drachenkönige
Während der Herrschaft von Kaiser Xuanzong (8. September 685 – 3. Mai 762) aus der Tang-Dynastie wurde der Drachenteich zum Schrein erklärt und ein Altarbeamter eingesetzt, der dem Drachenkönig (bzw. den fünf) zeremonielle Opfer darbringen sollte. Diese System folgte der Kaiser Taizu (960–976) folgte dem System, den fünf Drachen, wie in der Tang-Dynastie, zu opfern. Im zweiten Jahr von Huizong (chinesisch 徽宗, Pinyin Huīzōng, W.-G. Hui-tsung, * 2. November 1082; † 4. Juni 1135) als Daguan (1108) wurden alle fünf Drachen der Welt zu Königen gekrönt. Der Blaue Drachengeist (青龍神 Qinglongshen) wurde als "König des umfassenden Wohlwollens" (廣仁王 Guangren Wang) gkrönt. Der Rote Drachengeist (赤龍神 Chilongshen) erhielt den Titel "König der gütigen Wohltätigkeit" (嘉澤王 Jiaze Wang). Der Gelbe Drachegeist (黃龍神 Huanglongshen) wurde als König der vertrauensvollen Korrespondenz (孚應王 Fuying Wang) gekrönt. Der Geist des Weißen Drachen (白龍神 Bailongshen) als König der gerechten Erlösung (義濟王 Yiji Wang) und der Geist des Schwarzen Drachen (黑龍神 Heilongshen) wurde der König der Numinösen* Wohltätigkeit (靈澤王 Lingze Wang) gekrönt.
Auch nach der Krönung wurde ihnen weiter geopfert.
*übernatürliche Wirkkraft
Die Legende vom weißen Pferd
In Nordchina wurde zu Ehren des Weißen Drachen ein Tempel mit einem dazugehörigen Bergheiligtum namens Pai-lung-tung ("Grotte des Weißen Drachen") errichtet. Eine Legende beschäftigt sich mit der Errichtung des Tempels und spielt zur Zeit der Ming-Dynastie zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert n. Chr.
Einst streifte ein weißes Pferd durch die Landschaft, und die ganze Zeit über ernährte sich das Pferd von der Ernte der umliegenden Dörfer. Der damalige Gouverneur, ein Mann namens T'an, machte sich auf die Suche nach dem Pferd, dessen Essgewohnheiten denen, die zum Überleben auf ihre Ernte angewiesen waren, lange Zeit zu schaffen gemacht hatten. Als er das weiß Pferd endlich aufspürte, ergriff er den Schweif in der Nähe der Grotte, doch sobald er dies tat, verwandelte sich das Pferd in einen Drachen und flog davon.
Alle, die Ernteausfälle erlitten hatten, hatten plötzlich eine reiche Ernte.
Daher wurde zum Gedenken an diese Ereignisse ein Tempel errichtet.
Die Gestalt erinnert an das weiße Drachenpferd, bekannt als Bai Long Ma (chinesisch:白龍馬; Pinyin : Bái Lóng Mǎ), eine der Hauptfiguren im chinesischen Roman Die Reise nach Wesen aus dem 16. Jahrhundert. Bai Longma ist eigentlich ein Drachenprinz, genauer der dritte Sohn des Drachenkönigs des Westmeeres Áo Run, der die Gestalt eines Pferdes erhielt, um einer Todesstrafe für das in Brand setzen einer wertvollen Perle zu entgehen.
Wie Áo Run der Drache des Westmeers wurde
Der Legende vom Qinghai-See (传说青海; der größte See Chinas und einer der größten abflusslosen Salzseen der Erde.) zufolge war der König der Drachen* vor langer Zeit sehr glücklich, als er sah, dass seine Königin vier Drachen zur Welt gebracht hatte. Viele Jahre später wuchsen die vier Drachen heran und trieben immer mehr schelmische Streiche, bis der Drachenkönig außer Atem war. Eines Tages ließ der Drachenkönig alle Drachenprinzen in den Kristallpalast rufen und sagte: "Ihr seid erwachsen geworden, also solltet ihr alle eure eigene Seite haben." Dann befahl er dem ältesten Prinzen Ao Guang zum König des Ostchinesischen Meeres, der zweite Prinz Ao Qin zum König des Südchinesischen Meeres und der dritte Prinz Áo Shùn zum König des Nordmeeres zu werden. Der König der Drachen wollte den jüngsten der Prinzen, Áo Run, an seiner Seite behalten, aber Áo Run sagte: "Dann werde Ich der König des Westmeeres sein!" Der König der Drachen lachte und lobte ihn, in dem Wissen, dass es kein Westmeer gab. Dennoch zog Áo Run aus, um der Drache des Westmeers zu werden. Doch auch jenseits der Neun Provinzen von Huaxia sah Áo Run das Westmeer nicht. Als er den südlichen Fuß des Qilian-Berges erreichte, war er erschöpft und voller Verzweiflung. Er rief traurig zum Himmel: "Wie kann ich der König des Westmeeres ohne das Westmeer sein?" Dann kletterte er auf den Gipfel des Qilian-Berges und löste einen großen Sturm aus, der jedoch nicht ausreichte, um ein Meer zu bilden. Doch er reichte aus, um die Aufmerksamkeit des Jadekaisiers zu erwecken. Dieser empfand Mitleid für das Begehren des Drachens. Dieser schickte den König des Donners Leishen, die Mutter der Blitzer Dianmu, die taoistische Windgottheit Fengbo und Yuntong, Gott der Wolken. Sie halfen dem jungen Drachen. Blitze, Donner und Stürme schufen ein Gewässer mit einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratkilometern und einer Tiefe von mehr als 20 Metern, das zum Westmeer (Qinghai-See) wurde. Seitdem ist Áo Run zum Drachenkönig des Westmeeres geworden.
*Der König der Drachen ist sehr wahrscheinlich nicht derselbe König der Drachen aus der berühmten Legende der 9 Drachensöhne.
Anmerkung: "Die Geburt von Áo Run" und "Wie Áo Run der Drache des Westmeers wurde" widersprechen sich in einigen Punkten, es ist schwer möglich zu sagen, welche die Geburt/den Aufstieg von Áo Run wirklich wiedergibt und welche Legende eher dem lokalen Charakter einer Sehenswürdigkeit entspricht.
Koreanische Mythologie
Im Chakchegŏn (koreanisch: 작제건; Hanja: 作帝建; MR: Chakchegŏn), einem Teil des Gründungsmythos der Goryeo-Dynastie (918–1392 n. Chr.), tötet Chakchegŏn auf Wunsch des Drachenkönigs des Westmeeres, der ihm in einem Traum erscheint, einen alten Gwishin (der Geist eines verstorbenen Menschens, der aber nicht als Monster oder etwas Böses betrachtet wird) mit einem Bogen. Der Drachenkönig des Westmeeres schenkte ihm aus Dankbarkeit die Hand seine Tochter, und Áo Run teilte das Westmeer mit Chakchegŏn auf. Der Enkel aus dieser Ehe und Gewaltenteilung ist der koreanische König Taejo (koreanisch 태조) (* 21. Januar 877 in der Gegend um Songak, Königreich Silla; † 4. Juli 943 in Songak, Goryeo), dessen Vater Yong Geon, der älteste der vier Söhne des Chakchegŏns war.
In der koreanischen Geschichte schickte der Drachenkönig des Westmeeres eine Schildkröte an König Changsu von Goguryeo (394–491, r. 413–491) als Glückwunsch zu seiner Verlegung der Hauptstadt nach Pjöngjang.
Trivia
- Der Gattungsname der ausgestorbenen Dinosauriergattung Aorun ist eigentlich ein verkürzter Name von Áo Run.
Vergleiche
Áo Run ist der Schutzpatron des Qinghai-Sees und könnte mit dem Weißen Tiger (chinesisch 白虎, Pinyin Báihǔ) in Verbindung gebracht werden, da beide chinesische westliche Götter sind und sich die Farbe Weiß teilen. Demnach ist es möglich, die Verbindung des Tigers zum Element Metall auf Áo Run zu übertragen.
Taxonomische Stellung
Áo Run ist ein Drache, genauer zählt er zu den Lóngdrachen. Innerhalb dieser Gruppe ist er der Gattung Lóng und dort in der Gruppe der Kaiserlóng, aufgrund seiner 5 Zehen, zuzuordnen. Die genaue Stellung innerhalb dieser Gruppe ist dagegen unklar, da sein Bruder Áo Guang, in Form des Azurdrachen, häufig als Ying Long dargestellt wird, ist Áo Run höchst wahrscheinlich ebenfalls ein Ying Long. Aufgrund seines eher tranzendeten Charakters ist eine genaue Einteilung in den taxonomischen Stammbaum möglich.
Nimmt man die Bruderschaft aus den Drachen der vier Himmelsrichtungen wörtlich, müssten Áo Guang und Áo Run derselben Spezies angehören. Was entweder bedeuten würde das sie und ihre beiden Brüder den Azurdrachen zuzuordnen sind und somit Farbschläge dieser Drachenart darstellen, oder aber der Azurdrache stellt aktuell eine Mischform aus zwei Drachen da, dem Eigentlichen Azurdrachen und der mit ihm (fälschlicherweise) synomisierte Áo Guang. In diesem Fall wäre es möglich, dass die vier Brüder und ihre Nachkommen, eine eigene Art bilden, die hier ersteinmal als "Áolóng" betitelt wird. Weiter könnten alle Drachenkönige einer Spezies von Drachenkönigen angehören.
Nachweise
- "Dragon Kings of Mythistory - Shen Yun Performing Arts". www.shenyun.com https://www.shenyun.org/explore/view/article/e/zBbVt1SWfxc Abgerufen am 29.08.2023
- Grootares, Williem A, Li Shih-Yu, and Wang Fu-shih: Rural Temples around Hsuan-Hua (South Chahar), Their Iconography, and Their History Aichi, Japan: Asian Folklore StudiesVol. 10 1951 S. 27, 42 - 44 https://www.jstor.org/stable/1177313?origin=crossref Abgerufen am 29.08.2023
- Guru, Shri Bhagavatananda. A Brief History Of The Immortals Of Non-Hindu Civilizations. Lulu.com. ISBN 978-1-329-58607-9.
- Korea, The National Folk Museum of Korea (South (2014). Encyclopedia of Korean Folk Literature: Encyclopedia of Korean Folklore and Traditional Culture Vol. III. 길잡이미디어. ISBN 978-89-289-0084-8.
- Korea Today. Foreign Languages Publishing House. 1981.
- Lin, Te: Teach Yourself Chinese Myths Chicago, IL, USA: Contemporary Books, A Division of The McGraw-Hill Companies, 2001 S. 33 ISBN-13: 978-0658021695
- Roberts, Jeremy: Chinese Mythology A to Z New York, NY, USA: Facts on File, Inc., 2004 S. 31, ISBN-13: 978-0816048700
- Rose, Carol M. (2001). Giants, Monsters, and Dragons: An Encyclopedia of Folklore, Legend, and Myth. New York: W.W. Norton & Company, S. 285. ISBN 0-393-32211-4.
- Tales of Pyongyang. Foreign Languages Publishing House. 1988.
- Walters, Derek: Chinese Mythology: An Encyclopedia of Myth and Legend London, UK: The Aquarian Press, An Imprint of Harper Collins Publishers, 1992, S. 111 ISBN: 978-1855380806
- "西海龙王叫什么名字,西海在哪里". 未解之谜网 (chinesisch) https://www.49363.com/tansuo/2/201505/16976.html ABgerufen am 29.08.2023
- 元曉研究論選集. 中央僧伽大學佛敎史學研究所. 1994.