Der Tāotiè (chin. 饕餮), ist eine Kreatur der chinesischen, taoistischen Mythologie und zählt zu den neun Söhnen des Drachenkönigs. Er ist auch als Tao-tieh, T'ao-tieh, T'ao T'ieh oder Tao Tie bekannt, in allen Namen wird er als Vielfraß verstanden.
Tāotiè taucht nur in der Sammlung Sheng'an waiji (升庵外集) des Dichters Yang Shen (楊慎, 1488–1559) auf, der zwei neue Drachensöhne einführt, indem er entweder Gōng fù, sowie Chīwěn oder Cháofēng austauscht (oder die letzten beide zu einem Wesen zusammenfasst) und austauscht.
Die neun Söhne lesen sich bei ihm als: Bìxì, Chīwěn oder Cháofēng, Púláo, Bì'àn, Tāotiè, Qiúniú, Yázì, Suānní und Jiāotú. Tāotiè nimmt in dieser alternativen Auflistung die Postion des fünf ältesten Drachensohn ein.
Für die moderne Interpretation des Neun-Drachensöhne-Mythos hat Tāotiè keine Relevanz.
Etymologie
Tāotiè beschreibt sowohl eine gierige Person, als auch künstlerische Darstellungen von grotesken Tierwesen auf Bronzegefäßen, aus Shang- und Zhou-Dynastie (ca. 1700 – 1027 v. Chr. bzw. ca. 1027 – 771 v. Chr.), und ähnlichem.
Obwohl moderne Gelehrte das Wort "Tāotiè" verwenden, ist eigentlich nicht bekannt, mit welchem Wort die Shang- und Zhou-Dynastien das Design auf ihren Bronzegefäßen bezeichneten. Wie die amerikanische Paläographin und Gelehrte des alten China Sarah Allan feststellt, gibt es keinen besonderen Grund anzunehmen, dass der Begriff Tāotiè während der Shang-Zeit bekannt war. Die erste bekannte Verwendung von Tāotiè findet sich im Zuo Zhuan, einer Erzählung über die Geschichte Chinas, die zwischen 722 und 468 v. Chr. in 30 Kapiteln verfasst wurde. Dort allerdings ist Tāotiè keine Darstellung aus Bronze, sondern Teil der vier Gefahren.
Dennoch ist die Assoziation des Begriffs Tāotiè synonym mit den Motiven, die auf den antiken Zhou- (und Shang-)Bronzen zu finden sind.
Merkmale
Tāotiè wurde meist nur als ein zoomorphes Gesicht auf Bronzegeräten dargestellt. Die Darstellungen sind variabel, zeigen aber meist einen geteilten Nasenrücken samt Nasenkamm (gelegentlich auch einen Rüssel), große und hervorstehende Augen, begleitet von Hörnern (eines Drachen) und Reißzähnen eines Tigers. Wobei die Zähne stets in einem geöffneten Maul präsentiert werden und nicht einheitlich Tigerzähne sind, sodass der Tāotiè verschiedensten Nahrungsformen gleichermaßen verschlingen kann. Das Maul kann das Fassungsvermögen einer Höhle erreichen und dementsprechend genauso viel verschlingen. Der Tāotiè besitzt menschliche Hände und unter seinen Achseln weitere Augen. Gelegentlich vereinfachen Darstellungen, was die Merkmale des Tāotiè nicht auf jedem ihm zeigendes Relikt erkennbar sind. Allen Tāotiè ist gemein, dass ihr Vorderkörper in einen zweigeteilten Hinterkörper endet und sie somit zwei riesige Mägen hatten. Dieser Hinterkörper wird häufig mit dem Körper von Schafen gleichgesetzt.
Vorkommen
Tāotiè besiedelte China, dort war er üblicherweise in der Nähe von Küchen und Restaurants zu finden.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nicht viel bekannt, nur dass das Wesen beständig fraß und auf Nahrungssuche war.
Kulturelle Bedeutung
Darstellungen
Tāotiès Gesicht wurde zu einem häufigen Motiv auf rituellen Bronzeobjekten der Shang- und der westlichen Zhou-Dynastie. Diese Motive begnügten sich mehrheitlich mit der Darstellung des Gesichts und sollten schlechte Einflüsse (Verderblichkeit, Nahrungsdiebe etc.) von den Lebensmitteln fern halten. Andere Lehrmeinungen gehen davon aus, dass sie einfache Verzierungen ohne weiteren Grund sind bzw. Ausdruck des Könnens derer ist, welche die Bronzeobjekte hergestellt hatten - ähnlich einer Signatur.
Mythologie
Neun Drachensöhne
Tāotiè war einer der neun Söhne des Drachen. Er verbrachte seine ganze Zeit in der Küche und bereitete herzhafte Suppen zu. Daher befahl sein Vater, dass sein Abbild zum Schutz aller Orte verwendet werden sollte, an denen Essen zubereitet und serviert wurde.
Weiter war das Abbild Tāotiès für alle, die sich von dem Essen nahmen, die stetige Ermahnung nur so viel zu essen, wie man braucht. In einem Zeitalter in der Lebensmittelknappheit und Hungersnöte an der Tagesordnung war, sollte so vermutlich diesen Geiseln entgegengewirkt werden.
Tāotiè der Vielfraß
In einer anderen Version war Tāotiè ein legendärer Drache, manchmal auch ein Mensch, der während der Herrschaft von Yao im Goldenen Zeitalter Chinas (um 2500 v. Chr.) zu einem berühmten Vielfraß wurde. Als Shun den Thron bestieg, verbannte er Tāotiè wegen seiner Exzesse.
Wie Tāotiè seinen Körper verlor
In einer wieder anderen Legende hatte Tāotiè einst einen Körper. Doch das Wesen fraß in seiner Gier und Völlerei alles, was es fand, selbst das Fleisch von Menschen. Diese Boshaftigkeit musste bestraft werden und erforderte Grenzen und Einschränkungen. Infolgedessen nahmen die Götter Tāotiè den Körper weg, damit er nichts mehr verdauen konnte und seine Völlerei ihm keinen Nutzen mehr bringen konnte.
Tāotiè als Teil der vier Gefahren
Die vier Gefahren (chinesisch: 四凶; Pinyin: Sì Xiōng) sind vier bösartige Wesen, die in der chinesischen Mythologie existierten und die antagonistischen Gegenstücke der vier gütigen Tiere sind. Klassicherweise zählen hier zu Gònggōng (katastrophaler Gott, siehe Kapitel Gonggong), Huāndōu ("glücklicher Helm"), Huāntóu ("glücklicher Kopf") und Gǔn (großer Fisch).
In Zuo Zhuan, Shanhaijing und Shenyijing werden die vier Gefahren, jedoch durch andere Wesen ersetzt:
- Hundun (渾敦,渾沌; Hùndùn; "chaotischer Strom"), ein gelb geflügeltes Chaosgeschöpf mit sechs Beinen und ohne Gesicht
- Qiongqi (窮奇; Qióngqí; "beunruhigend seltsam, völlig seltsam"), ein monströses Wesen, das Menschen frisst, welches in Japan als dasselbe Wesen wie Kamaitachi (Wiesel mit Sensenklauen) angesehen wird.
- Taowu (檮杌; Táowù ; "Blockstumpf"), ein rücksichtsloses, eigensinniges Geschöpf
- Taotie (饕餮; Tāotiè ; "gieriger Vielfraß"), der in diesen Gefahren für alle Nahrungsverluste, Hungersnöte und ähnliches steht.
Taxonomische Stellung
Tāotiè ist als Mitglied der neun Drachen rein kulturell als Drache zu betrachten, je nach Überlieferung ist er ein Mischwesen aus Lóng, Tiger oder Mensch. Damit ist er ein reptiloides Mischwesen und erfüllt somit das Kriterium eines Drachen. Innerhalb der Drachen steht er in engerer Verwandtschaft zu den Longartigen Drachen und könnte mit anderen Tiger- und Löwendrachen, wie Bì'àn und Suānní, einen gewissen Verwandtschafsgrad teilen. Auch wenn Tāotiè, aufgrund seines eher grotesken Körperbaus, vermutlich innerhalb der Lóngdrachen für sich stehen dürfte.
Nachweise
- Allan, Sarah (1991), Die Form der Schildkröte: Mythos, Kunst und Kosmos im frühen China , SUNY-Reihe in chinesischer Philosophie und Kultur, SUNY Press, ISBN 0-7914-0460-9 S. 145, 148.
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- Shanhaijing "Classic of the West Mountains" quote: "其上有獸焉,其狀如牛,蝟毛,名曰窮奇,音如獋狗,是食人。"
- Shenyijing "Classic of the West Wilderness: Ten Examples" quote: "崑崙西有獸焉,其狀如犬,長毛四足,似羆而無爪,有目而不見,行不開。有兩耳而不聞,有人知往。有腹無五臟,有腸直而不旋,食物徑過。人有德行而往牴觸之。有凶德則往依憑之。天使其然,名為渾沌。《春秋》云:渾沌,帝鴻氏不才子也。空居無為,常咋其尾,回轉仰天而笑。"
- Shenyijing "Classic of the Northwest WIlderness: Six Examples" quote: "西北有獸焉,狀似虎,有翼能飛,便剿食人。知人言語,聞人鬥,輒食直者;聞人忠信,輒食其鼻;聞人惡逆不善,輒殺獸往饋之。名曰窮奇,亦食諸禽獸也。"
- Shenyijing, "Classic of the West Wilderness: Ten Examples" quote: "西方荒中有獸焉,其狀如虎而犬毛,長二尺,人面虎足,豬口牙,尾長一丈八尺,攪亂荒中,名檮杌,一名傲狠,一名難訓。《春秋》雲顓頊氏有不才子名檮杌是也。"
- Shenyijing, "Classic of the Southwest Wilderness: Three Examples" quote: "西方荒中有獸焉,其狀如虎而犬毛,長二尺,人面虎足,豬口牙,尾長一丈八尺,攪亂荒中,名檮杌,一名傲狠,一名難訓。《春秋》雲顓頊氏有不才子名檮杌是也。"
- Shiji "Annals of the Five Emperors" "請流共工於幽陵,以變北狄;放讙兜於崇山,以變南蠻;遷三苗於三危,以變西戎;殛鯀於羽山,以變東夷:四罪而天下咸服。"
- Shiji "Annals of the Five Emperors" quote: "昔帝鴻氏有不才子,掩義隱賊,好行凶慝,天下謂之渾沌。少暤氏有不才子,毀信惡忠,崇飾惡言,天下謂之窮奇。顓頊氏有不才子,不可教訓,不知話言,天下謂之梼杌。此三族世憂之。至于堯,堯未能去。縉云氏有不才子,貪于飲食,冒于貨賄,天下謂之饕餮。天下惡之,比之三凶。舜賓於四門,乃流四凶族,遷于四裔,以御螭魅,於是四門辟,言毋凶人也。"
- Young, Ed: The Sons of the Dragon King: A Chinese Legend New York, NY, USA: Atheneum Books for Young Readers 2004 ISBN: 978-0689851841 S. 11 - 12
- Zhuangzi, "Enjoyment in Untroubled Ease" quote: "北冥有魚,其名為鯤。鯤之大,不知其幾千里也。" translation: "In the Northern Ocean there is a fish, the name of which is Kun - I do not know how many li in size."
- Zuo zhuan "Duke Wen" quote: "舜臣堯,賓于四門,流四凶族,渾敦,窮奇,檮杌,饕餮, 投諸四裔,以禦魑魅,". translation: "When Shun became Yao's minister, he received the nobles from the four quarters of the empire, and banished these four wicked ones, Chaos (Hundun 渾敦), Monster (Qiongqi 窮奇), Block (Taowu 檮杌), and Glutton (Taotie 饕餮), casting them out into the four distant regions, to meet the spite of the sprites and evil things (Chimei 魑魅)."
- 拼音:tāotiè,注音:ㄊㄠ ㄊㄧㄝˋ
- 李学勤:《走出疑古时代》(沈阳:辽宁大学出版社,1994),〈良渚文化玉器与饕餮纹的演变〉,页92-93。
- 中国传说生物
- 拼音:táowù,注音:ㄊㄠˊ ㄨˋ
- 南朝梁元帝赐武陵王纪姓饕餮氏。见《梁书·武陵王纪传》