Die Neun Söhne des Drachen (chin. 龙生九子, lóng shēng jiǔ zǐ) sind eine Gruppe von Fabelwesen der chinesischen Mythologie seit der frühen Ming-Dynastie. Ihr Vater ist der Drachenkönig. Da die Bezeichnung Drachenkönig eine Gruppe von Drachenwesen beschreibt, kann dies zu Verwirrungen führen, der Drachenkönig ist mit keinem der bisher genannten Drachenwesen gemein und ist seine eigene, nahezu namenlose Existenz, welche einfach als "der Drachenkönig" betitelt wird.
Die genaue Zusammenstellung der Gruppe ist zwischen verschiedenen Quellen inkonsistent, jedoch hat der Drachenkönig immer neun Söhne.
Historie
Die älteste bekannte Bezeugung der Liste der Kinder des Drachen findet sich im Shuyuan Zaji (菽園雜記, Verschiedene Aufzeichnungen aus dem Bohnengarten ) von Lu Rong (1436–1494). Allerdings stellte Lu Rong fest, dass die genannten Namen Synonyme verschiedener Antiquitäten auflistet, nicht Kinder eines Drachen seien.
Aber bereits im mittleren 13. Jahrhundert finden sich erste Darstellungen der Drachensöhne. Die frühste, bis heute bekannte, Darstellung, stammt von Chen Rong, einem Beamten und Künstler, aus dem Jahr 1244, er malte eine lange Handschriftrolle, die heute als "Die Neun-Drachen-Schriftrolle" oder einfach "Neun Drachen" bekannt ist. Die Schriftrolle ist etwa 15,3 Meter lang und 46,3 Zentimeter breit.
Die Handrolle enthält zudem ein Gedicht und eine Inschrift von Chen Rong. Diese weisen darauf hin, dass dieses Werk von dem Gemälde "Neun Pferde" des Malers Can Ba aus dem 8. Jahrhundert sowie von Haichongs Werk "Neun Hirsche" inspiriert wurde.
Das Medium ist monochrome Tinte auf Papier mit einem kleinen Anteil Rot.
Die Drachenrolle zeigt neun Lóng oder gnerell Drachen, die sich um Meereswellen, Wolken, Nebel, Strudel, Feuer, Winde und Klippen drehen.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Die neun Söhne des Drachen
Der Legende nach hatte der Drache neun Söhne, von denen jeder mindestens ein großes Talent von seinem Vater geerbt hatte. Für jede ihrer Fähigkeiten wurden ihnen bestimmte Positionen zugewiesen und sie wurden als Ziergegenstände verwendet. In mehreren alten Texten werden die Namen und die Natur der neun Drachensöhne dargelegt, sie stimmen jedoch nicht überein. Insgesamt gibt es so elf verschiedene Söhne des Drachen, aber es werden in der Regel pro Geschichte nur neun Drachen erwähnt. Drachensöhne, die so nicht erwähnt werden, werden mit anderen Drachensöhnen verschmolzen (besonders häufig Baxia und Chiwen). Neben alternativen Formen besitzen einige Drachensöhne alternative Namen.
Die folgenden Wesen werden alle als Söhne des Drachen bezeichnet:
- Qiúniú (siehe Kapitel Qiúniú)
- Yázì
- Cháofēng
- Púláo
- Suānní
- Bìxì (siehe Kapitel Lóngguī)
- Bì'àn
- Gōng fù
- Chīwěn
- Jiāotú
- Tāotiè
- Zhayu (häufig mit Chīwěn gleichgesetzt)
Alternative Namen:
- Ba Xia (alternativer Name von Bàxià und damit Bixi, nicht mit dem modern Baxia (tradtionell Bāxià) zu verwechseln)
- Ba-Sha (alternativer Name von Beixi)
- Bāxià (alternativer Name von Gōng fù)
- Bei-she (alternativer Name von Gōng fù)
- Beixi (alternativer Name von Bāxià, damit Gōng fù)
- Chao Feng (alternativer Name von Chaofeng)
- Pu-Lao (alternativer Name von Pulao)
- Sua Ni (alternativer Name von Suanni)
- Haoxian (alternativer Name von Bei-She)
- Sze-niu (alternativer Name von Qiúniú)
- Tiao Tu (alternativer Name von Taotie)
- Tao-Tieh (alternativer Name von Taotie)
- Ai-hwa (alternativer Name von Yázì)
In einer Legende heißt es, dass die abweichende Nachkommenschaft des Drachen direkt mit seiner wechselhaften Natur zusammenhängt, die unzüchtig ist und dazu führt, dass er mit vielen Tieren kopuliert und so viele verschiedene Nachkommen hervorbringt.
Allerdings ist die Vielfalt der Drachen in manchen Fällen auf die Übersetzung und die Sprache zurückzuführen (was damit derselbe Drache mit einem etwas anderen Namen wäre). Variationen in der Liste der Drachensöhne entstanden auch durch unterschiedliche Traditionen.
Moderne Namen
Die neun Söhne des Drachen wurden im Jahr des Drachen 2012 von der offiziellen Shanghai Mint Zentralbank der chinesischen Regierung mit der Ausgabe von zwei Münzsätzen geehrt, einem Satz in Silber und einem in Messing. Jede Münze in den Neun-Münzen-Sets zeigt einen der neun Söhne. Es wurde eine 10. zusätzliche Münze ausgegeben, die den Vaterdrachen in Silber und Messing darstellte und auf der Rückseite eine Ikonografie der neun Söhne trug, also insgesamt 20 Münzen der Serie.
Die Münzen sind von NGC (Numismatic Guaranty Company, Münz-Zertifikations-Unternehmen) mit den folgenden Namen zertifiziert:
- Bi'an
- Bixi
- Chaofeng
- Chiwen
- Fuxi (Der wahre Name ist Xixi)
- Pulao
- Qiuniu
- Suanni
- Yazi
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Bedeutung der Zahl Neun
Die Tradition des Drachen wird in der chinesischen Kunst oft mit der Zahl Neun in Verbindung gebracht. Die Legende von den Neun Söhnen des Drachen erklärt die Gründe für die Verwendung verschiedener Drachen als Schmuck für bestimmte Gegenstände.
Eine weitere Verwendung dieses Zahlenmotivs findet sich im Jiu Long Bi (neun Drachenschirme). Diese dienten der Abwehr böser Geister und wurden speziell zum Schutz von Tempeln und kaiserlichen Residenzen geschaffen.
Die Zahl Neun ist in China als sehr besonders angesehen, da sie die größtmögliche einstellige Zahl ist und mit ihr häufig chinesische Drachen in Verbindung gebracht werden. Beispielsweise wird ein chinesischer Drache in der Regel anhand von neun Attributen beschrieben und verfügt normalerweise über 117 (9×13) Schuppen, 81 (9×9) Yang-Schuppen und 36 (9×4) Yin.-Schuppen.
Da die neun so auch den Drachen verkörpert und dieser für gute Ernten, die Sonne und Glück steht, ist die Zahl neun ebenfalls eine Glückszahl.
Die Zahl erfuhr weiter an Bedeutung in den Ministerien des Kaisers. So durften nur die höchsten Beamten neun Drachen auf ihrem Gewand tragen – und auch dann nur, wenn das Gewand vollständig mit anderen Kleidungsstücken bedeckt war. Beamte niedrigerer Ränge hatten acht oder fünf Drachen auf ihren Gewändern, wiederum bedeckt mit Kleidungsstücken. Nur dem Kaiser war es gestattet seine Drachen offen zu tragen, zumindest acht der neun, denn auch hier musste der neunte Drache stets verdeckt bleiben.
Bedeutung der Drachenrolle von Chen Rong
Während die Drachen lange Zeit die kaiserliche Macht darstellten und Symbole des Kaisers waren, haben sie insbesondere im Taoismus auch eine spezifische Bedeutung als Manifestationen des Dao oder des Weges der Natur, der zentralen Wahrheit der taoistischen Philosophie. Es sind Wahrheiten, die für einen Moment auftauchen und dann wieder verschwinden. Unauffindbar, außerhalb unserer Sphären.
Die Drachen verkörpern verschiedene Naturkräfte und stellen somit die schöpferischen Kräfte der Natur dar, die sich im Leben manifestieren und verschwinden. Die neun Transformationen spiegeln die Wirkungsweise der übernatürlichen Welt im kreativen Prozess wider.
Taxonomische Stellung
Während der Drachenkönig ziemlich sicher den Lóng zugerechnet werden kann, sind seine Söhne in Gestalt sehr variabel und entsprechend meist nicht dem Typus der Gattung Lóng.
Hierfür können mehrere Gründe ins Auge gefasst werden, zum einen ist der Begriff des Lóng mehrdeutig, sodass der Drachenkönig (Lóng Wang) nicht als Gattungsname gemeint seien kann, sondern als Bezeichnung für drachenartige Wesen generell. Demnach müssen die Söhne nicht zwingend Lóng sein, sondern nur als Drachen erkennbar.
Alternativ können die Söhne adoptiert sein, eine sehr gängige Praxis in der chinesischen Geschichte, in der kein Unterschied zwischen adoptiertem und leiblichen Nachwuchs gemacht wurde, was aber die Verwandtschaftsverhältnisse deutlich verschleiern würde.
Diese Taxonomie nimmt daher an, dass die Drachensöhne eine Gruppe von Drachen ist, denen eine gewisse verwandtschaftliche Nähe inne liegt, welche final genutzt werden kann, um die Verwandtschaftsverhältnisse der "asiatischen Drachen" zu klären.
Nachweise
- Bates, Roy: Chinese Dragons New York, NY, USA: Oxford University Press 2002, S. 40, 43 - 45 ISBN: 978-0195928563
- Christie, Anthony: Chinese Mythology New York, NY, USA: Hamlyn Publishing Group Limited 1968 S. 44, ISBN: 978-0600006374
- National Geographic, eds. Juliane von Laffert: Essential Visual History of World Mythology Washington, D.C., USA: National Geographic Society 2008 ISBN: 978-1426202179 S. 342
- de Visser, Marinus Willem (1913). The dragon in China and Japan. S. 101 - 102 https://www.biodiversitylibrary.org/page/38191817#page/117/mode/1up Abgerufen am 18.09.2023
- Young, Ed: The Sons of the Dragon King: A Chinese Legend New York, NY, USA: Atheneum Books for Young Readers 2004 ISBN: 978-0689851841 S. 1
- 杨静荣 (Yang Jirong); 刘志雄 (Liu Zhixiong) (2008). 龙的繁衍与附会——龙生九子 [Dragon's derived and associated creatures: The nine children of the dragon]. 龙之源 [The Origin of the Dragon]. 中国书店. ISBN 978-7-80663-551-3.