Das Lóngmǎ (chin. 龍馬, deutsch: Drachenpferd) ist ein chinesisches Fabelwesen.
Etymologie
Das chinesische Wort lóngmǎ kombiniert lóng 龍 "Drache" und "mǎ" 馬 "Pferd".
Lóngmǎ verbindet den traditionellen chinesischen Glauben über Drachen (Tier des Himmels) und Pferde (Tier der Erde) und die Verbundenheit der Dinge.
Ein frühes Beispiel für die Verwendung von Drachenbezeichnungen im Bezug auf Pferden stammt aus dem Zhouli "Rites of Zhou" (夏官司馬), in dem Namen für Pferde unterschiedlicher Größe unterschieden werden, gemessen im Chi 尺, dem "chinesischen Fuß" (historisch etwa 23 bis 33 Zentimeter). Pferde mit einer Körpergröße von bis zu 244 Zentimetern werden als "Drachen" bezeichnet, solche mit einer Körpergröße von bis zu 213 Zentimetern werden als "Lai" 騋 und Pferde mit einer Körpergröße von bis zu 183 Zentimetern als "Pferd" bezeichnet.
Grund für diese Verbindung zwischen Pferd und Drachen dürfte die enorme Bedeutung des Pferdes der frühen chinesischen Herrscher, insbesondere die Herrscher der Tang-Dynastie (617/18 bis 907), für militärische Taktiken, diplomatische Politik und aristokratische Privilegien.
Alle wunderbaren Pferde in der chinesischen Mythologie wurden über die Zeit zu Avataren von Drachen erklärt, wie das Ross vom frommen Xuanzang (chinesisch 玄奘, Pinyin Xuánzàng, W.-G. Hsüan-tsang; jap. 玄奘三蔵 Genjō Sanzō), dessen Reisen als Vorbild für "Die Reise nach Westen" genutzt wurden, in Form eines weißen Drachenpferdes, das den verwandelten dritten Sohn des Drachenkönig Ao Run darstellt, Ao Lie. Auch wenn es meist nur als Bái Lóng Mǎ (chin.: 白龍馬, Weißes Drachenpferd) bezeichnet wird.
Das japanische Lehnwort ryūma oder ryōma 龍馬 (vereinfacht 竜馬) hat mehrere Bedeutungen. Ryūma bezieht sich auf das legendäre chinesische "Drachenpferd" und den Namen einer Schachfigur in Shogi (übersetzt "beförderter Läufer", auch ryūme ausgesprochen). Ryōma wird häufig als japanischer Name verwendet, zum Beispiel Sakamoto Ryōma (ein Samurai).
Neben der Benennung des Fabelwesens kann sich lóngmǎ 龍馬 "Drachenpferd" auch auf eine bedeutende Person beziehen, wie zum Beispiel in der vierstelligen Redewendung longma jingshen 龍馬精神("kräftiger Geist im Alter").
Merkmale
Lóngmǎ besitzen den Körper eines Pferdes, jedoch die Schuppen und den Kopf eines Drachen. Gelegentlich gibt es auch Exemplare mit Flügeln - andere Quellen weisen den Titel "Drachenpferd" nur den Exemplaren aus, welche Flügel tragen.
Da es sich bei den Lóngmǎ um ein Mischwesen aus Drache (Himmel) und Pferd (Erde) handelt, verkörpern sie beide Elemente und können vermutlich auch beide Elemente zu einem gewissen Grad manipulieren. Ein Lóngmǎ ist in der Lage auf dem Wasser zu laufen, ohne darauf einzusinken. Weiter ist ein Lóngmǎ in der Lage eine Strecke von 300 Meilen, also 483 Kilometern zurückzulegen.
Sie sind von wildem Temperament geprägt und schwer zu zähmen.
Ein Lóngmǎ soll eine Höhe von acht ch'ih fünf ts'un besitzen. Ch'ih ist eine alte chinesische Maßeinheit die im metrischen System einen Wert von ein Drittel Meter entspricht, was schon einer Gesamthöhe von 2,66 Meter nahe kommt. Die Maßeinheit ts'un ist eine traditionelle chinesische Maßeinheit welche benutzt wird, um die Einstichpunkte für das Setzen von Nadeln in der Akupunktur auszumachen. Das ts'un ist eine relative Maßeinheit, die für jeden Menschen individuell verschieden ausfällt, da sie durch die Breite des Daumens in Höhe des ersten Gelenks einer Person definiert wird. Geht man davon aus das ein ts'un einem Daumenbreit entspricht, entspricht es 2,5 Zentimetern, was dem Drachenpferd zusätzlich eine Höhe von 12,5 Zentimetern und damit eine Gesamthöhe von 2,79 Metern, nach Rundung, bedeutet. Lóngmǎ erscheinen meist blau und rot gefleckt, ihre Mähne ähneln mehr der eines Drachen, als der einens Pferdes. Das Wiehern des Wesens hat den Ton einer Flöte.
Vorkommen
Die Lóngmǎ waren früher weit in China verbreitet.
Lebensweise
Fortpflanzung
In einem Fall aus dem Jahr 741 wird berichtet, dass eine normale Stute ein Drachenpferd geboren hat, nachdem sie aus einem Fluss getrunken hatte, in dem ein Drache lebte. In anderen Fällen, welche die Entstehung der Drachenpferde beleuchten, werden Lóngmǎ geboren, wenn sich Drachen und Pferde im Wasser paaren und von den Stuten ausgetragen werden.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Bái Lóng Mǎ
Bái Lóng Mǎ (zh.: 白龍馬, auch Bai Logma, Weißes Drachenpferd) ist ein Charakter im klassischen chinesischen Roman "Die Reise nach Westen" (1592). Eigentlich handelt es sich bei dem Drachenpferd um eine verwandelte Form des dritten Sohns des Drachenkönigs des Westlichen Meeres, mit dem Namen Ao Lie. Ao Lie einst eine Perle ungewollt zerstörte, welche ein Geschenk des Jadekaiser - der höchsten göttlichen Identität - war. Aufgrund dieses "Verbrechens" wurde er zum Tode verurteilt, doch die Göttin Guanyin (weiblicher Bodhisattva des Mitgefühls) setzte sich für ihn ein, und so wurde er nur in den Fluss Yingchou am Berg Shepan (chin.: 蛇盤山) verbannt.
Als der Mönch Tang Seng ((唐僧 – "Tang-Mönch"), mit dem Beinamen Sanzang (三藏 – "Tripitaka"), auch Tang Sanzang (唐三藏 – "Tripitaka-Mönch aus Tang-China") genannt) versucht, den Yingchou zu überqueren, taucht der Prinz in Gestalt eines riesigen weißen Drachen auf und verschlingt das weiße Pferd des Mönchs. Sun Wukong, der Affenkönig, rettet Tang Seng und eilt zum Drachen, allerdings ist es für das Pferd zu spät. Der Angriff des übermächtigen Sun Wukong, verschreckt den Drachen, welcher in den Fluss flieht. Da Sun Wukong nicht gut schwimmen kann, ist eine Verfolgung schwer möglich.
Als Sun Wukong eine Erdgottheit aufsucht, erfährt er, dass der Drache von Guanyin an diesen Ort gebracht wurde.
Tatsächlich hat der Drache auf Tang Seng gewartet, aber ihn aber nicht erkannt und nur deshalb das Pferd gefressen. Zur Wiedergutmachung verwandelt er selbst sich in ein weißes Drachenpferd und dient Tang Seng für den Rest der Reise als Reittier.
Als Tang Seng von der dämonischen Gestalt Kui Mulang (chin: 奎木狼; wörtlich "Der Waldwolf mit den Beinen") entführt wird, zu einem Zeitpunkt, wo Sun Wukong nicht der Gruppe beisteht, verwandelt Bái Lóng Mǎ sich in einen jungen Mann und versucht den Mönch zu retten. Dies gelingt ihm nicht und er sucht Zhu Bajie auf, ein dämonisches Schweinewesen, das Teil des Gefolges ist. Wie in den meisten Fällen leitet Zhu Bajie die Anfrage direkt an Sun Wukong weiter, damit dieser handelt.
Gegen Ende des Romans wird Bái Lóng Mǎ zu einem Bodhisattva erhoben und verwandelt sich in einen weißen Drachen, der sich um eine der Säulen des Leiyin Tempels schlingt.
Bái Lóng Mǎ wird in der chinesischen Volksreligion, aufgrund seiner Verdienste, als Gottheit verehrt.
Aber auch in anderen Teilen Asiens findet eine Verehrung statt. Der City Pillar Shrine (ศาลเจ้าพ่อหลักเมืองสุพรรณบุรี) befindet sich in Rua Yai, Bezirk Mueang Suphan Buri, Suphan Buri, Thailand errichtete zusammen mit Tang Sanzang, Sun Wukong, Zhu Bajie und Sha Wujing eine goldene Statue von Bái Lóng Mǎ.
Fu Xi und das Drachenpferd
Traditionell gilt Fu Xi als Urheber des I Ging - Einem Werk zur Orakelbefragung. Nach alter Überlieferung kamen ihm diese Weisheiten als der Urkaiser auf den Rücken eines mythischen Drachenpferdes (manchmal auch eine Schildkröte), welches aus dem Luo-Fluss hervorging, blickte. Diese Offenbarung, bestehend auch der lockigen Rückenmähne des Pferdes, soll auch der Ursprung der Kalligraphie gewesen sein.
Möglicherweise ein Lóngmǎ
In einer Zhuangzi-Geschichte (列禦寇) wird erwähnt, dass unter dem Kinn eines Lilong (驪龍; ein Drache) mit schwarzem Pferd eine "Perle im Wert von tausend Goldstücken" von einer sehr armen Familie gefunden wurde. Das stark methaphorische Werk referenziert den Drachen Li auch als schwarzen Hengst und erlaubt so eine Interpretation als Lóngmǎ.
Nutztiere
Kaiser Mu aus der Östlichen Jin-Dynastie (344 bis 361) soll einen Wagen besessen haben, der von acht geflügelten Drachenpferden gezogen wurde
Trivia
- Im Videospiel Howrse ist das Longma eine göttliche Pegasus-Stute aus der Kategorie der Chinesischen Pferde.
- Im Anime "Romeo x Juliet" sind Ryuba Drachenpferde, deren Name die japanische Aussprache von 龍馬 ist.
Taxonomische Stellung
Die taxonomische Stellung der Lóngmǎ zu beantworten, gestaltet sich ungemein schwierig und komplex. Als Mischwesen aus Lóng und Pferd besitzen sie klaren reptiloiden Mischwesen Charakter und zählen damit aus Sicht dieser Taxonomie zu den Drachen. In der chinesischen Folklore werden die Lóngmǎ aber als Drachenpferde, eher zu den Pferdewesen, als zu den Drachen gerechnet. Dort sollen sie die nächsten Verwandten zu den den Tianma (天馬 "Himmlisches Pferd") besitzen, welche als "Chinesischer Pegasus" bezeichnet werden. Damit wäre der griechische Pegasus vermutlich ebenfalls ein naher Verwandter. Das Ferghana-Pferd oder auch das Hanxuema (汗血馬 "blutschwitzendes Pferd"), werden häufig in diesem Verwandtschaftskreis erwähnt.
Geht man davon aus, dass Vögel Dinosaurier sind und damit ebenfalls als Reptilien gelten, sind auch Vogelmischwesen als Drachen zu betrachten. Demnach würden Tianma und Pegasus ebenfalls zu den Drachenpferdenverwandten als Drachen gezählt werden können, wie auch das Hippalectryon, ein Mischwesen aus Pferd und Huhn.
Ebenfalls wurden Lóngmǎ häufiger mit dem Qulin gleichgesetzt, einem chinesischen Fabeltier, dass sich ebenfalls für die Stellung als Drache in dieser Taxonomie verdient machen dürfte.
Das chinesische Lóngmǎ als "Drachenpferd" ist zudem nicht kulturspezifisch. Mythologische Hybridtiere oder Chimären sind weltweit bekannt, darunter auch Kombinationen aus Drachen und Pferden. In der griechischen Mythologie ist das Hippocamp oder Hippocampus (wörtlich "Pferd-Seeungeheue") eine Parallele zum Lóngmǎ, das angeblich den Kopf und die Vorderbeine eines Pferdes und das Hinterteil eines Drachen oder Fisches hat - allerdings scheinen hier Drachenanspielungen eher modernerer Natur zu seien.
In der babylonischen Mythologie ist "Drachenpferd" ein Titel der Göttin Tiamat.
Unter den prähistorischen Hügelfiguren in Oxfordshire befindet sich Dragon Hill unterhalb des Uffington White Horse
Abseits dieser Einordnung erscheint es dieser Taxonomie nahe liegend zu sein, dass die Lóngmǎ mit den geflügelten Pferdewesen Tianma und Pegasus eine gemeinsame Gruppen bilden, deren nähster Verwandter vermutlich das Quilin oder das Hippalectryon seien dürfte.
Nachweise
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