Die Nepalnāga, auch Tibetnāga oder Himalayanāga ist eine Art der Gattung
Nāga und fasst Nāga der hinduistischen und buddhistischen Mythologie zusammen, welche im Himalaya und seinen Ausläufern zu finden sind. Im tibetischen Buddhismus sind Nāga als Klu oder Klu-mo bekannt.
Merkmale
Die Nepalnāga ähnelt stark der Indischen Nāga und erscheint wie diese in den drei Nāgagestalten. Während sie die Nāgahüftgestalt und Nāgamenschengestalt innehaben, wird das menschliche Haupt von einem Nāgakragen gestützt, bestehend aus mehreren Nāgaköpfen, meist fünf (gelegentlich sieben oder neun), welche wie bei der Indischen Nāga an Juwelen besetzte Kobras erinnern.
Im Gegensatz zur Indischen Nāga besitzt die Nepalnāga am Rücken Flügel. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Anpassung an den bergigen Lebensraum, um so leichter von einem Berg zum nächsten zu gelangen. Diese sind gefiedert und erinnern an Adler oder Geierflügel.
Nepalnāga gelten als Regengötter, Hüter der Gewässer und Erdschätze. Diese Schätze können sowohl materieller Reichtum als auch rein spiritueller Natur sein.
Neben der Manipulation des Wetters beherrschen sie auch den Gestaltwandel. Zudem können sie Quellen für Flüsse erschaffen.
Alle Darstellungen, welche sich klar der Nepalnāga zuweisen lassen, sind stets weiblich. Es besteht das die Möglichkeit, dass die Art aus nur Weibchen besteht und sich parthenogenetisch vermehrt, was ebenfalls eine Anpassung an das unwegsame Gelände darstellen könnte.
Verbreitung
Die Nepalnāga lebt in der Region des Himalayas und seinen Ausläufern. Sie leben bevorzugt in Gewässern, wie Quellen, Flüssen und Meeren.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist kaum etwas bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Nainī Devi
Naiṇī, Nāgnī oder Nāginā Devī ist der Name von neun Nāga-Hindu-Göttinnen, die als Göttinnen und Mütter über den unteren Teil des Pindar-Flusstals in der Garhwal-Himalaya-Region von Uttarakhand in Indien herrschen.
Sieben dieser Göttinnen etablieren die Herrschaft über ihr Territorium durch eine sechsmonatige Reise (yātrā), während der sie in Gestalt einer mit Saris (ungenähter Wickelrock mit einseitigem Schulterüberwurf für Frauen) bekleideten Bambusstange umhergetragen werden.
Durch ihre yātrās stellen die Naiṇīs ihre familiären Bindungen zu jenen Frauen ihres jeweiligen Dorfes wieder her, welche in andere Dörfer eingeheiratet haben. Im indischen Westhimalaya ist dies eine gängige Methode, göttliche Herrschaft und Territorium zu etablieren.
Diese Reisen finden nur zwei Mal pro Jahrhundert statt: Die Naiṇī des Dorfes Ratura trat ihre Reise von September 2010 bis März 2011 an, nachdem die vorherige Reise 54 Jahre zuvor geendet hatte.
Die Naiṇī des Dorfes Rains "kam heraus" (Hindi: nikaltī huī) im September 2016, die letzte Reise dieser Naiṇī lag 42 Jahre zurück und die Reise der Naiṇī des Dorfes Bhattiyana begann im September 2023, 38 Jahre nach ihrer letzten Reise. Für gewöhnlich dauert eine solche Reise sechs Monate. Sie wird begleitet durch Rituale, Feste und Prozessionen, deren Ziel es ist, die Naiṇīs zu unterhalten, sie "zum Tanzen und Spielen zu bringen" (nacānā aur khilānā). Dabei werden die Naiṇīs in ihren Bambuskörpern von männlichen Tänzernen begleitet, welche abendlich Tanzvorstellungen aufführen und dabei kobraförmige Diademe tragen.
Die Reisen beginnen damit, dass die Naiṇīs aus der Unterwelt, genannt Pātāllok oder Nāglok, die "Welt der Schlangen", herbeigerufen werden. Diese Welt wird mit einem irdenen Gefäß identifiziert oder repräsentiert, das unter einem Toona-Baum vergraben ist, welcher in enger Verbindung mit der Göttin steht. Die rituellen Reisen enden mit der Herstellung eines Seils (śirā), welches mehrere Kilometer lang ist und aus Babulū-Gras besteht. Dieses Seil soll ausdrücklich an eine Schlange erinnern, deren Kopf am letzten Tag des yātrā bergauf "läuft" (d. h. getragen wird) und deren Schwanz bergab läuft. Am Tag vor diesem letzten Ereignis wird für die Kaṃṣ phaṭnā-Zeremonie eine naturalistischere Schlangenpuppe angefertigt. Bei dieser Zeremonie wird eine lokale Geschichte inszeniert, in der Kṛṣṇa (Krishna) die längste Schlange aus dem Nāglok auf diese Welt brachte.
In den mythologischen Geschichten über die Naiṇīs werden verschiedene Nāga-Könige als ihr Vater genannt, alternativ Vāsuki oder Kāliya, welche Hauptfiguren der klassischen Sanskrit-Epen sind, insbesondere des ersten Buches des Mahābhārata und des Harivaṃśa. Obwohl es eine große Vielfalt an Geschichten über die Naiṇīs in ihren Dörfern gibt, stimmen die meisten darin überein, dass sie von den sieben Urweisen (mahārśi) in die "Welt der Sterblichen" (Mṛtyulok) gebracht wurden, um an einem Opferritual (yagya) teilzunehmen. Bei diesem Ritual wurden neun jungfräuliche Mädchen (kuṃvārī) benötigt, um die neun Aspekte der Göttin Durgā (eine Göttin der Vollkommenheit, die populärste Göttin im Hinduismus) zu personifizieren, wie es während des Navarātrī-Festes geschieht. Einer der Mahārśis, Bāṅkuṛā Ṛṣi, welcher die Sprache der Nāgas beherrschte, musste nach Nāglok gehen und eine Gruppe von neun Mädchen im Alter von neun Jahren auf die Erdoberfläche bringen. Schließlich gelang es ihm, die Eltern davon zu überzeugen, sie mitkommen zu lassen, unter der Bedingung, dass man ihnen keine irdische Nahrung anbot, denn das würde sie verunreinigen und sie daran hindern, nach Nāglok zurückzukehren. Die Määdchen konnten jedoch nicht widerstehen, einen süßen Milchreis (khīr) zu probieren, welcher ihnen angeboten wurde. Damit waren sie an diese Welt, die Welt der Sterblichen, gebunden. Den neun Mädchen jedoch gefiel es hier auf der Erde, sie tollten und spielten auf dem großen flachen Hügel namens Kob herum und genossen die schöne Landschaft. Dort jedoch sah sie ein Hirte namens Hansa Bugalya und plante, sie einzufangen, um sie mit seinen neun Enkeln zu verheiraten. Er warf eine Decke über sie, doch sie flohen in alle Richtungen. Eine von ihnen stürzte eine Klippe hinab und eine andere versank in einem Sumpf - das waren die beiden Schwestern, die nicht auf Reisen gehen, weil sie entweder starben oder in ihr unterirdisches Reich, das Nāglok, zurückkehrten.
Die anderen fanden Zuflucht in Dörfern, wo sie mit Respekt behandelt wurden und Freundschaft mit den Dorfbewohnern schlossen, indem sie Wasserquellen aus dem Boden entspringen ließen.
So soll die Naiṇī des Dorfes Sankot in neun Quellen in ihrem Dorf wohnen, welche die lokale Landwirtschaft mit Wasser versorgen.
Die Naiṇīs haben einen wesentlichen Aspekt mit anderen Nāgas von Uttarakhand gemeinsam: Sie sind eng mit Quellen und Bewässerungskanälen (dhārā) verbunden, welche für die Wasserversorgung der Reisfelder von entscheidender Bedeutung sind. Im Himalaya gilt der Nāglok als der Ort, aus dem das unterirdische Wasser kommt, während in anderen Teilen Indiens Termitenhaufen als ihr Portal zur Erdoberfläche gelten.
Die Reisen der Naiṇīs und die damit verbundenen komplexen Rituale ähneln denen anderer Gottheiten von Garhwal, welche nicht ausdrücklich als Nāgas bezeichnet werden. Viele der lokalen Cāṇḍikā- , Jākh- oder Ghaṇḍiyāl-Gottheiten sollen jedoch auch Kinder von Nāg-Prinzessinnen wie Ulūpī, Ucchī oder Vasudanta sein.
Symbolik
Die Nāga des Himalayas gelten als Symbol der Fruchtbarkeit und des Lebens. Als Wächter der Gewässer stehen sie auch für die Sauberkeit und den Schutz dieser.
Verehrung
In Garhwal gibt es kaum eine Quelle oder einen Bergsee ohne einen Nāg-Tempel. Besonders bekannt ist der Tempel von Kṛṣṇa Nagarjā, dem Schlangenkönig, in Sem Mukhem. Auch der Berg Nāg Tibbā, verschiedene Seen und Dörfer im oberen Bhagirathi-Tal, das Berinag-Gebiet von Kumaun und viele Quellen und Seen in Himachal Pradesh und Kaschmir sind Orte ihrer Verehrung.
Taxonomische Stellung
Die Nepalnāga stellt Art der Gattung Nāga dar und ordnet sich deshalb den Nāgaschlangen zu, welche den Schlangendrachen angehören. Ihr nächster Verwandter ist die Indische Nāga.
Aufgrund der großen Ähnlichkeit und der teilweise überlappenden Verbreitungsgebiete werden beide Arten gelegentlich auch als eine gemeinsame Art betrachtet.
Nachweise
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