Vritra (Sanskrit वृत्र vṛtra m. "Feind, Gewitterwolke") ist in der vedischen Mythologie ein drachen-, wolken- oder schlangenartiger Dämon (Asura) und Feind der Götter und Menschen, der von Indra bekämpft wird. In den Veden ist er auch als Ahi ("Schlange") bekannt, weitere Namen sind Ahi-Drache und Danava-Drache.
Merkmale
Vritra wird als riesige Nāga beschrieben. Dabei erscheint er entweder als Nāgahüfte oder Nāgamensch mit monströsem Gesicht. Die Gestalt wird mit einer riesigen Kobra gleichgesetzt, was ihn als Indische Nāga identifiziert. Der Körper von Vritra ist schwarz gefärbt und von ihm geht ein Leuchten aus, dass an Wolken im Abendrot erinnert. Das Haar auf dem Körper des dämonischen Wesens und sein Bart und Schnurrbart haben die Farbe von geschmolzenem Kupfer und seine Augen seien so stechend wie die Mittagssonne. Die Zähne sind ungemein scharf.
Vritra gilt als gierig und Verkörperung der Dürre, es ist unklar, ob damit auch Feuerkräfte einhergehen. Weiter besitzt er eine extrem laute Stimme, welche die Erde zum Zittern bringen kann.
Verbreitung
Vritra lebte laut Überlieferung teilweise in den Bergen, es ist anzunehmen, dass er in den Ausläufern des Himalayas seine Heimat gefunden hatte.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nichts bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Entstehung
Je nach Überlieferung ist Vritra der Sohn der Danu, eine vedische Göttin, welche in der hinduistischen Mythologie als die Mutter der dämonischen Danavas (dämonische Wesen) gilt.
Oder aber er wurde von Tvashtri, dem Handwerkergott, dessen Sohn von Indra getötet wurde, erschaffen, indem er eine Opfergabe ins Feuer warf, um Indra zu töten.
Kampf mit Indra
Er trank alle Wasser der Welt (in anderen Fassungen ist es das Wasser der 7. größten Flüsse) und rollte sich dann auf den Gipfeln der Berge zusammen. Dort hielt dieser Nāga das gesamte Wasser und wollten es nicht der Erde zurückgeben, die es aber dringend brauchte. Für diese "Geiselnahme" attackierte der Gott Indra Vritra mit seinem Donnerkeil Vayra, doch während des Kampfes gelang es Vritra Indra zu verschlingen. Weitere Götter stießen zum Kampf und zwangen Vritra Indra auszuspeien. Kaum seinem eigenen Ende entkommen, bereitete der Gott Vritras Ende und erschlug den Nāga mit seinem Donnerkeil.
Nachdem Vritra im Kampf getötet wurde, kehrten die Wasser in die Welt zurück. Dabei erschuf Indra auch die Morgenröte und den Himmel, den er von der Erde trennt. Der finale Kampf dauerte 360 Tage.
Insbesondere wegen der Schaffung von Morgenröte und der Trennung von Himmel und Erde wird Indras Sieg über Vritra auch oft als Schöpfungsmythos bzw. Weltschöpfungsmythos interpretiert.
Symbolik
Vritra ist ein zentraler Bestandteil der Indramythologie und verkörpert die zerstörerischen, dunklen und chaotischen Kräfte der Natur (Trägheit, Winter und Dürre), während Indra die produktiven Kräfte verkörpert.
Aufgrund dieses Gegensatzes und weil Indra praktisch geschaffen wurde, um Vritra zu besiegen, wird Indra auch Vritrahan ("Vritra-Erschlager") genannt.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Im iranischen Avesta (heilige Schriftensammlung, schriftliche Aufzeichnung der Texte erfolgte etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Erhaltene handschriftliche Quellen sind erst ab dem 13. Jahrhundert n. Chr. vorhanden.) besitzt Gott Verethragna, dessen Name lautlich exakt zu Sanskrit Vritrahan passt, ähnliche Funktionen wie Indra.
Der Ursprung von Schlangendämonen und der Kampf mit diesen, hat damit mindestens indoiranischen Ursprung.
Da aber auch in europäischen Mythen, wie der griechische Held Herakles im Kampf gegen die Hydra oder der germanische Donnergott Thor gegen die Midgardschlange, existieren, welche den Drachentöter-Mythos behandeln, ist anzunehmen, dass die Ursprünge diesen Epen noch weiter zurück liegen und einen urindogermanischen Ursprung besitzen.
Taxonomische Stellung
Vritra wird als Nāga bezeichnet, da er meist als kobraähnlich beschrieben wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Vritra um eine Indische Nāga handelt.
Sollte die Entstehungsgeschiche um Tvashtri, dem Handwerkergott, stimmen, könnte Vritra auch ein Wesen, wie ein Golem sein, dass in der Gestalt eines Nāga erschaffen wurde. Für diese These finden sich aber nicht genügend Belege.
Funktionell ist er verwandt mit Jörmungandr aus dem nordischen Mythos, Typhon aus dem griechischen Mythos und Veles aus dem slawischen Mythos, dürfte mit diesen aber keine direkte Verwandtschaft besitzen.
Nachweise
- Ganguli, Kisari (1883–96, reprinted 1975). The Mahabharata. ISBN 0-89684-429-3.
- Griffith, Ralph (1896). Hymns of the Rigveda. Lawrence Verry Incorporated. ISBN 0-8426-0592-4.
- Gopal, Madan (1990). K.S. Gautam (ed.). India through the ages. Publication Division, Ministry of Information and Broadcasting, Government of India. p. 63
- Hans Wilhelm Haussig (Hrsg.): Götter und Mythen des indischen Subkontinents (= Wörterbuch der Mythologie. Abteilung 1: Die alten Kulturvölker. Band 5). Klett-Cotta, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-909850-X, S. 197.
- Hindu World: An Encyclopedic Survey of Hinduism. In Two Volumes. Volume I A-L. Routledge. 9 April 2019. ISBN 9780429624650. https://books.google.de/books?id=6zj3DwAAQBAJ&dq=vritra+personification+drought&pg=PA92&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false Abgerufen am 29.12.2024
- Indra. In: Jan Gonda: Veda und älterer Hinduismus (= Die Religionen der Menschheit. Band 11). W. Kohlhammer, Stuttgart 1960.
- Mahabharata 5.9 and Mahabharata 5.10 (English). https://sacred-texts.com/hin/m05/m05009.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Mahabharata 5.9 and Mahabharata 5.10(Sanskrit) https://sacred-texts.com/hin/mbs/mbs05009.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Mahabharata 5.11 (English). https://sacred-texts.com/hin/m05/m05011.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Mahabharata 5.11(Sanskrit) https://sacred-texts.com/hin/mbs/mbs05011.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Swami, Bodhasarananda (2 March 2016). Stories from the Bhagavatam. Advaita Ashrama. ISBN 978-81-7505-814-9.
- Radhakrishna, B.P (1999). Vedic Sarasvati and the Dawn of Indian Civilization (42 ed.). Memoir Geological Society of India.
- Rig-Veda 1.154 (Sanskrit) https://sacred-texts.com/hin/rvsan/rv01154.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Rig-Veda 1.32 (English) https://sacred-texts.com/hin/rigveda/rv01032.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Rig-Veda 1.32(Sanskrit) https://sacred-texts.com/hin/rvsan/rv01032.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Rig-Veda 1.124 (English) https://sacred-texts.com/hin/rigveda/rv10124.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Rig-Veda 1.124 (Sanskrit) https://sacred-texts.com/hin/rvsan/rv10124.htm Abgerufen am 29.12.2024
- Rose, Carol M. (2001). Giants, Monsters, and Dragons: An Encyclopedia of Folklore, Legend, and Myth. New York: W.W. Norton & Company. p. 8. ISBN 0-393-32211-4.
- The birth of Indra and slaying of Vritra according to Vamadeva mandala - RV 4.018 https://rigvedaanalysis.wordpress.com/2014/03/23/the-birth-of-indra-end-of-an-ice-age/ Abgerufen am 29.12.2024
- "True grace". The Hindu. 15 October 2019. https://www.thehindu.com/society/faith/true-grace/article29693486.ece Abgerufen am 29.12.2024
- Vritra. In: Gerhard J. Bellinger: Knaurs Lexikon der Mythologie. Droemer Knaur, München 1999.
- Vritra. In: John Dowson: A classical dictionary of Hindu mythology and religion, geography, history, and literature. Trübner & co., London 1879, S. 369 (Textarchiv – Internet Archive).
- vṛtra. In: Monier Monier-Williams: Sanskrit-English Dictionary. Clarendon Press, Oxford 1899, S. 1007, Sp. 2.