Vorsichtig tastete er sich voran, immer einen Griff nach dem nächsten. Das Adrenalin hatte ihm die Sinne vernebelt, wie Lava floss das Blut durch seine Adern und ließ ihn erzittern vor lauter Kraft die er plötzlich in sich spüren konnte. Das war Leben! Genau das, was er gerade tat, das war es, was dieses Drecks Dasein auf diesem beschissenen Planeten lebenswert machte! Das Gefühl, über allem zu stehen, der König zu sein und sich von nichts einschränken zu lassen! Freiheit! Er atmete tief ein und griff nach der Hand, die ihm gereicht wurde, gerade noch rechtzeitig, kurz danach hätte er sicher die Kraft in den Armen verloren und wäre gestürzt. Ein Fall auf Stein aus mehr als hundert Metern, das stellte er sich ganz und gar nicht lustig vor. Neben ihm hatte sein bester Freund sich ein Bier aufgemacht und reichte ihm ebenfalls eine der mitgebrachten Flaschen. Wie er es vermisst hatte, das hier zu machen. Nachts aus dem Haus zu schleichen und sich mit dem Mann, den er in seinem Leben am meisten schätzte, auf die Suche nach Abenteuern zu machen. Die letzten Monate waren so trostlos gewesen, die Arbeit hatte ihn aufgefressen und seine Freundin wollte ihn nicht mehr mit ihren Plänen für eine gemeinsame Zukunft in Ruhe lassen, obwohl er doch in Wirklichkeit absolut nicht mehr mit ihr zusammenbleiben wollte. Sein Blick schweifte ab und er beäugte nun den Mann, mit dem er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens befreundet gewesen war. Schon immer hatte er dessen Stärke und Reife bewundert, die super bei den Mädchen angekommen waren. Luca konnte trinken wie ein Loch, die liebevollsten Umarmungen geben, immer die spannendsten Abenteuer ausmachen und er kannte sich einfach in allem aus. Intelligent, schön, ein Traummann eben. Bevor er sich jedoch noch mehr ins Nachdenken vertiefen konnte, wurde ihm ein intensiver Kuss auf die Lippen gedrückt. Wieder schoss das Adrenalin nur so durch seinen Körper, elektrisierte ihn und brachte ihn in einen Zustand, aus dem er nie wieder aufwachen wollte. Vielleicht war es ja doch nicht Leben, an einer Klippe zu hängen und nach unten in seinen Tod zu schauen. Wenn er ehrlich war, dann war ein Kuss von diesen weichen Lippen die viel bessere Alternative.