"Weißt du, sie ist irgendwie so Nullachtfuchzehn!", erklärte Annabel, während ihre Augen einer Klassenkameradin folgten, die vor ihnen die Treppe nach unten ging. "Ja, sie hängt sich immer nur an alles dran!", stimmte ihre Freundin ihr zu. Dann lachten beide. Sie redeten gerne über andere Leute, vor allem die, die ihnen nichts entgegenzusetzen hatten oder sich sowieso nicht trauen würden, den Mund aufzumachen. "Bist du am Wochenende auf Simons Party?", wollte Annabel dann wissen. Sie spitzte die Lippen voller Vorfreude auf die Antwort, die sie erhalten würde. Natürlich würden sie beide da sein, sie waren auf jeder Party, die stattfand. Immerhin gehörten sie zu den beliebten Leuten, zu den coolen, die gerne Zeit miteinander verbrachten und von allen für ihr Leben beneidet wurden. "Ja, werde ich. Schläfst du danach wieder bei mir? Nur für den Fall, dass deine Eltern dich wieder anschreien, wenn du betrunken nach Hause kommst?", schlug Selina ihr vor. Als sie das Angebot unterbreitet hatte, war sie etwas rot geworden. Die beiden hatten schon lange etwas zwischen ihnen, was sie nicht benennen konnten, was sie aber sehr gerne auslebten. Zu zweit in einem Bett zu schlafen war ein Erlebnis, das sich keine von beiden entgehen lassen wollte. "Wenn du das willst, dann machen wir das so!", stimmte Annabel zu. Schnell drehte sie den Kopf zu ihrer Klassenkameradin, über die sie gerade schon gesprochen hatten. "Hey, Lina, zieh dir Mal Klamotten an, die nicht jeder Vollspast heutzutage trägt!", schrie sie ihr dann zu. Die junge Frau drehte sich irritiert um, sie war es nicht gewohnt, so angegangen zu werden. Vor allem nicht von der Frau, die sich normalerweise immer so um alle sorgte und unheimlich nett war. "Ok, ja. Mache ich dann! Aber bitte denk über deine eigene Auffassung von Dingen nach!", bekam sie dann als Antwort. Die Intention, von dem etwas peinlich gewordenen Gespräch abzulenken, hatte der Zwischenruf komplett verfehlt. Stattdessen sahen sie jetzt noch mehr Leute an, vor denen sie sich dafür rechtfertigen musste, wie sie gehandelt hatte. Selina legte ihr die Hand auf den Unterarm. "Beruhige dich, das passt schon! Wir sehen uns dann heute Abend!" sie zwinkerte ihr zu und machte sich auf den Weg zu Biologie, wobei sie ihre beste Freundin vollkommen verdattert stehen ließ.