"Sieht die Welt nur für mich so undurchdringlich verschwommen aus, oder ist das ein allgemeiner Zustand?", wollte der Junge wissen. Er hatte die Nase in einem Buch vergraben, schien die Buchstaben aber schon lange nicht mehr wahrzunehmen, die Geschichte nicht mehr im Kopf zu verfolgen und die Fakten nicht mehr aufnehmen. Nie hatte er viel gesprochen, weder im Unterricht noch in seiner Freizeit. Die Kinder, die mit ihm am Tisch gesessen hatten, sahen ihn nur kurz verständnislos an, bevor sie sich wieder ihrem Spiel widmete. "Denkst du nicht, deine Gedanken sind ein wenig zu viel für Kinder? Die sind jung, die machen sich keine Gedanken darum, wie die Welt ist!", erinnerte seine Freundin ihn, die zum Geburtstag seines kleinen Bruders gekommen war, um ihn mit ihren beiden Händen dabei zu unterstützen, die Kinder im Zaum zu halten. In ihrem Blick konnte er sehen, dass auch für sie seine Gedanken wenig greifbar waren. Als wäre er der einzige Mensch, der dachte. Der einzige Mensch, der Ideen davon hatte, wie die Welt und Menschen funktionierten! Denn so schwer war es nicht, bestimmten Psychologen zu folgen und sich zumindest einen Standpunkt zu suchen, aber selbst das war den Menschen zu viel Aufwand und das machte ihn wütend. War denken eine Aufgabe geworden, die man nicht mehr wahrnehmen konnte, weil es andere für einen übernahmen? Vielleicht hörte er sich an, wie seine Lehrer, aber zumindest hatte er einen Standpunkt! "Nein, denke ich nicht. Sie könnten sich doch auch Mal Gedanken darum machen, was sie gerade tun, oder nicht? Kinder sind die Zukunft, das weißt du doch!" Den letzen Satz sprach er mit einem theatralischen Ausdruck auf dem Gesicht und spielte auf das an, was sie ihm erst gestern vorgeworfen hatte, nachdem er keine Lust auf einen Kindergeburtstag gehabt hatte. "Du bist schrecklich! Behalt deine komischen Ausbrüche von Philosophie für dich und kümmer dich darum, dass die Pizza im Ofen nicht verbrennt!", ermahnte sie ihn, bevor sie aufstand um mit den Kleinen Topfschlagen zu spielen. Am liebsten hätte er die Gabel, welche er in die Hand genommen hatte, zwischen den Fingern zerbrochen, legte sie aber hin und tat, wie ihm geheißen. Vielleicht dachte er ja doch nicht als einziger. Aber vielleicht dachte er anders.