Es sind die Tränen in seinen Augen, die mir als Erstes auffallen, als ich sie nach unzähligen Wochen, Monaten und Jahren des Wartens wiedersehe. Tränen, die ihm in die Augen treten und das Blau seiner Augen verschwimmen lassen, als er mich erblickt. Ich kann an seiner wechselnden Mimik ablesen, was in ihm vorgeht. Freude. Zorn. Trauer. Überraschung. Verzweiflung. Es ist wie ein Sturm an Emotionen, der ihn überfällt, und der auch mein Herz umklammert hält. So lange hat mich nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen vorangetrieben, am Leben gehalten in den Nächten voller Zorn, Traurigkeit und Verzweiflung, wenn ich mich entsetzlich alleine und verlassen fühlte und die Sehnsucht nach ihm mich umzubringen schien. Und nun war ich am Ziel angelangt, nur noch wenige Meter lagen zwischen uns.
Er öffnete mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, aber keine Worte kamen heraus, als wüsste er nicht, was er sagen sollte. Ich fand selbst keine Worte, um auszudrücken, was ich fühlte.
„Was zum Teufel machst du hier?“, brachte er schließlich mit erstickter Stimme heraus, die zwischen Glück und Wut schwankte. Er war glücklich, mich zu sehen, aber zornig, dass ich ihm gefolgt war.
„Ich habe dich gesucht.“
Er schüttelte nur ungläubig den Kopf, als könnte er nicht begreifen, dass ich wirklich hier war, dass ich leibhaftig vor ihm stand. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel, lief schimmernd über seine Wange. Ich hielt es nicht länger aus, ich brauchte ihn und ich wollte ihn spüren, seine warme Haut an meiner, seinen Duft in meiner Nase, seine weichen Haare unter meinen Fingern. Ewig hatte meine Suche gedauert, ewig hatte ich gewartet.
Ich überbrückte die wenigen Schritte, die noch zwischen uns lagen. Er öffnete seine Arme für mich und ich ließ mich in die vertraute, sehnsüchtig vermisste Umarmung fallen. Fest hielt er mich an seine Brust gepresst, als wollte er mich niemals wieder loslassen und ich hoffte, er würde es auch niemals tun.
„Ich habe auf dich gewartet“, murmelte ich, „Ich habe die Tage gezählt, bis du zurückkommen würdest, doch als ich an unserem Treffpunkt ankam, warst du nicht da.“
„Ich weiß“, flüsterte er und seine Stimme brach.
„Man sagte mir, dein Schiff wäre verschollen. Es gäbe nur geringe Hoffnung auf eine Rückkehr. Ich solle warten und weiterleben. Doch ich konnte nicht. Ich musste dich einfach suchen, weil ich dich liebe. Ich weiß, du bist sauer, dass ich mein Leben riskiert habe, aber ohne dich war mein Leben nichts wert und-“
Er stoppte meinen Redefluss, indem er mich küsste. Es war ein berauschendes Gefühl, seine Lippen endlich wieder auf meinen zu spüren, zu fühlen, wie sein Mund mich sanft und zärtlich liebkoste. Er löste sich als Erstes wieder von mir, umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und schaute mir tief in die Augen. „Du hast mir so sehr gefehlt und auch wenn es egoistisch ist, bin ich glücklich, dass du bei mir bist. Ich hatte gehofft, du würdest auf mich warten. Oft habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, dich wieder in die Arme zu schließen. Ich habe mich gefragt, ob du noch an mich denkst. Ob du manchmal zu den Sternen hinaufschaust und mich vermisst. Ich habe so sehr gehofft, dass deine Liebe zu mir so groß ist wie meine zu dir, dass du auf mich warten würdest so wie ich es getan hätte, und doch sagte ich mir, dass ich kein Recht darauf habe zu hoffen, dass du dein Leben auf mich ausrichtest. Ich bin unendlich glücklich, dass du nicht nur gewartet hast, sondern mich gesucht hast. Und du hast mich gefunden – in dieser Unendlichkeit. Ich hatte Angst, dich nie wieder zu sehen.“
„Ich hätte das ganze Universum nach dir abgesucht“, antwortete ich ihm, weil es die Wahrheit war. Die ganze Unendlichkeit, die Ewigkeit, hatte ohne ihn nichts für mich zu bieten.
„Zehn Jahre habe ich ohne dich gelebt. Zehn Jahre“, seufzte er und zog mich wieder in eine feste Umarmung, „Es ist eine Ewigkeit her, seit ich dich so halten konnte, spüren konnte.“
„Es war erst gestern“, erwiderte ich, „Die zehn Jahre, die ich von dir getrennt war, waren ein einziger, nie enden wollender Tag für mich.“
Er sagte noch etwas, aber ich verstand es nicht. Seine Stimme verschwamm, sein Körper löste sich auf, seine Umarmung verschwand. Ich versank in Schwärze.
Ich erwachte wie aus einem Traum. Er war nicht mehr als eine Einbildung, die mir entglitten war, bevor ich sie fest genug halten konnte.
Seit zehn Jahren war er verschollen in der Weite des Alls. Und ich war immer auf der Suche nach ihm. Denn ich hatte nie einen anderen Mann geliebt und würde niemals einen anderen lieben. Ich war alleine, Millionen Kilometer von der Erde entfernt, gefangen in einer fußballfeldgroßen Welt aus Metall, für immer auf der Reise. Ohne jemals anzukommen.