Es widersprach allen Regeln. Es widersprach den Regeln seines Berufes und seinen eigenen Regeln, mit denen er sein Privatleben und sein Berufsleben strikt trennte, die seine Gefühle unter Verschluss hielten. Verliebe dich niemals in eine Patientin. Das war das oberste Gebot aller Regeln. Und er hatte es gebrochen.
Er konnte es nicht länger leugnen. So sehr hatte er sich gegen seine aufkeimenden Gefühle gewehrt, so sehr hatte er es verleugnet. Aber da war diese Anziehung, die er einfach nicht länger unterdrücken konnte.
Schon von der ersten Begegnung an hatte sie etwas an sich gehabt, das sie von allen anderen unterschied, diese einzigartige Ausstrahlung, von der er nicht verstehen konnte, wieso andere sie nicht zu sehen vermochten. Traurigkeit umgab sie wie ein Schirm, der sie vor der Welt verbarg, vielleicht gar vor ihr zu schützen versuchte. Ihre Tapferkeit, mit der sie dagegen ankämpfte, beeindruckte ihn. Ihr Humor, mit dem sie das Leben zu nehmen versuchte, egal wie schwer es für sie wurde. Jede Woche freute er sich darauf, sie wiederzusehen, wohlwissend, wie falsch es war. Wie sehr es gegen die Regeln verstieß. Aber er konnte nichts dagegen machen. Mit jeder Woche, jeder Stunde in ihrer Gesellschaft fühlte er sich mehr zu ihr hingezogen. Und je stärker seine Gefühle wurden, desto mehr fürchtete er sich davor, sie zu verlieren. Denn er konnte spüren, wie sie ihm entglitt.
Er sah es kommen, versuchte sie vor sich selbst zu beschützen und doch war er machtlos gegen die Dunkelheit, die sich ihrer bemächtigte. Er erzählte ihr von seinen Gefühlen, bat sie, nicht zu gehen.
Doch es war zwecklos.
Sie lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Er ahnte, dass er sie nicht aufhalten konnte.
Sie fiel und er konnte nur hilflos zusehen.