Sie sollte sich nicht von ihm angezogen fühlen. Er war nicht einmal ein Mensch, er war einer der Aliens, die ihren Planeten zu unterwerfen versuchten. Er war ein künstliches Produkt, ein Krieger ohne Gewissensbisse, er war nicht dazu geschaffen worden, etwas zu hinterfragen. Und doch hatte er etwas an sich, dass ihn anders machte. Er strahlte Individualität aus.
Seit den ersten Angriffen auf die Erde hatte sie sich seiner Spezies entgegengestellt, hatte in der Armee gekämpft und war später als Rebellin in den Untergrund gegangen, um ihren Kampf fortzusetzen, auch nach dem Ende aller Staaten der Erde. Als sie nur noch als Menschheit gegen die Aliens stehen konnten, nachdem unzählige ihr Leben gelassen hatten – auf beiden Seiten.
Und seit ihrer ersten Begegnung mit ihm hatte sie gewusst, dass er etwas Besonderes war. Sie hatten sich noch im Krieg getroffen, kurz vor der Niederlage der Menschen. Die letzte Schlacht. Kopflos waren die Überlebenden in die Wälder geflohen, er war der Kommandant gewesen, der die Flüchtenden aufspüren und auslöschen sollte. Er hatte sie gefunden. Sie war verletzt gewesen, trotzdem hatte sie sich ihm entschlossen mit hoch erhobenem Haupt entgegengestellt. Sie war nicht davongelaufen, sie hatte nicht voller Angst sterben wollen. Sie hatte ihrem Schicksal ins Auge sehen wollen. Er hatte nichts gesagt, aber sie hatte ihm ansehen können, dass er beeindruckt war. Und dann hatte er nur ein einziges Wort gesagt. „Geh.“
Er hatte sie laufen lassen. Sie wäre heute nicht mehr am Leben, wenn er sie damals nicht hätte gehen lassen. Es verging eine lange Zeit, bis sie sich wiedersehen sollten, auch wenn sie ihn in all den Monaten und Jahren nicht vergessen konnte. Sie wusste nicht, was ihn dazu bewegt hatte, ihr zu helfen, sie nicht zu töten. Seine Andersartigkeit faszinierte sie und ließ sie nicht los.
Er war verletzt gewesen. Schwer. Sie hatte ihn im Wald gefunden, nachdem seine Leute versucht hatten, ihn aus dem Weg zu räumen, weil er zu viele Fragen gestellt hatte, weil er zu viele Befehle kritisch beäugt hatte. Weil er nicht mehr blind gefolgt war und damit nutzlos. Sie hätte ihn liegen lassen können, doch sie hatte das Gefühl ihm etwas schuldig zu sein und so versteckte sie ihn vor seinen Leuten und vor ihren und pflegte ihn gesund. Sie wusste, dass sie ein Risiko einging. Sie konnte ihm nicht vertrauen, konnte nicht sicher sein, dass es nicht ein abgekartetes Spiel war, um die Rebellenbasis zu enttarnen. Und doch vertraute sie auf ihr Gefühl, dass ihr sagte, dass sie das Richtige tat. Und mit jedem Tag verstärkte sich die Anziehung zwischen ihnen. Sie war sich sicher, dass auch er es spüren konnte, selbst wenn er als Krieger keine Gefühle haben sollte.
Vielleicht würden sie die Welt verändern. Sie beide. Vielleicht würden sie ein Umdenken bewegen und Raum für neue Möglichkeiten schaffen, eine Veränderung bewirken, die ihre Zukunft sichern könnte. Eine gemeinsame Zukunft. Sie konnten beide auf diesem Planeten leben. Wenn sie lernten, das Gestern zu vergessen und ein Teil der Zukunft zu werden.