Ich erinnere mich an das Licht. Auch wenn meine Welt mit Schatten gefüllt ist, die mich immer mehr zu ertränken drohen.
Ich erinnere mich an eine kleine dunkle Luke voller Würmer und Modergeruch, der Übergang zur Unterwelt, der mich lockt und verführt. Mehrmals habe ich sie bereits durchschritten, aber ich konnte nicht endgültig fortgehen.
Seine Liebe zu mir ist meine Rettung, mein Halt in dieser Welt, mein Licht.
Wir treffen uns oft nachts auf dem alten Turm am Strand, ein morsches, baufälliges Gebäude aus Holz, das niemand außer uns mehr aufsucht. Ich mag den Turm, er ist meine Zuflucht. Wenn die Dunkelheit nach mir ruft, wartet dort stets ein Licht auf mich, selbst in der finstersten Nacht wartet er und bewahrt mich davor, ins Dunkel zu stürzen.
Ich klettere die Leiter empor, von der bereits zwei Sprossen fehlen. Er sitzt bereits oben auf der Plattform, wartet auf mich seit Anbruch der Nacht. In der dunklen Nacht ist er nicht mehr als ein Schemen, eine Gestalt, die mir so vertraut ist.
Schweigend lasse ich mich neben ihm nieder. Wir sagen kein Wort, tauschen keine Berührung, so wie wir es immer tun. Er ist einfach da, bedrängt mich nicht.
Er seufzt. „Ich denke, es ist besser, wenn ich gehe“, bricht er die Stille.
Ich weiß, was er damit meint. Er will mich verlassen, nicht für diese Nacht, sondern für immer. Weil ich verloren bin und er der seidene Faden, der mich noch vor dem Fall bewahrt. Wenn er geht, bin ich verloren. Für alle Zeit.
„Ich will nicht, dass du gehst“, höre ich mich murmeln. Meine Stimme ist leise. Sie klingt fern, wie aus einer anderen Welt.
„Bist du dir sicher, dass du weißt, was du willst? Jede Nacht ist es das gleiche Spiel. Ich warte auf dich und manchmal kommst du, manchmal nicht. Ich warte immer seit dem Beginn der Nacht, obwohl du oft erst um Mitternacht erscheinst. Ich werde immer auf dich warten, auch wenn du mich nicht brauchst.“
Ich schweige, weil ich nicht weiß, wie ich ihm bewusst machen kann, was er mir bedeutet. Dass sich bei dem Gedanken daran, dass er gehen könnte und nicht wieder zurückkehrt, mein Herz zusammenzieht, mein Atem versagt, dass der Ruf der Dunkelheit in meinem Kopf zunimmt und mich zu ertränken droht. Dass ich das Gefühl habe, mich aufzulösen, im Nichts zu verschwinden und für alle Zeiten rettungslos und unsichtbar zwischen den Welten zu treiben. Ich kann die rasenden Gedanken in meinem Kopf nicht in Worte fassen. Alles, was ich sage ist: „Du bist das einzig Helle in meinem Leben bei der Finsternis, die mich zu überwältigen droht.“
Ich hoffe, er versteht, was ich damit sagen will. Ich kann nicht ohne ihn leben, ohne ihn bin ich verloren. Er schweigt. Ich fasse vorsichtig nach seiner Hand, die auf seinem Knie liegt. Seine Haut ist warm und fühlt sich gut an, beruhigend auf meiner kalten Haut. Seine Berührung ist gefährlich für mich, sie macht mich süchtig, voller Verlangen und Sehnsucht, derer ich nicht mehr Herr werden kann. Aber ich bin bereit, ihm meine Seele zu geben, weil ich weiß, dass er sie beschützen wird.
Er verschränkt seine Finger mit meinen, besiegelt wortlos das Band zwischen uns. Ein Band, das sich nicht mehr lösen lässt, und ich weiß, dass er es ebenso wie ich spürt. Er fasst auch meine zweite Hand, hält sie fest umschlungen, als wollte er mich nicht mehr gehen lassen.
Ich will nicht sein, was ich bin, doch ich kann es nicht ändern. Nur bei ihm bin ich, wer ich einmal war.