Schon als er nach Hause kam, konnte sie ihm ansehen, dass es kein leichter Tag gewesen war. In seiner Arbeit als Rettungssanitäter sah er oft schwer verletzte Menschen – bei Autounfällen, nach Prügeleien und Überfällen, bei Suizidversuchen, bei denen er schon einige Male nichts mehr hatte tun können, manchmal wurde er zu einem alten Mann oder einer alten Frau gerufen, die im Sterben lag. Und manche Einsätze waren harmlos und unnötig – über sie regte er sich auf, doch er vergaß diese Momente schnell wieder. Doch manche Momente würde er nie vergessen. Sie konnte ihm genau ansehen, dass heute wieder einer dieser Momente passiert war, als er sich erschöpft auf das Sofa fallen ließ und sich über das Gesicht rieb.
Sie legte das Gemüse beiseite, das sie für das Abendessen hatte schneiden wollen, und setzte sich schweigend zu ihm auf das Sofa, nahm ihn einfach in den Arm. Dankbar lehnte er seinen Kopf gegen ihre Schulter, während sie geduldig darauf wartete, dass er davon erzählte, was ihn bedrückte. Mit der Zeit hatte sie gelernt, dass es sich nicht lohnte, ihn zu bedrängen, dass er von sich aus erzählte, sobald er bereit dazu war, nachdem er gelernt hatte, dass es wichtig war, es nicht in sich hineinzufressen und dass sie bereit war, die Bürde mit ihm zu teilen.
Es dauerte eine lange Zeit, bis er sich endlich dazu durchrang zu sprechen: „Hast du von dem Unfall auf der Autobahn gehört?“
Als sie nickte, fuhr er mit einem Seufzen fort: „Ein LKW ist auf ein Stauende gefahren. Es gab viele Verletzte und Schwerverletzte – vor allem eine Familie in einem PKW, den der LKW direkt erwischt hat. Ein kleiner Junge saß auf der Rückbank.“ Er stockte in seiner Erzählung und sie konnte ahnen, was geschehen war. „Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Dabei hätten wir ihn retten können, wenn wir nur eher da gewesen wären!“
„Gib dir nicht die Schuld“, bat sie sanft, „Du hast alles versucht.“
„Das ist es nicht!“, rief er verzweifelt aus, „Wir waren zu langsam, weil die Leute keine Rettungsgasse gebildet haben. Stattdessen sind viele noch ausgestiegen, um sich die Beine zu vertreten! Kannst du dir das vorstellen? Die machen einen Spaziergang, weil sie ein bisschen genervt und frustriert sind, während ein kleiner Junge stirbt, eine Familie zerstört wird. Wieso sind Menschen nur so dermaßen egoistisch?“
Darauf wusste sie keine Antwort.