„Verdammt!“, fluchte er laut, als der rasende Schmerz wieder durch sein Knie schoss und er mit einem Stöhnen auf den Boden sank. Monate lag seine Verletzung jetzt zurück und er wollte endlich wieder auf das Feld und Football spielen. Er war Teamcaptain und ein sehr guter Quarterback. Gewesen. Bis zu seiner Verletzung. Die Ärzte hatten ihm gesagt, dass es unwahrscheinlich war, dass er je wieder spielen könnte, vor allem nicht auf dem Niveau, auf dem er vorher gewesen war, aber Football war sein Leben! Er hatte schon von klein auf davon geträumt, einmal mit den Großen zu spielen, umschwärmt und bejubelt. Sein Ehrgeiz brachte ihn dazu, jeden Tag hart zu trainieren, doch die Schmerzen machten ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Missmutig ließ er sich ins Gras fallen und versuchte den Schmerz auszublenden.
„Kann ich dir helfen?“ Ein Gesicht tauchte über ihm auf. Es war ein Mädchen in seinem Alter. Er war sich ziemlich sicher, dass sie in seinem Englisch-Kurs war, aber er wusste nicht mal ihren Namen. Sie war eins dieser stillen Mädchen, die nicht auffielen. Kein Wunder also, dass er sich nie näher mit ihr befasst hatte. Auf jeden Fall brauchte er keine Hilfe und schon gar nicht ihre.
„Ich komme bestens alleine zurecht!“, gab er unfreundlich zurück.
Sie ließ sich von seinem Tonfall nicht beeindrucken und verdrehte die Augen. „Na schön, dann bemitleide dich eben weiter selbst.“
Er war zu verblüfft, um sofort eine Antwort zu finden. Sie hatte sich bereits umgedreht und ging davon. „Ich bemitleide mich nicht selbst“, rief er ihr nach, als er seine Sprache wiederfand.
„Wenn du das sagst.“ Ihre Stimme klang unbeeindruckt, sie drehte sich nicht einmal um, sondern ging einfach weiter.
„Warte“, rief er. Sie hielt inne und drehte sich zu ihm um. Er biss sich auf die Unterlippe und stockte, bevor er die Worte herausbrachte: „Ich hab Schmerzen im Knie.“
„Ich weiß. Ich wollte dir ja damit helfen, aber du hast dich wie ein kleines trotziges Kind verhalten.“
„Ich habe nicht-“ Er brach ab, als er ihren spöttischen Blick sah. „Na schön. Ich war trotzig.“
„Und?“
„Und es tut mir leid. Wenn du eine Idee hast, bin ich für jede Hilfe dankbar.“
„Geht doch.“ Sie kehrte zurück und kniete sich neben ihm ins Gras. Zielstrebig griff sie an sein kaputtes Knie und er zischte, als ein rasender Schmerz durch sein Bein schoss. „Tschuldigung“, murmelte sie, während sie sein Knie abtastete. Dann drückte sie eine bestimmte Stelle und der Schmerz ließ nach.
Erstaunt schaute er sie an. „Wie hast du das gemacht?“
„Ich hab davon gelesen. Deine Muskeln haben sich verkrampft und ich habe die Anspannung gelöst. Das ist aber keine Heilung, es nimmt nur den Schmerz. Am besten würde es helfen, wenn du nicht mit einem kaputten Knie wie ein Idiot über das Feld rennst.“
„Du hast leicht reden“, murrte er missmutig, „Football spielen ist alles für mich!“
„Das ist dann sehr traurig“, entgegnete sie mitleidslos.
„Du verstehst es echt nicht. Das war mein Traum.“
„Das verstehe ich. Aber du kannst kein Football mehr spielen. Nicht wie vorher. Dein Traum ist vorbei.“
„Danke für dein Mitgefühl.“
„Was hilft es dir, wenn ich dich anlüge? Du kannst einen neuen Traum finden. Es ist okay, traurig zu sein, weil du deinen Traum loslassen musst, aber wenn du dich weiter so verzweifelt an ihn klammerst, ruinierst du dir womöglich das Knie endgültig und kannst nie wieder laufen. Willst du das etwa? Es tut mir leid für dich, aber du bist nicht der Einzige, dem so etwas passiert. Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt. Und je eher du das einsiehst, desto eher kannst du deine Kräfte darauf verwenden, einen neuen Traum zu finden.“
Er schwieg eine Weile, dachte über ihre Worte nach. Sein Verstand sagte ihm, dass sie Recht hatte, doch sein Herz wog bei ihren Worten schwer. Er konnte doch nicht einfach aufgeben, was ihn ausmachte! Aber vielleicht sah er es wirklich zu eng. Er war doch wirklich nicht nur Football, er war mehr als das. „Du bist sehr direkt“, sagte er nach einer Weile, in der er sie stumm gemustert hatte.
„Du solltest an eine Karriere als Sherlock Holmes denken, Mr. Offensichtlich“, schlug sie sarkastisch vor.
„Und frech“, ergänzte er grinsend.
„Ja, stell dir vor“, spottete sie weiter.
„Aber du bist immer so still im Unterricht.“
„Ich sage halt nur was, wenn ich was zu sagen habe. Und ich konnte dich selbstmitleidigen Trauerkloß nicht so hier liegen lassen.“
„Ich habe nicht-“, wollte er erneut widersprechen und gab auf, als er ihren strengen Blick sah. „Okay, na schön, ich habe mich in Selbstmitleid gebadet. Zufrieden?“
„Solange du jetzt damit aufhörst.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Sorry, ich muss los.“ Sie stand auf, nahm ihre Tasche und ging.
Er schaute ihr nach, wie sie immer weiter verschwand. Er wusste nicht, ob der Wind ihr sein leises „Danke“ hinterhertrug.