Wenn man anders ist, wird man verstoßen. Das ist die erste Lektion, die ich in meinem Leben gelernt habe. Denn ich bin eine Fee ohne Flügel und ich bin alleine auf der Welt, weil das Feenvolk mich verstoßen hat.
Tag für Tag streife ich durch Wiesen und Wälder, immer auf der Suche. Manchmal weiß ich selbst nicht, wonach ich suche. Ein Zuhause? Freundschaft? Liebe?
Mein einziger Begleiter ist ein pechschwarzer Rabe. Er war eines Tages einfach da, begleitete mich auf meinem Weg und ließ mich nie wieder allein. Zu Anfang versuchte ich noch, ihn zu verscheuchen. Ich wollte alleine sein, ich brauchte niemanden, der mich begleitete. Aber er ließ sich nicht vertreiben, blieb einfach da und hörte mir zu, wenn ich mit mir selbst sprach – oder mit ihm? Wer wusste das schon so genau?
Es kümmerte ihn nicht, dass ich eine Fee ohne Flügel war, dass ich nutzlos und verstoßen war. Er blieb trotzdem bei mir und wurde mein Freund.
Manchmal stellte ich mir vor, er wäre ein Mensch. Ein Feenmann. Ein Elf. Einfach jemand, der mir auch antwortete. Manchmal glaubte ich, der Rabe würde meine Worte wirklich verstehen. Ich stellte mir vor, was er wohl sagen würde. Ob er mich in den Arm nehmen würde, wenn er statt Flügel Arme hätte. Wie er wohl aussehen würde. Wären seine Augen so schwarz wie jetzt? So durchdringend und intelligent? Wäre sein Haar so schwarz wie sein Gefieder und so ungeordnet? Hätte er die gleiche Narbe im Gesicht?
Es ist seltsam, was der eigene Kopf mit einem macht, wenn man alleine und verlassen durch die Welt geht. Denn eigentlich fliegen alle Raben davon, wenn sie mich sehen.