Die hellen Momente sind die Schlimmsten. Es ist seltsam, dass ich es so empfinde, wo es doch die Momente sind, in denen er wieder er selbst ist und nicht das verblassende Wesen, dem jegliche Erinnerungen langsam abhandenkommen. In diesen hellen Momenten ist er wieder der großzügige, selbstlose Mann, der für alle nur das Beste will und dafür bereit ist, jedes Opfer zu bringen. Der Mann, den ich seit über 50 Jahren meine große Liebe nennen darf. Diese Momente sind die schlimmsten, weil er mich jedes Mal fragt, warum ich ihn nicht verlasse, wo er doch jeden Tag ein Stück mehr von sich selbst verliert und zu einem Schatten wird.
Jede Nacht liege ich wach, lausche seinen schweren Atemzügen, die mich seit so langer Zeit beständig in den Schlaf wiegen, dass ich nicht mehr weiß, wie ich in der Stille schlafen soll, wie ich ohne ihn auch nur eine einzige Nacht überstehen sollte. Ich lausche seinem Atem, der mir versichert, dass er noch am Leben ist. Ich höre es sofort daran, wie sich sein Atem verändert, wenn er aufwacht. Es ist, als würde er nicht nur aus dem Schlaf erwachen, sondern auch aus einem Traum, der uns immer mehr zu vereinnahmen scheint, ein Traum, der die Tage umgibt und sie irreal werden lässt. Diese hellen Momente in der Nacht sind das größte Geschenk - und die größte Qual.
Die Momente werden seltener. Er schwindet immer mehr dahin.
Aber ich verlasse ihn nicht. Und meine Antwort ist immer die gleiche: Weil ich ihn liebe. In guten wie in schlechten Zeiten.