„Vielleicht ist es besser, manche Menschen nicht an ein Leben zu binden, dass sie nicht führen wollen“, murmelte er, die Worte so schwer wie Blei in seinem Magen. Die Erkenntnis gefiel ihm nicht, aber es fiel ihm schwer, sie noch länger leiden zu sehen, gekettet an ein Leben, das ihr kein Glück, keine Freude bot. Ein Leben, das sie lieber verlassen wollte, es aber nicht tat, weil er sie gebeten hatte zu bleiben. Er wusste selbst nicht mehr, warum. Weil er geglaubt hatte, dass es Hoffnung für sie gab? Oder war es doch nur die Selbstsucht gewesen, die ihn dazu getrieben hatte, weil er sich nicht vorstellen konnte, ohne sie zu leben?
Ihre Freundin schaute ihn an. „Also willst du sie einfach sterben lassen? Sie ist deine Schwester!“
Mit einem traurigen Lächeln schaute er zu seiner Schwester hinüber, die im Garten stand, die Regentropfen auf sich niederprasseln ließ, als würde sie nicht spüren, wie sie sie komplett durchnässten. Ihre Tränen vermischten sich mit dem Regen. Die Last ihres Lebens lag ihr wie ein schwerer Block auf den Schultern, drückte sie nieder und es tat ihm im Herzen weh, sie so zu sehen. Er hatte alles versucht, hatte mit ihr gekämpft und ihr immer zur Seite gestanden. Vielleicht hätte er von Anfang an auf sie hören sollen, als sie ihm sagte, es sei ein aussichtsloser Kampf. Dennoch hatte sie sich bemüht, hatte sich dem Krieg in ihr gestellt – ihm zuliebe. Doch jeden Tag verlor sie ein Stück mehr von sich selbst, er konnte es in ihren Augen sehen. Vielleicht war es falsch, ihr weiterhin die Kraft abzuverlangen, weiter zu kämpfen. Vielleicht war es an der Zeit, sie ihren Weg bestimmen zu lassen.
Er wandte den Blick von ihr ab und schaute in die Augen ihrer Freundin, die mit ihnen gekämpft hatte, aber noch nicht bereit schien, sie gehen zu lassen. Er las den Vorwurf in ihren Augen, den Schmerz, weil sie genau wusste, dass er recht hatte, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte.
„Ich glaube, es ist an der Zeit, sie bestimmen zu lassen. Ich werde jeden Weg mit ihr gehen, egal wofür sie sich entscheidet, weil ich weiß, dass sie den Weg gehen wird, der sie glücklich macht.“
Die Träne, die über ihre Wange rann, war ein Spiegelbild seiner eigenen.
Manchmal musste man einen geliebten Menschen gehen lassen, egal, wie viel Kummer es einem bereiten mochte, wie viel Schmerz.