Meister des Gartens
Die Blumen schätzen ihn
Auch ich
Der Gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris), auch Tauwurm oder Aalwurm genannt, ist die bekannteste und eine der häufigsten und größten Regenwurmarten Europas. Er besitzt einen langgestreckten zylindrischen Körper mit zugespitztem Vorder- und abgeflachtem, stumpfen Hinterende. Welcher von einer leicht irisierenden Cuticula umhüllt wird. Darunter ist er rötlich bis bräunlich gefärbt, wobei der Rücken des Wurms in der vorderen Hälfte deutlich dunkler bis braunviolett ist und nach hinten heller wird. Ein Regenwurm eben, wie man ihn kennt.
Doch woher kommt eigentlich der Name "Regenwurm", für die meisten kommt es wohl daher, dass die Würmer bei Regen (und kurz danach) ihre Wohnröhren verlassen und sichtbar werden. Doch im 16. Jahrhundert soll der "rege Wurm", eine gängige Bezeichnung für den Regenwurm gewesen sein, weil das Tier schon damals den Gärtnern und Landwirten aufgrund seiner regen Aktivität auffiel, was dann über die Jahrhunderte vom regen Wurm zum Regenwurm wurde. Vielleicht sind es auch beide Namensursprünge, die letztlich zum Namen Regenwurm führten.
Als Ringelwurm besitzt er einen Körper, welcher in Segmente eingeteilt ist, überwiegend 135 bis 150, gelegentlich aber auch bis 180. Diese Segmente werden mit dem Alter nahe dem Hinterleib gebildet und sind so etwas wie "Jahresringe". Jahresringe in Anführungszeichen, weil ein Regenwurm nur etwa zwei Jahre alt wird, es handelt sich also um deutlich kleinere Zeitspannen. In dieser Zeit verbringt er viel Zeit im Boden, dort wühlt er umher und sucht nach Pflanzenteilen, welche er dann in seiner Wohnröhre verspeist. Als Bewohner von Wiesen und Gärten ist der Regenwurm durch seine grabende Aktivität wichtig für die dort vorherrschende Pflanzenwelt. Was den mitteleuropäischen Gärtner freut, ist in den USA und Kanada allerdings ein Problem. Hier wurde der Regenwurm ausgesetzt und vermehrt sich dort als invasive Art. Durch seinen Konsum von Laub verändert er die Nahrungskette und die Pflanzenwelt, da in verdichteten Böden andere Pflanzen gedeihen als in Böden, die von Regenwürmern umgewälzt wurden. Doch was auf der anderen Seite des großen Teichs zu viel ist, wird bei uns immer mehr zu wenig. Der Regenwurm ist auf dem Rückzug. Monokulturen aus Mais, Äcker statt Wiesen, Bodenverdichtung, Gülleflut, Glyphosat und einiges mehr vernichtet die Bestände vieler Tiere, vom Feldhasen, über Schmetterlinge bis hin zum Regenwurm.
Es ist im Übrigen keine gute Idee, einen Regenwurm zu halbieren. Zwar besitzen die Tiere ein ausgesprochenes Regenerationsvermögen, dieses nimmt aber zur Körpermitte drastisch ab. Ein in der exakten Mitte zerteilter Regenwurm ist aller Wahrscheinlichkeit nach Tod. Bewegungen, die man danach noch sieht, nicht mehr als Nervenzuckungen. Auch wenn man den Regenwurm in der Nähe seiner Enden teilt, entstehen nicht zwei Würmer, sondern wenn einer der Teile überlebt, wird es der größere der beiden Teile sein. Regenwürmer sind eben keine Seesterne und die rettet man auch nicht, in dem man sie zerteilt.
Aber wenn er sich durch Teilung nicht fortpflanzt, wie pflanzt sich der Regenwurm dann fort? Nach ungefähr einem Jahr ist er geschlechtsreif. Geschlechtsreife Regenwürmer erkennt man an dem Clitellum, auch Gürtel genannt, einer Verdickung zwischen dem 27. und dem 35. Körpersegment. Alle Regenwürmer sind Zwitter, was die Suche nach einem Paarungspartner erleichtert, den finden sich zwei Regenwürmer, können sie so definitiv die Paarung eingehen. Auf Paarungspartnersuche gehen Regenwürmer vor allem im Spätsommer und im Frühherbst. In der für die Tiere gefährlichen Paarungszeit, sie verpaaren sich in Oberflächennähe oder sogar über der Oberfläche, müssen sich beide Würmer mehrere Stunden mittels einer Schleimabsonderung miteinander verbinden, um gegenseitig die Samenzellen auszutauschen. In dieser Zeit sind sie Beutegreifern und anderen Gefahren schutzlos ausgesetzt. Sollte es jedoch gelingen sich erfolgreich zu verpaaren, wird jeder dieser Würmer bis zu 300 Eier innerhalb des nächsten Jahres legen. Die Jungtiere schlüpfen, abhängig von Nahrung und Temperatur, etwa nach einem halben bis zu einem Jahr aus Kokons.
Auch wenn wir den Regenwurm schon lange in unseren Gärten her kennen, gibt es noch vieles, was wir nicht vollständig verstehen. So wissen wir um den Umstand, dass es beim Regenwurm kryptische Arten (eine morphologisch nicht unterscheidbare Gruppe (Population) von Lebewesen, bei der eine geschlechtliche Fortpflanzung mit anderen (bisher) zur gleichen Art gerechneten Individuen jedoch nicht möglich ist oder nur nicht fortpflanzungsfähige Nachkommen erzeugt), bisher sind 2 bekannt, aber es könnte noch weitere geben. Weiter ist nicht geklärt, wo die Verbreitung dieser kryptischen Arten liegt. Man vermutet, dass die eine eher die wärmeren Zonen Mitteleuropas und die mediterranen Regionen besiedelt und die andere, Lumbricus terrestris, die kühleren Zonen Mitteleuropas und Nordeuropas. Es ist dabei vollkommen unklar, ob beide Krypto-Arten zum Beispiel in Deutschland vorkommen, falls ja, wo ihre Verbreitungen sich überlappen bzw. voneinander trennen. Und falls nein, welche der beiden bei uns lebt und warum die andere nicht bei uns leben kann. Es steckt wortwörtlich der Wurm drin, wir müssen ihn nur noch genauer zu sehen bekommen und deshalb sollten wir die Welt retten!
Bilder
Quellen
- Volker Storch, Ulrich Welsch: Kükenthal – Zoologisches Praktikum. 27. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41936-2, S. 186–197.
- E. Christian, A. Zicsi: Ein synoptischer Bestimmungsschlüssel der Regenwürmer Österreichs (Oligochaeta: Lumbricidae). In: Bodenkultur. Band 50, Nr. 2, 1999, S. 121–131.
- R.J. Blakemore: Miscellaneous earthworm types in the Natural History Museum, London (Annelida: Oligochaeta: Megadrilacea: Eudrilidae, Lumbricidae, Megascolecidae, Moniligastridae, Octochaetidae). In: Opuscula Zoologica Budapest. Band 45, Nr. 2, 2014, S. 119–155 http://opuscula.elte.hu/PDF/Tomus45_2/2_Op_Blakemore_London_Museum_worms.pdf Abgerufen am 28.04.2023
- Reginald W. Sims, Brian M. Gerard: Earthworms: Keys and Notes for the Identification and Study of the Species. In: Linnean Society of London (Hrsg.): Synopses of the British fauna. New series 31. Brill, Leiden und Boston 1985, ISBN 978-90-04-07582-5, S. 107–109.
- Lumbricus terrestris im Invasive Species Compendium https://www.cabidigitallibrary.org/doi/10.1079/cabicompendium.109385 Abgerufen am 28.04.2023
- Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 146 (Lumbricus: L. terrestris L., Regenwurm).
- İbrahim Mete Misirlioğlu, Ralitsa Teskova, Mirjana Stojanovič (2016): On the presence of Lumbricus terrestris Linnaeus 1758 (Oligochaeta, Lumbricidae) on the Balkan Peninsula: some aspects of ecology and distribution. Turkish Journal of Zoology 40: 438-444 https://journals.tubitak.gov.tr/zoology/vol40/iss3/20/ Abgerufen am 28.04.2023
- Global invasive species database, Lumbricus terrestris, http://www.iucngisd.org/gisd/species.php?sc=1555 Abgerufen am 28.04.2023
- Samuel W. James, David Porco, Thibaud Decaëns, Benoit Richard, Rodolphe Rougerie, Christer Erséus (2010): DNA Barcoding Reveals Cryptic Diversity in Lumbricus terrestris L., 1758 (Clitellata): Resurrection of L. herculeus (Savigny, 1826). PLoS ONE 5(12): e15629 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0015629 Abgerufen am 28.04.2023
- Svante Martinsson, Christer Erséus (2016): Cryptic speciation and limited hybridization within Lumbricus earthworms (Clitellata: Lumbricidae), Molecular Phylogenetics and Evolution 106: 18-27 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0015629 Abgerufen am 28.04.2023
- Ricarda Lehmitz, Jörg Römbke, Stephan Jänsch, Stefanie Krück, Anneke Beylich, Ulfert Graefe (2014): Checklist of earthworms (Oligochaeta: Lumbricidae) from Germany. Zootaxa 3866 (2): 221–245 https://www.biotaxa.org/Zootaxa/article/view/zootaxa.3866.2.3 Abgerufen am 28.04.2023
- Jörg Römbke, Wolfgang H. O. Dorow, Stephan Jänsch (2018): Distribution and diversity of earthworms (Lumbricidae) in Hesse (Central Germany): current knowledge. Soil Organisms 90 (3): 171-185.