Das Dorf am Fusse des Berges, war sehr beschaulich und es gab auch noch ein paar Häuschen, welche dem Weg entlang standen. Überall befanden sich kleine Krämerläden, welche Esswaren, Handwerkswaren, Textilien und vieles mehr, feil boten. Die Fenster waren mit Blumenkisten geschmückt und saubere Wäsche flatterte im lauen Wind. Als sie vorbeigingen, lächelten sie die meisten der anwesenden Menschen, freundlich an und begrüssten sie.
Einige jüngere und ältere Waschweiber, tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Was sie wohl besprachen?
„Die Leute hier scheinen jedenfalls sehr zufrieden zu sein und du hast ihre Herzen zurückerobert, wie es aussieht,“ stellte Pia fest. „Man sieht es an ihren Augen.“
„Ja, ich denke, wir sind auf einem guten Weg,“ erwiderte Malek lächelnd. „Nur was die Frauen dort tuscheln, weiss ich leider nicht. Vielleicht kommt ihr ihnen irgendwie bekannt vor und sie überlegen sich, woher sie euch kennen. Jedenfalls scheinen sie sehr an euch interessiert zu sein.“
Benjamin hatte das ebenfalls festgestellt und lächelte die tratschenden Damen, charmant an. Diese wurden ganz verlegen und tuschelten dann noch mehr.
„Du scheinst ihnen zu gefallen,“ scherzte der Magier.
„Das ist so die übliche Wirkung, die Benjamin auf das weibliche Geschlecht hat,“ schmunzelte Pia. „Er ist ja auch ein Hübscher!“ Sie tätschelte Benjamins Arm und dieser wich ihr, etwas peinlich berührt, aus. Malek lachte und ging weiter.
Einige Kinder und Jugendlichen, kreuzten ihren Weg und umringten sie munter schwatzend. Der Magier holte ein paar Süssigkeiten aus seiner Tasche und verteilte diese. Die Kinder jubelten und bedankten sich. Ein Junge, der nur wenige Jahre jünger als Manuel war, fragte diesen, ob er etwas mit ihnen durch die Gassen ziehen wolle. Manuel blickte fragend zu Malek und den Geschwistern herüber.
Der Magier wandte sich an den Jungen, der Manuel eingeladen hatte und sprach: „Okay, aber achte gut auf unseren Gast, Marius.“
„Alles klar,“ gab der Junge, welcher Pete irgendwie sehr ähnlich sah, zurück.
„Wenn es dunkel ist, solltest du spätestens im Schloss sein,“ meinte Pia an Manuel gewandt. Dieser nickte und dann ging er mit den Kindern und Jugendlichen, munter schwatzend, davon.
„Marius ist der älteste Sohn von Pete,“ erklärte Malek, während sie weitergingen. „Er hat jedoch nicht dieselben Talente wie Micha, der ein wenig jünger ist.“
„Eigentlich schade, dass du Micha nicht ausbilden willst,“ meinte Ben. „Du solltest dich wirklich nicht zu sehr von deiner einstigen Vergangenheit beeinflussen lassen!“
„Benjamin hat recht, du wärst sicher ein grossartiger Mentor!“ pflichtete Pia ihrem Bruder bei. „Du solltest die Vergangenheit wirklich ruhen lassen!“
„Vermutlich habt ihr Recht, aber das ist gar nicht so einfach. Nichtsdestotrotz wäre Micha wirklich ein vielversprechender Junge. Er hat beachtliche, mentale Fähigkeiten, nur weiss er sie noch nicht so richtig zu nutzen.“
„Dann unterrichte ihn doch!“
„Ach, ich fürchte mich einfach noch zu sehr davor, dass ihm einst dasselbe passieren könnte wie mir, wenn ich ihm zuviel beibringe. Das würde ich mir niemals verzeihen.“
„Und gerade darum solltest du es tun!“ rief die Frau aus.
„Damit hat Pia nicht ganz unrecht,“ stimmte Ben zu. „Du könntest Micha, gerade durch die Erfahrungen, die du gemacht hast, auf besondere Weise unterstützen. Besitzt er wirklich so grosse Gaben, dann könnte es auch gut sein, dass er eines Tages an den Falschen gerät. Hätte er stattdessen aber einen Führer wie dich an der Seite, der sich mit allen Versuchungen auskennt und diese auch überwunden hat, könnte er vielleicht viele wundervolle Dinge vollbringen.“
Malek lächelte und erwiderte: „Na gut, ich werde nochmals darüber nachdenken, nun will ich euch aber endlich mein neu renoviertes Schloss zeigen. Wir sind gleich da!“
Das breite, hölzerne Tor der Schlossanlage, stand weit offen und nur ein einzelner Wächter, bewachte es. Als er die drei sah, neigte er sein Haupt, lächelte freundlich und sprach. „Willkommen zu Hause, mein Herr!“
Malek nickte der Wache seinerseits freundlich zu und fragte: „Was gibt es Neues?“
„Nicht viel mein Herr, ausser einigen Krankheitsfällen mehr.“
Maleks Blick verfinsterte sich, als er diese Nachrichten vernahm. Er bedankte sich bei der Wache und dann blickte er die Turners ernst an.
„Noch mehr Fälle, das ist gar nicht gut. Es wird wirklich Zeit, dass wir etwas unternehmen! Wir verbringen nur eine Nacht hier im Schloss und packen alles zusammen, dann machen wir uns sogleich wieder auf den Weg!“
Kurz darauf betraten die drei Freunde die grosse Eingangshalle. Diese wurde von mächtigen Bogenfenstern, bestehend aus mehrfarbigem Glas, erhellt. Die Sonne, welche durch die Scheiben herein fiel, warf bunte Schatten auf den marmornen Boden. Eine breite Treppe, führte in die oberen Gemächer und über der Mitte dieser Treppe, prangte ein riesiges Ölgemälde!
Die Turners blieben wie angewurzelt stehen.
„Auf diesem Bild, sind ja tatsächlich wir!“ riefen sie aus.
Das Gemälde zeigte die beiden, während diese gerade das Medaillon der vier Gewalten zusammenfügten. Wie gut, erinnerten sie sich doch noch an diesen Moment! Damals war es ihnen vorgekommen, als würden sie ein zweites Mal geboren werden. Sie waren durchdrungen gewesen von göttlicher Kraft und nichts schien ihnen, in diesem Moment, unmöglich zu sein.
Das Gemälde war so lebensecht und tief berührend gemalt. Man sah den hellen Stahl, der damals vom Himmel herabgekommen war und sie durchdrungen hatte, das leuchtende, nun vollständige Medaillon, in ihren Händen. Ein überirdisches Licht glänzte auf den Gesichtern der Geschwister, die damals nur 13 und 15 Jahre alt gewesen waren. Pia war in ein wunderschönes, blaues Gewand aus hellblauer, fliessender Seide gekleidet. Um den Hals und in ihrem goldenen Haar trug sie wundervollen Schmuck, der besetzt war mit Edelsteinen, aller vier Elementfarben (Roter Achat, Tigerauge, grüner Calcit und Türkis). Benjamin trug eine dunkelblaue Hose, ebenfalls aus fliessendem Stoff und ein weisses Hemd, mit weiten Ärmeln. Um seine Stirn lag ein Band mit einem grossen Türkis in der Mitte, welche ebenfalls umgeben war mit Edelsteinen, aller Elementfarben.
„Ich wollte diesen wundervollen Moment einfach festhalten lassen,“ meinte Malek. „Diese Szene hat sich tief in mein Innerstes eingeprägt und schliesslich stellte ich einen meiner besten Künstler an, um dieses Gemälde anzufertigen. Ist es nicht wundervoll geworden? Im Hintergrund glüht sogar die Abendsonne. Immer wenn ich dieses Bild ansah, fühlte ich mich tief mit euch verbunden.“
„Ja, es ist wahrlich wunderbar!“ flüsterten die Geschwister tief bewegt.
„Ich habe dem Maler alles genauestens beschrieben, jede Einzelheit. „Es ist schön, wenn es euch auch gefällt.“
Das können wir wirklich nicht leugnen,“ entgegnet Benjamin. „Es ist so… lebensecht… als würde man diesen besonderen Moment noch einmal erleben.“
„Wir fühltes uns damals so stark, sicher und aufgehoben, waren noch voll mit kindlichem Mut und Zuversicht,“ seufzte Pia. „Ich glaube… so einen Moment, wird es nie mehr geben. Schau uns heute an… so viele Jahre sind vergangen und wir kamen unserem Auftrag als Grosse Führer, nicht wirklich nach! Nicht mal auf das Medaillon konnten wir aufpassen.“
„Seid doch nicht so hart mit euch!“ tadelte Malek. „Alles wird gut werden. Davon bin ich überzeugt. Ihr werdet auch diese Krise meistern und gestärkt daraus hervorgehen. Ihr seid noch immer dieselben, nur mit etwas mehr Lebenserfahrung.
Bald werden die Welten des Omniversums alle vereinigt werden und dann gibt es keinen Kummer, keine Angst mehr.“
„Ja, du hast recht,“ gab Pia zurück. „Ich glaube wirklich, an dieser Hoffnung müssen wir stets festhalten.“