Wie schon früher, streue ich mir etwas Feen- Staub über das Haupt und versinke kurz darauf in wohlige Dunkelheit. Es fällt mir erstaunlich leicht, die erste Phase der Meditation zu durchlaufen und ich erreiche ziemlich bald die zweite Stufe. Ich fühle mich ganz leicht und merke wie meine Seele sich von meinem Körper löst. Wie ein Frühlings Hauch, schwebe ich nun an der Zimmerdecke und halte nach meinem Bruder und Manuel Ausschau.
Ziemlich bald löst sich auch Benjamin Seele von seinem Körper, durchschimmernd und wunderschön! Telepathisch nehmen wir Verbindung miteinander auf. „Was meinst du?“ frage ich Benjamin „wird Manuel die erste Phase schaffen?“
„So wie es aussieht, ist er schon sehr gut. Schau nur! Er scheint vollkommen still zu sein! Ich erkenne seine Aura! Sie ist so wunderschön und farbig. Er ist eins mit der grossen Weltenseele. Bewundernswert! Wenn ich da an unsere ersten Meditationsversuche denke…!
Er verstummte, denn auf einmal geschah etwas Unglaubliches! Manuels Aura geriet in Bewegung und kurz darauf, löst sich ein durchschimmernder Schatten von seinem Körper. „Meine Güte!“ rufe ich aus „Das kann doch nicht wahr sein!“ Tatsächlich verlässt die Seele des Jungen den Leib und schwebt triumphierend lächelnd auf uns zu! „Ich kann es!“ hören wir ihn rufen „Ich kann es!“
„Aber Nein! Das ist unmöglich!“ ruft Benjamin „nicht bei der allerersten Meditation!“ „Es ist eigentlich nicht meine allererste Meditation. Aber sowas habe ich nun doch noch nie erlebt! Was ist nur passiert?“ Unser junger Freund schaute nun erstaunt auf seinen zurückgebliebenen Körper. „Du hast die zweite Phase der Sphärenwanderung erreicht! Das ist ganz unglaublich!“
„Ist das nicht gut, habe ich etwas falsch gemacht?“
„Nein!“ erwidere ich lachend „Du hast gar nichts falsch gemacht. Es ist nur sehr ungewöhnlich, dass du schon so weit bist.“
„Es war eigentlich ganz leicht. Ich habe meditiert und Puff, da ist das auf einmal passiert! Ich weiß gar nicht genau, wie ich es gemacht habe.“ „Unglaublich“ lachte Benjamin „einfach unglaublich!“
„Nicht unglaublicher, als so manch anderes, zwischen Himmel und Erde!“ erklingt auf einmal eine helle Stimme hinter uns. Isobia die Wanderfee, hatte sich in der Luft vor uns materialisiert! Wie immer, in ihrer astralen Erscheinungsform, trug sie ein leuchtend- weisses Gewand und ein Strahlen ging von ihr aus, welches ihr Strahlen in der grobstofflichen Welt, noch um ein Vielfaches übertraf. Manuel blickte sie voller Ehrfurcht an. Die Fee nickte ihm zu und wandte sich dann an uns. „Seid mir gegrüsst, grosse Führer! Es ist lange her.“
Tief bewegt erwidere ich: „Ja, liebe Fee, viel zu lange.“
„Daran seid auch ihr nicht so unschuldig,“ spricht Isobia, mit ernster Stimme. „Eigentlich hättet ihr früher mal wieder vorbeischauen können.“ „Aber du bist uns auch nie mehr erschienen,“ entschuldige ich mich.
„Nein, aber ihr wart auch nicht besonders offen dafür. Ihr habt stets gewartet, gedacht dass die Umwälzungen, von denen euch einst erzählt wurde, schon früher eintreten und jetzt mussten ganze 20 Jahre vergehen, bis ihr wieder einmal die deutliche Absicht verspürt habt, in die Welt der Märchen, Sagen und Legenden zurückzukehren.“
„Wir haben es irgendwie auch nicht mehr geschafft.“ Auf einmal fühle ich mich schrecklich schuldig. Isobia hatte recht, wir hätten wirklich schon früher wieder einmal unsere Freunde in der Märchenwelt besuchen können. Was nur hat uns eigentlich davon abgehalten?
Isobia sprach nun etwas versöhnlicher: „Zum Glück jedoch, vergeht die Zeit in der Märchenwelt anders und so gesehen, kam den Wesen dort, eure Abwesenheit nicht gar so lange vor. Für ein Menschenleben jedoch ist die Zeitspanne, die ihr euch nicht mehr im Reich der Märchen und Sagen habt blicken lassen, immerhin ein Viertel, bis ein Fünftel.“
Zerknirscht senke ich meinen Blick. Doch Isobias Ärger schien schon wieder verflogen und sie lächelte erneut, während sie Manuel anschaute.
„Vielleicht musstet ihr ja auch erst auf ihn warten.“ Sie streichelt unserem Freund leicht über die Wange und sprich: „Vielleicht wirst du ja nun der Führer der Grossen Führer werden.“
„Ich? Nein ganz bestimmt nicht!“ wehrte Manuel ab. „Und dennoch bist du hier und hast bereits die zweite Phase der Sphärenwanderung erreicht. Das schafft gute Voraussetzungen für das, was ihr nun sehr bald tun müsst. Es wird höchste Zeit, zurück zu kehren! Ihr habt es gespürt.“
„Du meinst es wird diesmal endlich wieder funktionieren?“ freue ich mich und fühle die Aufregung in mir aufsteigen.
„Ja, es wird funktionieren. Weil ihr nun wieder ein ganz klares Ziel, eine Aufgabe vor Augen habt.“
„Du meinst, die drei Ritter aufzuhalten?“ frage ich. „Ja, doch das alles wird sich als komplexer erweisen, als ihr euch denken könnt. Haltet einfach stets die Augen offen. Überall wo seltsame Ereignisse passieren, wo es Konflikte gibt, die ungewöhnlich sind, wo es Leute gibt, die sich sehr eigenartig und destruktiv verhalten, könnten die Ritter dahinterstecken. Wie ich schon Manuel sagte, müsst ihr euch vor ihrer Hinterlistigkeit in Acht nehmen.“ „Schade, dass ich Pia und Benjamin nicht begleiten kann,“ gab Manuel zu bedenken.
„Oh doch, du wirst sie begleiten! Schliesslich besitzen sie das Medaillon der vier Gewalten. Das wird die Türe auch für dich öffnen, mein junger Prinz, sofern du es nicht selbstständig schaffst.“
„Wirklich?“
„Ja und ziemlich bald wirst du das Medaillon sowieso nicht mehr brauchen und aus eigener Kraft durch das Omniversum zu reisen. Es liegt bereits in deinem Wesen begründet.“
„Das wäre natürlich wundervoll!“ freute sich unser Freund.
Auch mir gefällt der Gedanke sehr, dass Manuel mit uns kommt, denn ich habe ihn bereits sehr ins Herz geschlossen. Er ist für mich fast wie ein zweiter Bruder und ich glaube, dass wir von ihm auch noch viel lernen können, nicht nur er von uns.
„Dann ist es also beschlossen,“ sprach Isobia. „Baldmöglichst werdet ihr wieder ins Reich der Märchen, Sagen und Legenden reisen und eure Funktion als Führer wahrnehmen. Am besten ihr reist zuerst zu Malek. Er wird euch bestimmt weiterhelfen können. Ich wünsche euch viel Glück! Wir werden uns sicher bald wiedersehen! So lebt denn wohl!“ Mit diesen Worten verschwand Isobia und wir kehrten wieder in unsere Körper zurück.
„Das war ja echt abgefahren!“ rief Manuel begeistert. „Ich bin sprachlos, welch grosse Wunder es jenseits des grobstofflichen Daseins gibt! Und dass ich schon so weit gekommen bin… wow einfach nur Wow!“
„Ja, du hast dich echt ganz geschickt angestellt,“ lächelte Benjamin. „Unglaublich! Meditiert und Puff! Die zweite Phase der Sphärenwanderung erlernt! Da könnte man beinahe etwas neidisch werden.“ Er klopfte unserem jungen Freund auf die Schultern und meinte dann: „Dann wird es also Zeit, dass wir die nötigen Vorbereitungen für unsere Reise treffen. Damit es bald losgehen kann.“
Noch am selben Abend, packten wir alles Nötige zusammen um unsere wichtige Reise in das Reich der Märchen anzutreten. Danach sassen wir noch lange in Benjamins Zimmer und redeten über alle möglichen Dinge. Schliesslich jedoch, fallen mir beinahe die Augen zu und ich mache mich auf den Weg zurück in mein Zimmer.