Ihre düsteren Gedanken wurden zum Glück unterbrochen, als vor ihnen eine wundervolle Lichtung auftauchte. Sie war übersäht mit den schönsten Blumen. Blumen, die es teilweise auf der Erde gar nicht gab. Weidesamen, schwebten wie kleine Wattebäusche, in der sonnendurchtränkten, klaren Luft und verliehen allem, eine besonders märchenhafte Atmosphäre.
Überall tanzten bunte Schmetterlinge, Bienen und Hummeln flogen summend von Blüte zu Blüte. Inmitten dieser magischen Lichtung, standen, sichelmondartig angeordnet, acht schlanke, hohe Tannen mit goldenen Nadeln, die im Lichte funkelten. „Sie sind ja unglaublich gewachsen!“ rief Pia begeistert. „Bestimmt sind sie bereits an die 5-6 Meter hoch!“
Hungoloz nickte. „Ja, sie sind schnell gewachsen,“ sprach er während seine Augen vor Freude leuchteten.
„Ich kann es kaum glauben, dass wir wieder hier sind!“ rief die Frau und fühlte sich auf einmal wieder wie ein junges Mädchen. „Es ist so wundervoll hier! Kommt, lasst uns zu den Bäumen gehen!
Benjamin, Malek und Hungoloz folgten der Frau auf den Fuss. Als sie vor den Tannen standen, sprach der neue König des Waldes: „Seid gegrüsst ihr heiligen Bäume! Ich bin zurückgekehrt, wie versprochen.“
„Sei willkommen König des Waldes!“ ertönten mehrere leise Stimmen im Chor. „Wir sind hocherfreut dich wiederzusehen und auch euch, Grosse Führer!“ wandten sie sich dann an die Geschwister. „Wir grüssen euch auch!“ erwiderte Benjamin „Es ist lange her!“
„So lange, nun auch wieder nicht. Wie ihr wisst, vergeht die Zeit für uns Bäume anders.“
„Ihr seid wunderschön und schon so gross!“ sprach Pia, tief bewegt. Die Atmosphäre auf der heiligen Lichtung, hatte sie mittlerweile ganz in ihren Bann geschlagen.
„Wie geht es euch?“ wollte Ben wissen.
„Noch geht es uns gut. Das haben wir vor allem euch und dem König des Waldes zu verdanken. Ihr habt diese schreckliche Seuche, die unsere Baumgeschwister und auch Elfengeschwister heimsuchte, eindämmen können und Darkuloz vertrieben. Deshalb wird neue Hoffnung in den Wald einziehen und Friede und Eintracht wiederhergestellt werden.“
„Da wir gerade davon sprechen,“ meinte Hungoloz verlegen. „Wir haben einige Abtrünnig mit hierher genommen. Sie sollen in eurer Gegenwart einen Treueschwur ablegen, damit ich sicher bin, dass sie mir nicht auf einmal wieder in den Rücken fallen.“
„Das werden sie nicht,“ meinten die Bäume „dennoch war es klug von dir, sie herzubringen. Wir werden ihnen einen Schwur abnehmen, den sie nicht so einfach brechen können. Bringt sie zu uns!“
Einige von Hungoloz‘ Getreuen brachten die abtrünnigen Elfen herbei und diese fielen sogleich und ohne Aufforderung, vor den heiligen Bäumen auf die Knie. Eine lange Zeit schien lähmendes Schweigen zu herrschen. Die Bäume sprachen offensichtlich in Gedanken zu den abtrünnigen Elfen, denn auf einmal hatten einige von ihnen Tränen in den Augen. Die Bäume sprachen nun wieder im Chor, so dass es die anderen auch hören können „So legt nun also euren Schwur, auf das was wir besprochen haben ab, damit in Zukunft die Einheit des Waldvolkes und all der grossen Bäume, nie wieder ins Wanken geraten mag!
„Wir schwören es,“ stiessen die Abtrünnigen mit erstickten Stimmen hervor. „Vergebt uns, ihr heiligen Bäume!“
„Wir vergeben euch. Doch bedenkt, dass dieser Schwur bindend ist. Wenn ihr ihn nicht haltet, werden wir uns unsere Baumgeschwister euch auf ihre ganz eigene Weise richten, denn wir sehen und hören alles was ihr tut und unsere Kräfte sind, dank der Grossen Führer, wieder erstarkt. Haben wir uns klar ausgedrückt?“
„Jaja, oh heilige Bäume!“ riefen die Elfen einstimmig.
„Also dann…“ Die Tannen wendeten sich wieder an Hungoloz. „Sie erkennen nun dich als neuen König des Waldes an und sie wissen auch, dass unser Segen auf dir liegt. Erweise dich dieses Segens als würdig!“
„Das tu ich!“ sprach der blonde Elf innbrünstig. „Ich schwöre es!“
„Auch du solltest zusehen, dass du diesen Schwur halten kannst!“
„Ich werde ihn halten, ganz bestimmt!“
Erneut spürte Pia einen Stich im Herzen. Was meinten die Tannen mit dieser Aussage genau? Wussten sie, welche Gefühle Hungoloz und sie verbanden und wollten sie ihn ermahnen, seine Pflichten darüber nicht zu vergessen?
„Wie soll ich jetzt weiter mit den Abtrünnigen verfahren?“ frage schliesslich der blonde Elf.
„Ihr könnt sie wieder freilassen. Sie werden euch nicht mehr schaden und sie werden ausserdem dafür sorgen, dass alle erfahren, dass der neue König den Waldes, von uns höchstpersönlich erwählt worden ist. Wir dachten schon lange, dass dies einst deine Aufgabe sein wird. Darum schenkte dir damals die grosse, Goldene Tanne ihren Zapfen. Ihr Erbe lebt in uns weiter, wie das Erbe von Markuloz in dir weiterlebt.“ Hungoloz gab einen Befehl und die abtrünnigen Elfen, wurden von ihren Fesseln befreit. Kurz darauf, stoben diese nach allen Seiten davon.
Als jetzt nur noch seine engsten Freunde und sein Vater, um ihn herumstanden, setzte der junge Elfenfürst, seine leise Zwiesprache mit den Bäumen fort.
„Manchmal weiss ich nicht, ob ich dem allem wirklich gerecht werden kann. Markuloz war so ein besonderer Mann. So ehrenwert, weise und stark. Ich bin noch so jung, werde ich ebenfalls fähig sein, so weise zu handeln, wie es mein Grossvater einst tat?“ „Das wirst du ganz bestimmt! Du hast es schon mehrfach bewiesen.
Ausserdem…, auch dein Grossvater war einst jung,“ erwiderten die heiligen Bäume. „Und er hat auch seine Fehler gemacht.
So z.B. hat er in jungen Jahren sehr viele, verschiedene Liebschaften gehabt und die Kinder, die aus diesen Verbindungen entstanden, sehr lange verleugnet. Er kümmerte sich anfangs kaum um sie. Doch mit wachsendem Alter, zog auch mehr Weisheit in sein Herz ein und schliesslich begann er seine Kinder mehr zu unterstützen. Er tat das jedoch im Geheimen, offenbarte sich ihnen nie. Damals war er schon so sehr von seinen Pflichten als König des Waldes eingenommen, dass er gar keine Zeit für all diese Kinder gehabt hätte. Doch im Verborgenen zog er die Fäden, half ihnen ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und stand ihnen unsichtbar zur Seite. Schliesslich wurde durch seine Intervention auch das Sippen- oder Clansystem ins Leben gerufen. Viele seiner Kinder nahmen wichtige Positionen in diesem neuen System ein und stellten selbst wieder Kinder auf die Welt, die ebenfalls ihr Bestes für ihr Volk taten. Der Geist der Goldenen Tannen, war dabei stets an seiner Seite, gab ihm Ratschläge, wenn er sie brauchte, half ihm wichtige Entscheidungen zu treffen. Schliesslich wurde Markuloz zum grössten Elfenfürsten und Seher, den das Waldreich jemals gesehen hat. Du siehst also, die verschiedenen Waldelfen- Sippen, sind nicht nur in ihren Seelen miteinander verwandt, sondern auch häufig durch Blutsbande. Das ist mit ein Grund, warum ihr euch auf keinen Fall gegenseitig bekämpfen dürft. Denn ihr wisst niemals, ob ihr nicht einem nahen Verwandten, auf dem Schlachtfeld gegenübersteht.“ Tartaloz hatte sich nun ebenfalls zu Hungoloz gesellt uns sprach nachdenklich: „Ihr wollt also damit sagen, dass es nie sicher ist, ob wir nicht mit Markuloz verwandt sind?“
„Das hast du allerdingst recht,“ wisperten die Tannen „Also vertraue auf deine Eingebungen vielleicht stehst du dem König des Waldes näher, als du denkst. Dem Alten, wie dem… Neuen.“
„Was meint ihr damit?“ wollte Tartaloz erstaunt wissen und blickte fragend zu Hungoloz herüber.
„Frag jene, die dich aufgezogen haben!“ erwiderten die Tannen schlicht. Und dann, ohne weiter auf das verdutzte Gesicht von Tartaloz zu achten, wendeten sie sich wieder an Pia und Benjamin.