Auf einmal ergriffen Pia wieder schreckliche Schuldgefühle und sie sprach: „Wenn ich nur besser auf das Medaillon aufgepasst hätte, dann hätten wir all diese Probleme jetzt nicht. Es ist einfach nur schrecklich!“
Auf einmal brannten Tränen in ihren Augen. „Du darfst dir deswegen keine solchen Vorwürfe machen,“ sprach Malek und legte der Frau die Hand auf die Schulter. „Du konntest ja nicht ahnen, dass die drei Ritter es auf das Medaillon abgesehen hatten.“
„Doch eigentlich hätte ich es mir ja denken können. So ein mächtiges Artefakt, lässt man niemals unbeaufsichtigt und wenn, dann muss man es wirklich sicher verwahren.“
„Du dachstes ja auch, es sei sicher,“ mischte sich Ben ins Gespräch. „Aber wir haben die Macht und Verschlagenheit der Ritter anfangs unterschätzt.“ „Ja, wie ich damals auch die Macht der Herrn der Finsternis unterschätzt habe,“ sprach Malek. „Ich habe noch viel mehr Gründe, mir Vorwürfe zu machen. Hätte ich damals nicht all diese Sünden begangen, dann hätte es das Medaillon gar nie gebraucht, um die Verbannten wieder in ihre Heimat zurückzuholen und die Ritter hätten jetzt nicht diese Macht in ihren Händen.“
„Eure Schuldgefühle, sind gerade gar nicht zielführend,“ stellte der Greif nüchtern fest. „Zumal es keinen Grund gibt, euch so quälen.“
„Aber, Tatsache ist nun mal, dass wir… das ich, versagt habe,“ widersprach Pia.
„Auch ich habe versagt.“
„Jetzt hört aber sofort auf!“ donnerte der Greif nun so laut, dass alle zusammenzuckten und sogleich ängstlich verstummten. Die Stimme des Greifs, wurde nun wieder sanfter: „Ihr seid viel zu streng mit euch. Du Malek z.B., hast doch schon lange alles, was du damals verbrochen hast, wieder gutgemacht.“
„Das kann ich kaum glauben,“ widersprach der Magier.
„Du solltest es aber glauben!“ rief der Greif erneut tadelnd.
„Und du Pia, hättest, auch wenn du das Medaillon besser verwahrt hättest, nicht verhindern können, dass die drei bösen Ritter die Welten auch so schreckliche Weise heimsuchen. Es war schon seit die Trennung zwischen der göttlichen Welt und jener der Finsternis stattgefunden hat klar, dass das irgendwann passieren würde.
Die bösen Mächte versuchen schon seit jeher ihre Macht zu vergrössern und da viele Welten des Omniversums unter ihrem Einfluss stehen, wird es diese Umwälzungen auch geben.“
„Du meinst also, all das war sowieso schon vorausbestimmt?“ wollte Malek etwas erschrocken wissen.
„Natürlich war es nie vorausbestimmt, dass so viel Leid und Schrecken in den Welten entsteht.
Doch im Omniversum gibt es so viele unterschiedliche Geschöpfe. Sie alle haben ihren ganz eigenen Willen und sie haben dazu beigetragen, dass sich alles so entwickelt hat. Und nun… ist es kaum noch aufzuhalten. Ihr jedoch, könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass alles vielleicht doch noch eine glücklichere Wende nimmt. Darum lasst euch nicht von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen zerfressen. Das ist, wie gesagt, wenig zielführend. Denn ihr müsst gut mit euren Kräften haushalten und euch ganz auf eure Aufgaben konzentrieren.“
„Das ist aber manchmal sehr schwierig, denn wir zweifeln noch oft an uns selbst,“ erwiderte Pia. „Geht es dir manchmal nicht auch so?“
Der Feuer- Greif überlegte einen Moment, dann erwiderte er: „Na ja…, es gab bestimmt auch schon solche Momente in meinem laangen Leben. Vielleicht ein… oder zwei Mal…“
Sein Blick begegnete dem Pias und dann fügte er etwas schuldbewusst hinzu: „Vielleicht auch schon etwas öfters. Ich zweifle manchmal z.B. daran, dass ich meine Aufgabe zur vollen Zufriedenheit des Göttlichen erfüllen kann. Es ist nicht immer leicht die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit zu treffen. Es müssen stets so viele Faktoren dabei berücksichtigt werden.“ „Das kann ich mir gut vorstellen,“ erwiderte Pia „Ich glaube allen geht es mal so oder ähnlich wie uns. Also willkommen im Club!“
Diese Worte schienen das Mischwesen zu amüsieren und es sprach: „Ihr seid wirklich eine besondere Truppe. Ich mag euch! Ihr seid offen, ehrlich und mutig. Qualitäten, die sehr wichtig sind für die verrückten Zeiten, in denen wir gerade leben.“
„Ja,“ meinte Benjamin nachdenklich. „Es sind tatsächlich ziemlich verrückte Zeiten gerade.“
Der Greif musterte ihn prüfend und meinte dann: „Ihr seid aber noch wegen etwas anderem hergekommen, nicht nur wegen diesem Schlüssel. Habe ich recht?“
„Ja, das hast du. Bestimmt ist es dir nicht entgangen, dass zwischen den Trollen gerad einige schlimme Konflikte herrschen.“
Das Mischwesen nickte. „Nein, es ist mir nicht entgangen. Ich beobachte diese traurige Entwicklung schon länger und schon mehrmals hätte ich vor allem diesem… Triobald, gerne in den Hintern gebissen!“ Die Augen des Greifs verengten sich und man merkte, dass er wütend war. Dann fuhr er fort: „Allerdings musste ich zuerst noch auf den richtigen Augenblick warten. Es scheint, dieser Augenblick ist nun gekommen.“
„…Um Triobald in den Hintern zu beissen?“ fragte Benjamin trocken.
Das Mischwesen warf seinen mächtigen Adlerkopf nach hinten und lachte diesmal schallend. „Im übertragenen Sinne ja!“ prustete er und die Freunde konnten nicht anders, als in sein Lachen einzustimmen.
Schliesslich wurde der Greif jedoch wieder ernst und meinte: „Ich wurde jedenfalls hierher geschickt, um mich dieser Sache anzunehmen. Dazu musste ich jedoch zuerst auf eure Ankunft hier warten.“
„Du hast auf uns gewartet?“ wollte Ben erstaunt wissen. „Ja, denn ihr nehmt in dieser Geschichte eine wichtige Stellung ein. Euer Schicksal… oder vielmehr dein Schicksal Benjamin, ist eng mit dem Schicksal einer Person verknüpft, die wesentlich zur Lösung des Problems beitragen könnte.“
„Was genau meinst du damit?“ fragte der blonde Mann neugierig.
„Noch kann ich dir nicht mehr dazu sagen. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis du mehr erfahren wirst.
Ich empfehle euch auf jeden Fall, dass ihr hier in der Gegend erst einmal euer Nachtlager aufschlagt. Ihr könnt auch hier bei mir bleiben, wenn es euch nichts ausmacht, bei so einem furchterregenden Wesen, wie mir, zu übernachten.
„So furchterregend finde ich dich jetzt auch wieder nicht,“ meinte Pia gewinnend. „Wir wissen, dass du ein sehr gütiges Wesen bist und uns niemals etwas antun würdest. Ausserdem finde ich dein rotes Gefieder und dein rotes Fell sehr schön.“
„Schmeichlerin!“ meinte das Mischwesen und winkte etwas unwirsch mit seiner Vorderpranke ab. Doch dabei merkte man, dass die Worte der Frau es doch ziemlich berührten.
„Ich schmeichle dir nicht. Ich sage nur die Wahrheit,“ erwiderte Pia.
„Nun ja, wie auch immer!“ wieder winkte der Greif ab.
„Ihr könntet es euch zwischen meinen Pranken oder unter meinen Flügeln bequem machen, wenn ihr… wollt. Ich habe nur selten mal Besuch.“
Pia blickte zu den anderen beiden herüber: „Was meint ihr? Also ich würde schon hierbleiben.“
Die Angesprochenen blickten kurz an dem mächtigen Mischwesen empor, das so gross wie ein mittleres Flugzeug war und sie um viele Meter überragte. Unter den Fittichen eines so unbesiegbaren Wesens die Nacht zu verbringen, musste ein wahrhaft eindrucksvolles Erlebnis sein.
So erwiderten sie beide: „Also gut, dann bleiben wir also hier.“
„Ich werde uns ein paar Kissen und Matten herzaubern, um den steinigen Boden gut auszupolstern,“ meinte Malek „dann könnte das richtig kuschlig werden.“ Gesagt getan.
Kurz darauf lagen die drei Freunde sicher und weich gebettet zwischen den mächtigen, weichen Pranken des Greifs und schliefen gleich darauf selig ein.