Der Abschied von den Trollen war sehr emotional und es flossen dabei auch einige Tränen. Triandras Volk wollte Sara gar nicht mehr gehen lassen und flehten sie an, doch für immer bei ihnen zu bleiben. Aber die junge Frau meinte, dass ihre Aufgabe hier nun erfüllt sei und sie wieder in ihre Welt zurückkehren müsse.
„Bitte lass uns nicht allein, grosse Tri- Chan!“ flehten die Trolle und hielten Sara mit ihren Händen fest. „Wir wissen nicht, ob wir ohne dich den Frieden in unserem Reich dauerhaft bewahren können.“
„Doch, das könnt ihr,“ sprach die junge Frau, während sie sich sanft von den vielen Händen löste.
„Aber wirst du denn irgendwann zu uns zurückkehren?“
„Das weiss ich noch nicht. Aber mein Herz und meine Gedanken, werden stets bei euch sein. Ausserdem habt ihr nun zwei wunderbare Anführer.“ Sie deutete auf Trion und Triandra, die sich heute liebevoll an den Händen hielten. Die beiden hatten es also tatsächlich geschafft, sich ihre gegenseitige Liebe einzugestehen!
„Ausserdem,“ fügte sie noch an „wird auch der Feuer- Greif ein Auge auf euch haben. Er hat es versprochen. Sollte also irgendjemand im Trollenvolk einen weiteren Krieg vom Zaun brechen wollen, wird diese gewaltige Kreatur das auf jeden Fall zu verhindern wissen. Darum seid voller Zuversicht und bedenkt, dass sehr vieles auch in euren eigenen Händen liegt. So lebt denn wohl!“
Sara hob noch einmal ihre Hand zum Abschiedsgruss, dann stieg sie auf Silbersterns Rücken und folgte Benjamin und den anderen, die bereits ein Stück vorausgeritten waren.
Nachdem die Freunde bereits eine Stück Weg zurückgelegt hatten, stets auf der Suche nach dem Sphärentor, das Sara hierhergebracht hatte, braute sich über ihren Köpfen auf einmal ein weiterer, kleiner Gewittersturm zusammen. Kurz darauf, landete der Feuer- Greif mit rauschenden Schwingen vor ihnen. „Hallo ihr Helden!“ rief er frohgemut. „Ihr seid schon wieder auf dem Rückweg?“
„Nun ja,“ erwiderte Pia. „Es sind immerhin schon beinahe wieder drei Tage vergangen, seit wir dich das letzte Mal sahen. Du sagtest doch, dass du nochmals im Trollendorf vorbeischauen wirst, um Gericht über die restlichen Anhänger von Triobald zu halten.“
„Das werde ich auch noch tun,“ versicherte das Mischwesen. „Aber ich wurde gerade zu einer Sache, von noch grösserer Dringlichkeit abberufen. Meine drei Geschwister und ich hatten einen gemeinsamen Auftrag.“
„Tatsächlich?“ fragte Benjamin neugierig. „Darf man fragen, was für einen Auftrag?“
Der Greif verzog seinen Schnabel zu einem Art Schmunzeln und meinte: „Fragen dürft ihr immer. Leider kann ich euch aber eure Frage nicht beantworten. Jedenfalls… noch nicht.“
„Schade,“ meinte Pia. „Aber ich kann verstehen, dass die höheren Wesen, wohl auch ihre Geheimnisse haben, von denen wir nichts erfahren sollen.“ „Irgendwann werdet ihr sicher mehr erfahren. Doch erzählt! Was habt ihr als Nächstes vor?“
„Zuerst müssen wir Sara wieder zurück ins Juwelenreich bringen, dann werden wir vermutlich auch noch im Kristallreich bei Lumniuz und Manuel vorbeischauen. Als Nächstes geht wohl die Suche nach dem Medaillon der vier Gewalten und dem Schlüssel für Obislavs Welt weiter.“
„Ach ja, dieser Schlüssel… Ich habe meine Geschwister darüber befragt. Sie wollten jedoch nichts Näheres preisgeben, ausser dass ihr auf der richtigen Spur seid.“
„Das heisst also, dass entweder der Wasser- oder der Luft- Greif, einen dieser Schlüssel beaufsichtigt.“
„Ja, ich gehe stark davon aus. Doch vermutlich werden sie euch erst einmal auf die Probe stellen, bevor sie euch den Schlüssel anvertrauen.“
„Womit wir so ziemlich wieder dort wären, wo wir bereits waren.“
„Nicht ganz,“ meinte der Feuer- Greif. „Ich kann euch zumindest sagen, wo sich der Wasser- Greif zurzeit aufhält.“
„Wirklich?“ riefen die Freunde erfreut. „Wenn wir das erfahren könnten, würde uns das schon sehr helfen.“ „Also gut! Meine Schwester hält sich im Augenblick im Erdreich auf.“
„Im Erdreich?! Also in der alten Heimat von Lumniuz?“
„Genau. Sie ist zwar immer auf Achse, aber sie hat dort auf jeden Fall eine Aufgabe zu erfüllen. Scheinbar geht es im Erdreich gerade ziemlich rund.“ „Oh nein! Haben sie dort etwas auch Krieg?“
„Das könnte man so sagen. Doch am besten reist ihr selbst ins Erdreich, um euch eine Übersicht über die Lage dort zu verschaffen. Eure Hilfe ist dort bestimmt sehr willkommen.“
„Also gut,“ sprach Ben „dann wissen wir ja bereits, wo unsere nächste Reise hingehen wird.“ Sein Blick schweifte kurz zu Sara herüber und er sah, dass ein Schatten sich über deren Gesicht gebreitet hatte. Er konnte sie gut verstehen, denn das bedeutete, dass er nicht mehr sehr viel Zeit mit ihr würde verbringen können, da die Pflicht ihn bereits wieder rief. Er lächelte ihr verständnisvoll und etwas schuldbewusst zu und drückte ihre Hand, als wolle er sagen: „Bitte sei nicht zu traurig.“
Die junge Frau versuchte sich ein Lächeln abzuringen, doch es gelang ihr nicht so wirklich und auch Benjamins Herz wurde plötzlich schwer. Tja, einer der Grossen Führer zu sein, war wahrlich nicht leicht!
Der Greif, der die Gedanken des jungen Paares sah, wandte sich an Sara und meinte tröstend: „Nimm es nicht zu schwer, wenn Benjamin dich schon bald wieder verlassen muss. Es wird schlussendlich allen zum Besten dienen. Und rufe dir in deinen dunkelsten Stunden stets wieder ins Bewusstsein, welch wundervolle Dinge wir alle in dieser, gerade von Sorgen und Unruhen gebeutelten Welt, zu bewirkten vermögen. Auch du hast eine wichtige Rolle in dieser Welt, in dieser Zeit. Schau nur wieviel Wundervolles du bereits bewirken konntest! Deine Anwesenheit hier, hat den Trollen unglaublich viel gegeben und ich bin sicher, dass sie, auch dank dir, ihren Pfad weiterhin in Frieden und Einheit gehen werden. Du hast deine Sache sehr gut gemacht und bist wunderbar gestärkt daraus hervorgegangen. In dir schlummert ein grosses Potenzial, ein Potenzial das nicht nur den Trollen, sondern auch noch vielen anderen Geschöpfen dabei helfen wird, all die Umwälzungen gut zu überstehen. Silberstern hat das von Anbeginn her gewusst, darum hat er dich auch hierhergebracht.“
„Hat… Silberstern dir das mitgeteilt?“ fragte Sara überrascht.
„Aber natürlich! Er und ich sind uns in vielem sehr ähnlich.“
„Tatsächlich?“ Das Mädchen musterte Silberstern prüfend und dann wieder den Greifen. „Aber… ihr seid doch ziemlich unterschiedlich. Du bist ein… sehr mächtiges Wesen, Silberstern ist nur ein Pferd… wenn auch ein sehr Besonderes.“
„Oh ja!“ gluckste der Greif amüsiert. „Dein Silberstern ist tatsächlich ein sehr, sehr besonderes Pferd. Übrigens ein hübsches Horn, dass er da auf der Stirn hat!“
„Ein… Horn!“ rief Sara aus und blickte nochmals auf ihr Reittier. Ihre Freunde taten es ihr nach und tatsächlich! Dort wo Silberstern bisher den silbergrauen, sternförmigen Fleck gehabt hatte, ragte plötzlich ein silbrig glänzendes Horn auf..!