Vorbereitung für die Reise zum Geheimnisvollen Blauen Kristall,
die Nymphen Miranda und Kiranda
Manuel
Nun bin ich tatsächlich hier im Land der Märchen, Sagen und Legenden gelandet und habe schon so viele interessante Leute und ein wundervolles Reich kennengelernt. Das Land der hundert Juwelen entzückt mich immer wieder aufs Neue. All diese bunten Edelsteine, die überall funkeln und in denen sich das Licht, in allen Spektren, bricht. Das Schloss in dem ich mich gerade aufhalte, ist einfach herrlich! Alle Räume sind liebevoll und farbenprächtig eingerichtet. Die Wände glänzen, es gibt bunte Wandbehänge und elegante, teils prunkvolle Möbel. Harmonisch fliessende Formen und Materialien, beherrschen die Aussenanlagen und die Innenräume. Ich habe mein eigenes Gemach bekommen. Es ist in Türkis- und Blau-tönen gehalten. Die mit Aquamarinen und Türkisen besetzte Tapete, ist mit einem Muster aus Silberfarbe bemalt, darin spiegelt sich das Sonnenlicht, welches durch eine, mit luftigen Tagvorhängen umsäumte, Terrassentür fällt. Ich habe hier sogar meinen eigenen kleinen Balkon, von dem aus ich weit über das fruchtbare, hüglige Land blicken kann.
Noch immer kann ich es nicht richtig fassen, dass ich wirklich hier bin, dass es das Reich der Märchen tatsächlich gibt und Benjamin und Pia so grosses Vertrauen in mich setzen. Auch Malek und Nofrete haben mich schon ganz natürlich in ihrer Gemeinschaft willkommen geheissen. Damian ist ebenfalls sehr freundlich. Wie gerne würde ich ihm und seiner kranken Frau, etwas mehr helfen. Aber ich weiss nicht wie. Niemand weiss das so wirklich, aber ich glaube, dass wir es herausfinden werden, denn gemeinsam sind wir stark! Pia sagte mir, dass mir das Kristallreich noch besser gefallen wird. Ich bin sehr gespannt darauf! Irgendwie erfasst mich eine seltsame Aufregung, wenn die anderen vom Kristallreich sprechen. Als würde ich es bereits kennen. Auch hier im Reich der hundert Juwelen, habe ich so ein Gefühl. Es ist… als ob ich nicht das erste Mal an diesem Ort wäre. Doch das liegt sicher daran, dass Pia und Benjamin mir schon so viel davon erzählt haben.
Malek hatte sich gegen den Abend hin, wieder von seiner Kraft- Übertragung an Ismala erholt und wir genossen ein wahrlich fürstliches Mahl im grossen Speisesaal. Einige des Hofstaates waren ebenfalls eingeladen. Sie kannten und verehrten Pia und Benjamin, seit derem ersten Besuch im Märchenreich. Damals haben die beiden ja auch dafür gesorgt, dass alle Verbannten wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten, indem sie das Medaillon der vier Gewalten wieder zusammengesetzt hatten. Die Turner Geschwister erklärten mir, dass wir Aurelia die Kristallfrau aufsuchen, diese soll im geheimnisvollen, blauen Kristall beheimatet sein, durch den die beiden, das erste Mal, ins Kristallreich gelangt sind, als sie die Sphärenwanderung noch nicht beherrschten. Ululala hatte sie dann ja unterwiesen. Wie schade, dass ich ihn nicht mehr kennen lernen kann! Er muss ein ganz besonderer Mann gewesen sein. So, nun lege ich mich aber erst mal hin, damit ich Morgen ausgeruht bin.
Als das erste Tageslicht durch das hohe Fenster hereinfällt, erwache ich wieder. Ich gehe zuerst hinaus auf den Balkon und schaue mich, einmal mehr, voller Bewunderung um. Es ist einfach soo schön hier! Die Luft ist kühl und frisch und doch nicht zu kalt. Vor mir liegen die Felder und Häuser dieses fruchtbaren Landes, noch vom rot-goldenen Schein der Morgensonne, übergossen. Ihr Licht spiegelt sich in den Fenstern und den blank-polierten, teilweise mit Edelsteinen und Mosaiken geschmückten, Wänden und Strassen.
Sogleich begebe ich mich hinunter in den Speisesaal, wo erneut eine reich gedeckte Tafel auf mich wartet. Die Leute hier leben gut, ich hoffe sie geben einen Teil ihres Reichtums auch an ihr Volk weiter. Aber so wie ich Damian und die anderen einschätze, tun sie das bestimmt.
„Guten Morgen Manuel!“ begrüssen mich alle heiter. Ich bin der letzte der sich an den runden, massiven Tisch setzt, welcher aus glänzendem, rötlichem Holz besteht und mit perlmutternen Einlegearbeiten verziert ist. „Na, gut geschlafen?“ fragt mich Malek
„Ja sehr gut. Vielen Dank.“
„Das freut mich! Man schläft normalerweise sehr gut im Juwelenschloss. Die vielen, auf ganz verschiedene Bedürfnisse abgestimmten Steine und Farben, sorgen dafür. Es sieht so aus, als ob das Türkiszimmer zu dir gepasst hätte. Nun da wir also alle wieder gut ausgeruht und neu energetisiert sind, werden wir uns also auf den Weg zum magischen Kristall machen. Gleich nach dem Frühstück geht's los!“
Und so geschah es. Als die anderen und ich uns auf den Weg machten, säumten viele Menschen die Strassen. Sie jubelten uns zu, wünschten uns Glück und eine gute Reise. Sie liebten Pia und Benjamin, weil diese sie einst gerettet hatten, doch auch Malek schien von seinem Volk aufrichtig geliebt zu werden. Viele griffen nach seinen Händen, strahlten ihn an. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass dieser Mann einst ein Diener des Herrn der Finsternis gewesen sein soll. Ich bin froh, dass ich ihn so kennen lernen darf, wie er heute ist.
Nachdem wir die Schlossanlage hinter uns gelassen hatten, wandten wir uns nach Osten. Ein Naturpfad führte uns nun zwischen Felder, weiten Wiesen und kühlenden Waldstücken hindurch. Die Natur war bereits zum Leben erwacht. Die Vögel zwitscherten wundervoll und alles schwirrte vor Leben. „Ich kenne einen schönen Platz, an dem wir meditieren können,“ sprach Malek nach einiger Zeit. „Es gibt da einen wunderschönen Weiher mit Wasserfall.“ Er wandte sich nun direkt an mich: „Jener Ort hat etwas Magisches an sich. Zwei Nymphenschwestern bewohnen ihn. Sie sind wunderschön und auch sehr liebenswürdig. Sie werden uns nicht beim Meditieren stören und die Atmosphäre des Weihers wird uns dabei unterstützen, eine weitere Sphärenwanderung anzutreten.“
Kurz nachdem er das gesagt hatte, vernahm ich Wasserrauschen und mitten in dem kleinen Waldstück, dass wir durchquerten, befand sich ein malerischer Teich, mit glasklarem Wasser und einem glitzernden Wasserfall. Wie erschlagen bleibe ich stehen. Tatsächlich spüre ich sogleich die magische Atmosphäre, die hier herrscht. „Wir sollten die Nymphen kurz begrüssen,“ meinte Malek. "Am besten tut man das mit Blumen. Nymphen lieben Blumen.“ Der Magier riess zwei Heckenrosen in der Nähe ab und reichte sie mir. „Lege sie aufs Wasser, das sollte sie anlocken. Ausser sie wollen sich nicht sehen lassen, doch dann ist es auch in Ordnung.“
Mit klopfendem Herzen, trete ich an den Uferrand und lege die Blumen sorgfältig auf die Wasseroberfläche, so wie Malek mich angewiesen hat. „Irgendwie kommen da Erinnerungen hoch,“ sprach Benjamin etwas unsicher. „Die Geschichte mit der Nymphe Miowa, war eine andere,“ beruhigte ihn Malek. "Miranda und Kiranda sind friedlich und nicht erzürnt, wie Miowa damals. Sie sind uns gut gesinnt.“ Als er das sagt, erinnere ich mich an die Geschichte, die mir Pia und Benjamin einst erzählt hatten:
Es war noch ganz still, nur einige Vögel zwitscherten und die Frösche quakten. Pia legte den Blumenstrauss in das seichte Wasser. Die Wellen trugen ihn sofort mit sich fort. Benjamin rief: „Nymphe Miowa bitte zeige dich, wir haben dir ein Geschäft vorzuschlagen." Lange geschah nichts, dann jedoch, begann sich das Wasser um den Blumenstrauss herum langsam zu kräuseln und plötzlich tauchte die Nymphe, wie aus dem Nichts, auf! Ihr Anblick war so schön, dass den Geschwistern der Mund offen stehen blieb. Miowa wirkte sehr jung. Ihre Haut war glatt und weiss. Sie hatte wohlgeformte Brüste, die mit Seerosenblättern bedeckt waren. Ihr hellblondes Haar fiel ihr in glänzenden Wellen über die zarten Schultern. Ihre grossen Augen waren wie blaue Sterne und wurden von langen, schimmernden Wimpern umrahmt. Der Mund war rot und voll. Ihre Erscheinung erinnerte Pia an ein Gemälde. Kein Makel war an der Nymphe zu finden.
Miowa nahm den Blumenstrauss und roch daran, dann wandte sie sich Pia und Benjamin zu. „Was wollt ihr von mir?" fragte sie mit süsser und dennoch irgendwie bedrohlicher Stimme. „Warum habt ihr mir Blumen gebracht?"…
Damals soll die Nymphe Miowa, einige Leute des Wandvolkes gefangen gehalten haben, weil sie diese verdächtigte, ihren wertvollen Schmuck gestohlen zu haben. Durch einen Ersatzschmuck, den das Waldvolk dann im Auftrag der Geschwister angefertigt hatte, hatten sie die Nymphe wieder besänftigen können…
„Ihr habt recht, wir sind euch gut gesinnt, grosser Malek!“ vernehme ich auf einmal eine wohlklingend Frauenstimme. Und dann erscheinen sie, die Nymphen- Schwestern Miranda und Kiranda! Sie scheinen Zwillinge zu sein, denn sie gleichen sich, wie ein Ei dem anderen. Ich kann meine Augen kaum von ihnen wenden, denn sie sind wunderschön, genauso, wie Malek gesagt hat. Ihre Haare sind nachtschwarz und glänzend und bedecken ihre nackten, sichtlich wohlgeformten Oberkörper. Ihre Augen sehen aus wie Saphire, tief, glänzend und unergründlich. Doch ein freundliches Lächeln liegt auf ihrem makellosen Antlitz, als sie Malek anschauen. „Schön, dass du uns wieder einmal besuchst, grosser Magier!“ sprachen sie, wie aus einem Munde.
„Ihr habt mir gefehlt,“ erwiderte Malek charmant.
„Du uns auch,“ meinten die Teichwächterinnen, mit verführerischer Stimme. „Wen hast du denn da noch alles mitgebracht?“ Die Nymphen musterten uns neugierig. Dann trat die eine von ihnen zu mir und die andere zu Benjamin und beide liessen ihre dunkelblauen Augen, beinahe anzüglich, an uns herabwandern. „Zwei sehr hübsche, wohlgestaltete, junge Männer,“ stellten sie fest und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken vor Verlegenheit. Hilfesuchend schaue ich zu Malek herüber. Wie durch Magie, zieht es meinen Blick dann aber sogleich wieder zurück zu den Nymphen, die nur einen überaus kurzen, schleier-artigen Rock tragen. Ohne es zu wollen, wandern meine Augen von ihren schönen Gesichtern herab und bleiben an ihren wohlgestalteten Rundungen hängen. Gleich darauf schäme ich mich dafür und will erneut im Boden versinken. Benjamin scheint es ähnlich zu gehen. Die Nymphe, die bei ihm steht, tastet nun sogar seine Oberarme ab. „Stark bist du auch noch,“ sprach sie. „Willst du uns nicht mal in unserer Unterwasser Residenz besuchen.“
„Ja genau, du könntest auch kommen!“ meinte die andere Nymphe, an mich gewandt und wieder möchte ich am liebsten fliehen und bleibe doch wie angewurzelt, gebannt durch den Zauber dieser wundersamen Geschöpfe, am gleichen Ort stehen. „Vielleicht… ein anderes Mal stottere ich. „Wir müssen leider weiter.“
„Bitte zieht euren Zauber von den armen Jungs zurück,“ sprach Malek nun grinsend. „Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht.“ Dann wendete er sich an mich und Benjamin. „Nehmt es ihnen nicht übel! Nymphen mögen nun mal hübsche Männer, wie euch. Sogar bei mir haben sie schon mal ihren Zauber spielen lassen.“
„Ja, nur leider ist dieser stattliche Mann schon vergeben und gegen die grosse Liebe, sind wir machtlos,“ sprachen die Nymphen Schwestern bedauernd.
„Seid ihr denn schon vergeben ihr Süssen?“ fragen sie daraufhin mich und Benjamin.
„Noch nicht, zumindest so viel ich weiss,“ gab Pia grinsend zur Antwort. „Dann besteht ja noch Hoffnung für uns!“ freuten sich die Wassergeister. „Bitte, versteht das nicht falsch… stottere ich „ihr seid wunderschön, aber ich fühle mich noch zu jung um… naja um… ihr wisst schon.“
„Dabei bist du im besten Alter und auf dem Zenit deiner Männlichkeit. Aber wir sind scheinbar nicht wirklich eure Typen.“
Etwas Bedauern schwang in den Stimmen der beiden Schönen mit und sie zogen ihren Zauber von uns zurück. Erleichtert atme ich auf. Wenigstens fühle ich mich jetzt nicht mehr als Marionette, irgendwelcher männlicher Hormone!
„Was also führt euch hierher?“ fragten die Teichwächterinnen nun.
„Wir möchten gerne an eurem wunderschönen Gewässer meditieren und eine Sphärenwanderung zum geheimnisvollen, blauen Kristallt unternehmen,“ erwiderte Malek. „Wir müssen mit Aurelia der Kristallfrau reden. Es geht um die Seuche, die sich überall im Juwelenreich ausbreitet. Auch Königin Ismala ist betroffen.“
„Ismala!“ riefen die Nymphen erschrocken „das sind gar keine guten Neuigkeiten! Unsere besten Genesungswünsche für sie! Gerade spielt vieles verrückt. Auch in den Wasserreichen sind gewisse Dinge bereits spürbar. Es gibt Spannungen, die es sonst zwischen Wassergeistern nur selten gegeben hat. Die Undinen z.B. haben sich gegen die Meerjungfrauen und Meermänner aufgelehnt. Wir wissen noch nicht, wie es dazu kam, aber wir sind schon ziemlich besorgt.“
„Das klingt nicht gut,“ sprach Benjamin besorgt.
„Ein Grund mehr, Aurelias Rat einzuholen,“ sprach Malek. „Zum Glück sind die Grossen Führer wieder bei uns.“
„Die grossen Führer?“ wollten die Nymphen wissen. „Ja, Pia und Benjamin sind die grossen Führer.“ Er zeigte auf die Geschwister. „Sie sind es, welche das Medaillon der vier Gewalten, vor vielen Jahren einst zusammengefügt und die Verbannten zurück in ihre Heimat geholt haben.“
„Wir haben natürlich von ihnen gehört. Welch grosse Ehre, euch zu treffen!“ Die Nymphen deuteten eine leichte Verbeugung an.
„Manuel hier, ist ebenfalls ein sehr besonderer, junger Mann, darum ist er mit uns gekommen,“ stellte Malek nun auch mich vor und ich laufe rot an, vor Verlegenheit.
„Es ist schön, dass ihr da seid, dann werden wir euch jetzt auch nicht mehr länger stören. Wir hoffen ihr findet bald eine Lösung. Unsere Gedanken und guten Wünsche sind mit euch!“
„Danke! Das ist sehr freundlich von euch!“ spreche ich und kurz darauf sind die Nymphen wieder wie vom Erdboden verschwunden...