Das geheimnisvolle Labyrinth
Auf einmal fand sich Manuel in einen dunklen Labyrinth wieder. Zuerst konnte er überhaupt nichts erkennen, dann jedoch begannen an den Wänden auf einmal so etwas wie Filmszenen aufzuflammen. Erstaunt betrachtete der junge Mann das ungewöhnliche Schauspiel. Die Szenen, die ihm gezeigt wurden, waren Szenen aus seinem alten Leben als Ululala. „Ach du meine Güte!“ ging es ihm durch den Kopf. „Der Ort hier erinnert mich ein wenig an „Das Labyrinth der Erinnerungen“ durch das einst auch Benjamin und Pia gehen mussten. Aber… diese Szenen, sie liegen viel weiter zurück, als es bei ihnen damals der Fall war. „Was nur hat es damit auf sich?“ Fasziniert bewegte der Junge sich vorwärts und betrachtete all die unglaublichen Szenen, die sich da vor seinen Augen abspielten. Teilweise blieb er wie gebannt stehen und beobachtete wie sein altes Leben, in einem Kaleidoskop aus bunten Farben, an ihm vorbeizog.
Er sah, wie er einst als Ululala geboren worden war, wie er viele wichtige Prozesse durchlaufen hatte, bis er zu dem wurde, der damals Benjamin und Pia unterwiesen hatte.
All das war so fesselnd, dass Manuel ganz die Zeit vergass. Er begleitete sein alten Ich durch des Lehr- und Wanderjahre, erlebte seine Leidensmomente, seine Ängste und Hoffnungen, all seine Gefühle, noch einmal hautnah mit. Die Szenen waren so lebensecht, dass er glaubte, nur die Hand ausstrecken zu können, um wieder Teil von alledem zu werden. Und… tatsächlich war die Versuchung gross, es zu tun. Besonders als er beobachten konnte, wie er in seinem alten Dasein, die Kräfte der Magie, immer mehr in sich entfaltet hatte. „Wenn ich da jetzt reingehen könnte, könnte ich mich vielleicht besser an all meine Fähigkeiten erinnern und sie wiedererwecken,“ dachte er bei sich.
Er blickte sich vorsichtig um, um sicher zu gehen, dass ihn auch niemand beobachtete. Dann trat er näher an eine der Wände heran und streckte seine Hand aus. Tatsächlich versank diese sogleich in der steinernen Leinwand. Etwas erschrocken zog er seine Hand noch einmal zurück. „Es funktioniert!“ ging es ihm durch den Kopf „es funktioniert tatsächlich! Soll ich es wirklich wagen?“
In diesem Moment hallte eine glasklare Stimme durch das Labyrinth, welche keinen Widerspruch duldete: „Halte ein! Das ist nicht der Weg, den du beschreiten sollst, … Fürst der neuen Welt!“
Manuel zuckte zusammen und machte einen hastigen Schritt rückwärts. In dem Gang, direkt vor ihm, tauchte ein helles Licht auf. Und aus diesem Licht, trottete nun ein schneeweisses Pferd, mit einen schneeweiss gekleideten Ritter auf seinem Rücken. Der 20- jährige erkannte diesen sogleich wieder. Dieser geheimnisvolle Reiter war ihm schon einmal begegnet. Schamesröte stieg dem Jungen ins Gesicht und er stotterte:
„T… tut mir leid. Ich… äh… wollte nur…“ Der Ritter zügelte nun sein Pferd. Eine helle Aura des Lichts umgab ihn und seine grünblauen Augen blickten ernst. Sie drangen Manuel bis tief in dessen Seele hinein und der Junge sank, erdrückt von Schuldgefühlen, zu Boden. „Vergebt mir, mein Herr! Ich…hätte das nicht tun sollen.“
Der Ritter schwang sich vom Rücken seines Pferdes und trat nun ganz nahe an ihn heran. Sein Schein hüllte Manuel dabei wie ein warmer Mantel ein.
„Du hast recht. Das hättest du wirklich nicht tun sollen,“ meinte er, noch immer ernst. Doch dann streckte er dem Jungen die Hand entgegen, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. „Doch… ich kann es auch irgendwie verstehen…“
Tiefe Erleichterung ergriff Manuel und er stammelte: „Du… kannst mich wirklich verstehen?“
„Ja, denn ich weiss, welche Angst und Not dich gerade erfüllt. Doch glaube mir! Es ist an der Zeit, diese destruktiven Gedanken loszulassen, denn nur dann kannst du die Voraussetzungen schaffen, um dein altes Potenzial wiederzuerlangen!“ „Das sagten mir schon die Greife, doch… ich kann einfach nicht so richtig daran glauben.“
„Ich weiss. Aber glaubst du denn, dass es dich weitergebracht hätte, wenn du in eine Szene deines alten Lebens eingetaucht wärst?“
„Ich denke schon. Denn dann hätte ich vielleicht den Zugang zu meinen magischen Kräften besser gefunden.“
„Und… wie hast du dir das genau vorgestellt?“
Manuel überlegte, doch eigentlich wusste er es selbst nicht so richtig.
„Aber…, wenn ich ja doch nichts bewirken kann, warum werden mir all diese Szenen dann überhaupt gezeigt?“ frage er schliesslich resigniert.
„Sie sollen dir vor Augen führen, wie du als Ululala gelebt und gedacht hast. Dir zeigen, dass alles möglich ist, wenn man sich dem Fluss des Lebens und dem Alleins- Sein anvertraut. Auch als Ululala musstest du zuerst Vertrauen lernen, du musstest dich selbst durch und durch erkennen, alle Wahrheiten durchdringen, welche wichtig für deine Entwicklung waren. Eine der höchsten Wahrheiten ist, dass du Teil eines Grossen Ganzen bist. Strebe nicht ein besonderes Ziel an, sondern gib dich dem Fluss der Ewigkeit hin, fliesse mit dem, was dir in deinem Leben begegnet und erkenne, dass der Weg schlussendlich das Ziel ist.“
„Aber… ich habe nur noch so wenig Zeit. Schon bald muss ich gegen diese schrecklichen Diktatoren antreten. Vielleicht werden sie ja von den bösen Rittern unterstützt.“ „Oh ja, das werden sie bestimmt. Doch auch du bist nicht allein mein lieber Sohn! Auch wenn du es oftmals denkst. Darum wollte ich dir eine andere Szene zeigen. Allerdings eine Szene das dein Leben als Manuel betrifft. Nimm meine Hand und komm mit!“