Sara und den anderen, gefror das Blut in den Adern. So einen plötzlichen und heftigen Angriff, hätten sie jetzt doch nicht erwartet, zumal sie ja sichtbar mehrere weisse Flaggen bei sich trugen.
Das feindliche Heer wurde von einem furchterregenden, bärtigen Troll mit dichten, schwarzen Brauen, dunklen Haaren und stechenden Augen angeführt. Er und seine Leute waren alle bis an die Zähne bewaffnet. Triandras Leute hatten ihnen absolut nichts entgegenzusetzen. Dennoch formierten sich einige Männer, die wenigstens vereinzelte Schilde bei sich trugen, als Schutzlinie zwischen den beiden Armeen.
„Haltet stand!“ rief diesmal Trion. Doch Sara sah die Katastrophe bereits kommen. Sie hatten schlichtweg keine Chance, gegen diesen wütenden Ansturm. So blieb ihr nichts anderes übrig, als ein letztes Stossgebet in den Himmel zu senden und darauf zu hoffen, dass doch noch irgendein Wunder geschah. Als… auf einmal, aus dem Boden vor den gegnerischen Trollen, ein Feuerwall aufflammte, welcher die wilde Horde zum sofortigen Stillstand zwang! Einige der hinteren, feindlichen Trolle, waren auf den plötzlichen Stopp nicht gefasst und fielen über die, vor ihnen laufenden Kameraden. Ein heilloses Durcheinander entstand dabei, während durch die Menge, die sich hinter Triandra versammelt hatte, ein erleichterter Seufzer ging.
Benjamin und Pia schauten auf das unglaubliche Spektakel, dass sich ihnen hier darbot und suchten dann instinktiv den Himmel über sich nach dem Greifen ab. Tatsächlich zog dieser, direkt über dem Schlachtfeld, seine Kreise. „Das war der Greif!“ rief Pia „der Greif hat diesen Feuerwall entstehen lassen.“
Die Trolle auf ihrer Seite, schauten nun ebenfalls alle in den Himmel und jubelten dem mächtigen Mischwesen dankbar zu.
Die kriegerischen Trolle um Triobald, welche sich nun wieder einigermassen gefangen hatten, taten es ihnen nach und man vernahm auch unter ihnen einige bewundernde Rufe.
Triobald blickte finster über den Feuerwall hinweg zu Triandra und ihren Leuten herüber. „Davon lassen wir uns nicht aufhalten!“ rief er dann wutentbrannt und machte sich daran, durch den Feuerwall zu hechten. „Aber… sie tragen weisse Flaggen, Herr!“ wagte ein etwas jüngerer Troll an seiner Seite einzuwenden.
„Ach was! Diese religiösen Spinnen haben sich schon immer gerne als Pazifisten inszeniert. Denkt immer daran, wie viele sie von unseren Leuten schon getötet haben.“
„Dennoch ist im alten Kodex der Trollenvölker festgehalten, dass jemandem der mit einer weissen Flagge auf dem Schlachtfeld erscheint, die Möglichkeit zu Verhandlungen erhalten muss. Ausserdem glaube ich… sie tragen nicht einmal Waffen bei sich.“
„Keine Waffen?“ fragte Triobald. „Das glaubst du wohl selbst nicht. Die haben sie bestimmt irgendwo versteckt.“
„Ich… denke nicht. Schon deshalb müssen wir ihnen eine Chance geben. Zudem scheint ein mächtiges Wesen an ihrer Seite zu stehen!“ Er blickte hinauf zum Himmel, wo der Greif noch immer seine Kreise zog und sie mit seinen scharfen Adleraugen beobachtete. Triobald schien gar nicht begeistert davon zu sein, zu verhandeln, doch da ihm kaum etwas anderes übrigblieb, meinte er resigniert. „Also gut!“ Er hob seine Hand und all seine Getreuen, senkten ihre Waffen.
Im selben Moment verschwand der Feuerwall wieder. Nur eine kleine Flamme blieb noch zurück und schwebte auf Sara zu!
Die junge Frau blickte erstaunt auf die seltsame Erscheinung. Die kleine Flamme positionierte sich nun über ihrem Kopf und zerbarst dann in einem funkelnden Regen, der sich wie Feenstaub über Sara ergoss. Doch der Regen brannte nicht. Fasziniert streckte Sara ihre Hände aus. Um sie lag nun eine Aura warmen Lichts. „Mein Gott!“ rief Benjamin aus. „Du leuchtest ja richtig Sara! Nun ist dein grosser Moment gekommen! Sprich zu Triobald und seiner Armee!“
So fasste sich Sara ein Herz und trieb Silberstern vorwärts. Auch dieser schien in einen Hauch von Licht getaucht und sein weisses Fell und sein kostbares Zaumzeug, leuchteten und funkelten. Wieder ging ein beeindruckter Seufzer durch Triobalds Anhänger und einige senkten sogar ehrfürchtig ihr Haupt.
„Es ist Tri- Chan, Tri Chan ist wahrhaftig zurückgekehrt!“ raunten einige Stimmen.
Saras Herz klopfte so heftig, als müsse es sogleich zerspringen, doch sie hob ihre Hand und rief laut: „Wir kommen in Frieden und haben auch keine Waffen bei uns! Ich bin Tri- Chan und zu euch zurückgekehrt, um die verfeindeten Trollen- Sippen wieder zu vereinen. Lasst uns doch diesen Konflikt endlich beilegen! Davon hat schlussendlich niemand etwas. Krieg ist stets die falsche Lösung und fordert nur immer unnötige Opfer auf beiden Seiten.“
„Du willst Tri- Chan sein!“ rief Triobald aus. „Hältst du uns für schwachsinnig?! Die Geschichte von Tri- Chan ist nur ein Mythos, nichts weiter. Das ist doch nur wieder ein Trick von euch religiösen Spinnern.“
„Aber Herr,“ versuchte nun erneut der jüngere Troll einzuwenden. „Sie leuchtet doch so. Kann es nicht sein, dass sie es doch ist?“
„Blödsinn!“ polterte Triobald und strafte den jüngeren Troll mit einem vernichtenden Blick. „Das können auch nur irgendwelche magischen Tricks sein. Das hier ist bestimmt nicht Tri- Chan!“
„Aber sie sieht genauso aus, wie sie!“ mischte sich nun auch ein anderer Mann ins Gespräch. „Wir kennen doch alle das Bild, das die Männer dort drüben auf den Schultern tragen. Dieses Bild ist schon ewig verschollen, doch sie haben es scheinbar wieder gefunden und nun ist da diese Frau, die genauso aussieht, wie die einstige Friedensstifterin.“
„Hört sofort mit diesem Geschwafel auf!“ brüllte Triobald. „Sie ist nicht
Tri- Chan. Das sind alles nur miese Tricks.“
„Du irrst dich,“ sprach Sara und auf einmal kehrte tiefe Gelassenheit und Sicherheit in ihr Herz ein. „Ich bin Tri- Chan. Warum nur bist du so voller Zweifel und Hass, Triobald?“
„Weil ich diese religiösen Irrlehren, lange genug ertragen habe. Sie zerstören den Kern der Trollen- Kultur und verbreiten Angst und Schrecken mit ihren Prophezeiungen vom Untergang der alten Welt.“
„Es heisst ja nicht, dass du und deine Leute alles glauben müsst. Aber ihr dürft deswegen nicht so grausam handeln. Beendet endlich diesen Krieg! Ich bitte dich Triobald.“
„Nein! Ich werde mich nicht kampflos in die Hände dieser Fanatiker geben, die doch nur Lügen erzählen. Ich habe eine viel grösser Vision für unser Volk.“ „Eigentlich geht es dir doch nur um Macht und die Vorherrschaft im Trollenreich!“ erwiderte Sara kalt.
„Das streben Triandra und ihre… Lakaien ebenfalls an,“ erwiderte Triobald. „Nein, das stimmt nicht!“ protestierte die dunkelhaarige Frau. „Meinst du wirklich, dass die Grossen Führer…,“ sie zeigte auf Benjamin und Pia, „sonst an ihrer Seite stehen würden?“
„Grosse Führer!? Dass ich nicht lache!“ meinte Triobald und seine Stimme triefte dabei vor Sarkasmus. „Das kann auch jeder behaupten. Genauso wie jeder behaupten kann, Tri- Chan zu sein. Denn wenn das wirklich so wäre, dann würdest du auf unserer Seite stehen.“
„Da irrst du dich gewaltig! Ich könnte niemals jemanden unterstützen, der solche Verbrechen an seinem eigenen Volke begeht. Denn waren du und deine Leute es nicht, die angefangen haben ihre Brüder und Schwestern zu verfolgen und zu töten! Ich habe selbst erlebt, wie grausam und kompromisslos ihr vorgeht. Doch das ist der falsche Weg. So besinnt euch endlich und kehrt um, solange es noch möglich ist!“ „Solange es noch möglich ist?“ spottete Triobald. „Du meinst, bevor die Welt untergeht und uns alle in den Abgrund reisst? Solche Irrlehren kann ich nicht glauben.“
„Triandra und ihre Getreuen haben nie etwas solche gesagt. Sie haben nur von einer Umwälzung in den Welten gesprochen.“
„Als ob das einen grossen Unterschied machen würde. Erkennst du denn nicht, welch verderbliche Botschaften sie verbreiten? Religion ist eine Lüge, Pazifismus unter Trollen ist eine Lüge. Wir sind nun mal ein kriegerisches Volk und wir wollen uns von niemandem sagen lassen, was wir zu tun oder zu lassen haben. Wir müssen uns endlich wieder auf unser Erbe zurückbesinnen.“
„Ach ja?“ gab Sara ironisch zurück. „Was denn bitte für ein Erbe? Ein Erbe aus Jähzorn, Unbeherrschtheit und der stetigen Bereitschaft für die eigenen Ziele zu töten? Kein wirklich rühmliches Erbe. Stattdessen versündigt ihr euch tagtäglich an eurem eigenen Fleisch und Blut, an euren eigenen Leuten.“
„Die da drüben…,“ schnaubte Triobald verächtlich und seine mit den buschigen Brauen überspannten Augen, verengten sich dabei zu schmalen Schlitzen „sind nicht meine Leute!“
„Doch das sind sie! Alle Trolle sind Eins. Sie sind Ein Volk. Du jedoch, in deiner Verblendung, willst das einfach nicht einsehen Triobald! Wir sind sogar ohne Waffen hierhergekommen, um dir unseren guten Willen zu beweisen. Was willst du denn noch?“
„Ich will diese scheinheiligen Weichlinge endlich alle vom Erdboden vertilgen!“ brüllte der Troll. „Ich habe ihre Predigten und ihren Pazifismus so satt. Sie sind eine Schande für unser Volk!“
„Wie unendlich verblendet und grausam du doch bist, Triobald! Du bist es der eine Schande für das Trollen- Volk ist. Denn es gibt noch ein anderes Erbe in diesem Volk: Ehre, Loyalität, Liebe, Mut und Hingabe. Diese Eigenschaften scheinen dir jedoch vollends abhandengekommen zu sein!“
„Deine Worte triefen vor Arroganz Mädchen. Das wird dich noch teuer zu stehen kommen.“
„Willst du mir etwa drohen? Mir, Tri- Chan?“
„Du bist nicht Tri- Chan! Tri- Chan hat es nie gegeben. Ich pfeife auf all diese alten Geschichten, die nur dazu dienen den religiösen Fanatikern in unserem Volk noch Auftrieb zu verleihen. Das alles ist doch reine Manipulation!“ „Das stimmt nicht! Der Liebe und dem göttlichen Licht zu dienen ist eine Aufgabe, die wir alle haben. Auch du!“
Der dunkelhaarige Troll schnaubte erneut verächtlich und sprach: „Ich habe jetzt genug von deinen scheinheiligen Predigten Mädchen!“
Er wandte sich zu seinen Anhängern um, zog erneut sein Schwert und rief: „Los! Tötet diesen Haufen von Nichtsnutzen! Am besten diese Möchtegern Tri- Chan zuerst!“
Überraschenderweise zögerten die Männer die bisher treu zu Triobald gehalten hatten jedoch und blickten unschlüssig auf Sara, deren Antlitz noch immer strahlte wie die Sonne.
Triobald lief rot an vor Zorn. „Worauf wartet ihr denn noch!“ polterte er.
Doch sein Heer konnte sich noch immer nicht recht dazu entschliessen anzugreifen.
Und wieder war es der jüngere Troll, der sprach: „Aber Triobald, sie sind alle unbewaffnet. Das können wir nicht tun. Ausserdem, wenn dieses Mädchen jetzt wirklich Tri- Chan ist, dann… würden wir uns schwer versündigen, wenn wir sie töten.“
„Das da ist aber verdammt nochmal, nicht Tri- Chan! Begreift das doch endlich!“ brüllte der Bärtige. „Es gibt Tri- Chan nicht und gab sie auch nie!“ „Aber woher willst du das denn so genau wissen? Was wenn du dich irrst?“ „Ich irre mich nicht!“ Triobald wurde immer zorniger, denn er spürte, dass ihm die ganze Situation langsam zu entgleiten drohte. Immer mehr Gemurre erhob sich unter seinen Leuten und das gefiel ihm gar nicht. „Wollt ihr euch etwa gegen mich stellen?“ fragte er die Meuterer.
Der Jüngling an seiner Seite atmete tief durch und sprach: „Ja, ich will das nicht mehr Triobald. Ich finde Tri- Chan hat recht und ich glaube an sie.“ Mit diesen Worten verliess er die Reihen seines Heeres und stellte sich vor Sara: „Bitte vergebt mir grosse Friedensstifterin. Ich habe einen grossen Fehler begangen und ich bitte euch, mir Gnade zu erweisen.“
Sara nickte bewegt und sprach: „Es sei dir vergeben…“ sie hielt inne, um dem jungen Troll die Gelegenheit zu geben, sich vorzustellen. „Mein Name ist Triados!“ „Also Triados! Es freut mich sehr, dass du dich zu uns gesellst.“
Triobald kochte vor Zorn und schrie: „Du gemeiner Verräter!“ Dann wandte er sich an den Rest seiner Männer: „Sonst noch jemand der sich von mir abkehren will?“
Und… zu seinem grossen Schrecken, verliessen noch mehr Männer das Heer und gesellten sich zu Triados und Sara. Diese fühlte unbändiges Glück in sich aussteigen. Also hatten ihrer Worte doch etwas bewirkt? Dabei erinnerte sie sich nicht mal mehr genau daran, was sie alles gesagt hatte. Die Worte waren ihr einfach so zugeflossen und dieses Licht, das sie umgab… hatte der Greif wohl etwas damit zu tun?
Schliesslich war Triobalds Heer, sage und schreibe, um fast die Hälfte geschrumpft! Der bärtige Troll wurde zusehends nervöser und das machte ihn noch zorniger. Sein Gesicht wirkte schliesslich wie eine bärtige Himbeere, die zu viel Sonne abgekriegt hatte.
„Also gut! Ihr habt es nicht anders gewollt! Er hob sein Schwert, dessen Stahl gefährlich aufblitzte und rief seiner verbliebenen Armee zu: „Angriff!“