Sara und Trion ihrerseits, trafen um die Mittagszeit bei der besagten Höhle ein, aus der ihnen ein rötliches Licht, welches vom Gefieder des Feuergreifs erzeugt wurde, entgegen strahlte. Noch wussten sie jedoch nicht, was sie da drinnen genau erwarten würde. Sie stiegen etwas unsicher von ihren Pferden und machten sich dann langsam und vorsichtig, zu Fuss, auf den Weg zum Höhleneingang. „Meinst du, sie sind wirklich da drin?“ flüsterte Sara und bemerkte, dass sie sehr nervös war.
„Ich vermute es. Triandra sagte, dass sie zur Höhle des Greifs gegangen sind.“
„Und…, wenn sie diese… Kreatur nun gefressen hat?“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Greife fressen normalerweise keine Menschen oder andere humanoide Wesen.“
„Aber ich habe auch schon gehört, dass sie ziemlich unberechenbar sein können.“ „Das… lässt sich wohl nicht auschliessen,“ meinte Trion und umfasste den Streitkolben, den er bei sich trug, fester. Dann ging er mutig voraus.
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Währendessen sassen die Freunde gemütlich zu den Füssen des Greifs und genossen das Frühstück, dass Malek für sie hergezaubert hatte. Es gab sogar etwas Wurst und Speck dazu. Das Mischwesen ragte über ihnen auf, wie eine gewaltige Sphinx, beinahe regungslos. Sein Gefieder fing den Schein des Feuers und der Fackeln an den Wänden ein und warf es in unterschiedlichen Rot und Orangetönen zurück. Eine goldene Aura schien dabei um ihn herum zu liegen. Ein wahrhaft majestätischer Anblick!
„Habt ihr gut geschlafen?“ fragte er die Freunde. Dabei blicke er vor allem Malek mit seinen scharfen Adleraugen an. „Ja, sehr gut,“ gaben die Geschwister heiter zurück.
„Geschlafen habe ich eigentlich ganz gut,“ meinte der Magier schliesslich. „Allerdings habe ich eine Weile lang, ziemlich lebhaft geträumt…“
Er hielt einen Augenblick lang inne, als würde er überlegen, ob er von seinen Erlebnissen berichten sollte. Dann jedoch meinte er: „Ich… habe Balorion wiedergesehen. Er hat mich… im Traum zu sich gerufen.“
Sogleich hielten die Geschwister im Kauen inne und blickten Malek etwas erschrocken an. „Balorion?! Was wollte er denn von dir?“
Der Greif merkte, dass die Geschwister nicht sonderlich begeistert von dem Gedanken waren, dass der Magier diesem Balorion begegnet war. Er konnte sie gut verstehen. Der gewaltige Riese war und blieb ein unberechenbarer Faktor in der ganzen Geschichte, auch wenn sein Ziel die Unterwelt mit neuem Leben zu erfüllen, sicher ehrenwert sein mochte. Der Greif stellte sich vorerst unwissend und meinte: „Balorion? Wer ist denn das?“ Die drei Freunde erklärten ihm nun, in knappen Worten, was es mit Balorion genau auf sich hatte. Auch Malek schien die ganze Sache eher unangenehm zu sein. Dennoch zeigte seine Offenheit, dass er dem Mischwesen vertraute. „Balorion meinte, dass ich einer seiner Avatare auf der Welt bin,“ berichtete er.
„Da war so ein komischer, schwarzer Druide, welcher mir sogar einst seine Gefolgschaft anbieten wollte. Diese… schwarzen Druiden dienten mir schon, als ich noch… böse war. Sie wussten davon, dass ich dieser Avatar bin, und auch darum haben sie mir die Treue gehalten. Doch ich will nichts mehr mit solch dunklen Machenschaften zu tun haben. Dennoch musste ich damals, als ich mit Pia und Benjamin in der Unterwelt war, einen Deal mit Balorion eingehen. Er war uns dann auch wirklich eine grosse Hilfe und er scheint sich ehrlich Mühe zu geben, die Unterwelt auf positive Weise umzugestalten. Doch… nun will er diese, zusammen mit seinen Schergen verlassen, um die nötigen Ressourcen für sein Vorhaben zu beschaffen. Wir ihr mittlerweile alle wisst, besitze ich den Schlüssel zur Pforte der Unterwelt und auch noch viele andere Schlüssel, die ich einst dem Herrn der Finsternis geraubt habe, als Balorion und seine Getreuen, die Teufelsstadt mit den Fluten des Blutmeeres überschwemmten und dort die Herrschaft ergriffen.“
„Diese Schlüssel, die du da in deiner Obhut hast, könnten ziemlich gefährlich für euch werden, wenn der Herr der Finsternis herausfindet, dass ihr sie habt,“ gab der Greif zu bedenken. „Auch die drei bösen Ritter könnten daran ein grosses Interesse haben.
„Ich habe die Truhe mit den Schlüsseln jedoch sehr gut versteckt,“ beschwichtigte ihn Malek. „Und niemand, ausser mir, weiss, wo sie sich befindet, nicht einmal Ben und Pia.“
„Du könntest aber dennoch von der dunklen Seite gefangen genommen und gefoltert werden, um den Standort der Truhe herauszufinden.“ „Der Greif hat leider recht,“ stimmte Pia zu. „Ich dachte mir auch, dass… das Medaillon der vier Gewalten bei mir sicher ist und… wie du siehst, hat der fahle Ritter dieses dennoch gefunden und gestohlen. Das darf mit den Schlüsseln auf keinen Fall passieren!“ „Nur keine Sorge!“ beschwichtige sie Malek. „Sie sind gut genug verwahrt, das darfst du mir glauben. Ich habe die Truhe seit unserer Zeit in der Unterwelt auch nie wieder hervorgeholt.“
„Das ist wohl auch besser so, zumindest vorerst,“ sprach der Greif. „Auf jeden Fall würde ich Balorion nicht so einfach aus der Unterwelt entlassen. So wie du ihn beschrieben hast, ist er ein sehr altes Wesen, noch aus den Zeiten, als die Welten noch nicht so wirklich geordnet waren. Er hat deshalb überhaupt keinen Begriff davon, wie er sich in der heutigen Umgebung benehmen müsste und würde wohl mit der Zeit versuchen, seine alte Macht wiederzuerlangen. Das könnte verheerende Folgen haben. Auf jeden Fall werde ich mich mal ernsthaft mit meinem Elementarfürsten darüber unterhalten. Dieser weiss sicher besser, was im Falle Balorion am klügsten ist. Vorerst werden wir uns jedoch um das kümmern, was gerade am dringlichsten ist…“
Er hielt auf einmal inne und lauschte. „Da kommt jemand!“ sprach er leise. Sogleich sprangen alle auf und lauschten ebenfalls.
„Wer das wohl sein mag?“ fragte Benjamin. Ein leises Flüstern erklang nun aus dem Gang, durch den auch sie gekommen waren. „Meinst du sie sind wirklich hier, Trion?“ fragte eine weibliche Stimme und Benjamins Herz klopfte auf einmal schneller. „Ist das… nein, aber das kann nicht sein!“
„Sara!“ rief er. „bist du das?“ Sogleich jedoch schimpfte er sich einen Narren, denn wie hätte Sara auch in die Trollen- Welt gelangen sollen? Als die Neuankömmlinge schliesslich jedoch in die grosse Wohnhöhle des Feuergreifen traten, bestätigte sich seine Vermutung tatsächlich! „Das sind Sara und… Trion!“ rief Pia begeistert und lief den beiden entgegen.
Der Troll und seine junge Begleiterin atmeten erleichtert auf und kamen den drei Freunden ihrerseits entgegen. Als sie jedoch den gewaltigen Greif erblickten, blieben sie wie angewurzelt stehen und starrten das gewaltige Mischwesen mit offenen Mündern an.
Trion löste sich als erster wieder aus seiner Erstarrung und verneigte sich etwas linkisch vor dem rotfunkelnden Geschöpf. „Sei gegrüsst… oh grosser Greif!“ stammelte er. „Wir haben bereits von dir gehört, aber deine überwältigende Erscheinung, sprengt all unsere Vorstellungen. Verzeih, dass wir dich stören. Aber… wir sind gute Freunde der Grossen Führer und...“
Der Greif verzog seinen Schnabel zu einem Art Schmunzeln und erwiderte: „Ja, das weiss ich. Ausserdem eilt dir der Ruf deiner Heldentaten bereits voraus ehrenwerter Trion.“
„M… meiner Heldentaten?“ fragte der Troll etwas überrascht. „Aber da gibt es gar nicht so viele Heldentaten.“
„Oh doch, mehr als du glaubst. Es ist nur deiner Bescheidenheit geschuldet, dass du dir dieser Heldentaten, nicht so wirklich bewusst bist. Du und auch deine bezaubernde Begleiterin, sind herzlich in meinem Bau willkommen. „D… danke,“ stammelte nun auch Sara und machte einen höflichen Knicks vor dem mächtigen Wesen. Dieses lachte jedoch und meinte: „Nur nicht so förmlich mein Kind. Freunde von Malek und den Turner Geschwistern, sind auch meine Freunde.“ Sara und die andern lachten befreit und nun wagten sie erst, sich richtig zu begrüssen.