„Davon haben wir gehört,“ erwiderte Hungoloz finster.
„Aber jetzt seid ihr ja wieder da, grosser Fürst! Welch wundervolles Geschick, dass ihr euch wieder von dieser schrecklichen Seuche erholt habt!“
„Das habe ich Pia, Benjamin und einigen anderen Freunden zu verdanken, welche alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um mich und all die anderen Unglücklichen, die an der mysteriösen Seuche erkrankt sind, zu heilen. Schliesslich haben sie ein wahres Wundermittel gefunden, das sehr effektiv ist.“
„Es gibt ein Wundermittel, das gegen diese Seuche hilft?“ erhoben sich aufgeregte Stimmen. Hungoloz‘ Stamm versammelte sich nun zahlreich um die Neuankömmlinge. Das Licht der wenigen Fackeln, die die Finsternis erhellten, tanzte golden auf ihren glücklichen Gesichtern. Die Freunde wurden mit Fragen bestürmt. Doch schliesslich gebot ihnen Tartaloz Einhalt: „Unser Fürst und seine Begleiter brauchen jetzt etwas Ruhe. Die Reise war anstrengend. Morgen dann werden euch alle Fragen nach und nach beantwortet werden.“ Er wandte sich an Pia und Benjamin: „Ihr seid selbstverständlich meine Gäste. Mein Baumhaus ist gleich dort drüben!“
Hungoloz sprach: „Ich werde euch noch kurz begleiten. Danach werde ich vermutlich in mein einstiges Heimathaus zurückkehren.“
Tartaloz nickte und als sie sich auf den Weg zu seinem Baumhaus machten, meinte er „viele Häuser sind leider mittlerweile unbewohnbar geworden, weil die Bäume, auf denen sie sich befanden, krank und brüchig geworden sind. Doch das Haus deines Vaters Makraloz steht zum Glück noch.“
Pia fragte besorgt: „Dann haben einige deines Volkes also ihr Heim verloren? Sind sie irgendwo untergekommen?“ „Bisher ja, aber wenn noch mehr Bäume anfangen abzusterben, dann könnte es eng werden.“ „Aber… das ist ja furchtbar!“
„Das kann man wohl sagen.“
„Wie nur kann so etwas passieren? Hier im Märchenwald, waren doch die Bäume immer so stark und mächtig!“
„Wie gesagt, das ist auch für uns ein grosse Rätsel,“ erwiderte Tartaloz und seine Augen waren voller Kummer.
„Wie sieht es sonst aus, habt ihr viele Kranke unter den Elfen selbst?“ wollte Hungoloz wissen.
„Bisher zum Glück noch nicht so viele.“
„Aber alle Anführer, oder potenziellen Anführer sind seltsamerweise erkrankt…,“ dachte Benjamin beunruhigt bei sich. „Ist das womöglich eine Taktik der finsteren Reiter, um den einflussreichsten Elfenstamm des Waldes, auf besondere Weise, zu schwächen? …“
Er sprach diesen Gedanken jedoch nicht aus, tauschte allerdings einen kurzen Blick mit seiner Schwester. Pia schienen ganz ähnliche Dinge zu bewegen, denn sie nickte ihm mit vielsagender Mine zu, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Sie sprach: „Gleich Morgen, werden wir unsere Medizin bei den Bäumen ausprobieren. Gibt es bei dir im Baumhaus die Möglichkeit ein kleines Feuer zu machen Tartaloz?“
„Ja, es gibt eine Kochstelle mit einer Feuerschale.“ „Das ist gut. Dann können wir noch mehr Medizin herstellen.“
„Und wie geht das?“
„Wir haben ein paar Feuerblumen mitgebracht. Diese kann man ins Feuer legen und dann vermehren sie sich. Daraus lässt sich mit Wasser und ein paar anderen Zutaten, dann ein Trank herstellen. Man kann den Kranken entweder den Trank einflössen oder auch die Feuerblumen direkt auflegen. Letzteres ist jedoch nicht so effektiv, denn dadurch werden die Blumen schneller zerstört. Denn sie befinden sich in einem Art Schutzmantel. Wenn dieser sich auflöst, während die Blume ihre Wirkung entfaltet, stirbt diese sehr bald ab. Das wollen wir so gut als möglich vermeiden. Wir müssen so oder so sparsam mit den vorhandenen Blumen umgehen. Darum haben wir auch ein paar fertige Arzneiflaschen dabei.“
Tartaloz nickte zustimmend und führte die drei Freunde nun eine hölzerne Treppe hinauf, die sich um den Stamm einer mächtigen, knorrigen Eiche wand. Das Baumhaus war gross und geräumig, mit zwei Stockwerken. Ganz zuoberst in den Zweigen befand sich sogar eine kleine, runde Aussichtsterrasse. Das Haus war so gebaut worden, dass es sich der Bewegung und den Gegebenheiten des Baumes harmonisch anpasste. Einmal mehr staunten die Geschwister über die naturverbundene Baukunst der Waldelfen. „Ihr könnt im oberen Stock schlafen, wenn ihr wollt,“ meinte
Tartaloz an sie gewandt. „Dort hat es genug Platz. Ich schlafe hier unten in der Wohnstube. Dort in der Hängematte.“ „Ist das auch bequem genug für dich?“ „Ja, ich schlafe gerne in der Hängematte, ich tu das an warmen Tagen regelmässig. Aber setzt euch doch erst einmal!“ Er deutete auf einen massiven Tisch um den einige massive Stühle mit Lehne standen. Die Sitzgruppe war aus einem Ast des Baumes herausgearbeitet worden. In einer Ecke, direkt neben einer grossen Fensterlücke, befand sich die Feuerschale über der ein mächtiger Kochtopf hing. „Ich werde uns nachher einen Eintopf aus wilden Rüben und Kartoffeln kochen,“ sprach Tartaloz. „Doch zuerst sollten wir besprechen, wie wir weiter vorgehen.“ Er holte aus einem hölzernen Schrank, neben der Kochstelle, etwas Fladenbrot und ein paar eingemachte Pilze, frische Früchte und Beeren und stellte sie vor seine Gäste. „wenigstens sind genug Esswaren da. Lavinia welche mein Haus, während meiner Abwesenheit, betreut hat, hat sich darum gekümmert.“
„Das ist sehr freundlich von ihr,“ meinte Pia „wollte sie denn nicht mit uns essen?“ „Nein, sie ist jetzt bei ihrer Familie. Aber ihr werdet sie sicher bald sehen. Sie ist übrigens die Mutter von Runkoloz. Erinnert ihr euch an Runkoloz?“ „Ja klar!“ riefen die Geschwister „war das nicht der Kleine, den wir damals aus dem Schlamm, bei Miowas Teich, gerettet haben?“
„Genau der! Er ist jetzt auch schon 10 Jahre älter. Also ungefähr 16 Jahre alt. Allerdings werden Elfen grundsätzlich viel älter als Menschen.“
„Ja, das weiss ich,“ meinte Pia und ein Schatten fiel über ihr Antlitz. Sie bemühte sich, nicht zu Hungoloz herüberzuschauen. Die Tatsache, dass er viel älter werden würde als sie, war ein Grund mehr, sich keinesfalls auf eine Beziehung mit ihm einzulassen. Sie verscheuchte die düsteren Gedanken jedoch und nahm ein Stückchen des Fladenbrots, an dem sie dann etwas lustlos herumknabberte. Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann meinte Hungoloz: „Nun erzähl uns aber mal, was sich alles in der letzten Zeit zugetragen hat Tartaloz!“