Nachdem Lumniuz und seine Freunde alle Vorbereitungen getroffen und auch noch die Gnomen der anderen Viertel kontaktiert hatten, wurde eine Kohorte von etwas zwei duzend Mann zusammengestellt. Diese bestand aus Vertretern aller Viertel (ausser natürlich dem Nordviertel). Wie damals bei den Trollen, trugen einige weisse Fahnen bei sich. Allerdings waren sie bewaffnet.
Der Wasser Greif, der für sie die Lage im Nordreich genauer unter die Lupe genommen hatte, riet ihnen diesmal sogar dazu. „Wir dürfen die Lage im Nordviertel nicht unterschätzen. Die Stimmung unter den Nordoks ist ziemlich angespannt. Irgendetwas ist dort im Gange, ich weiss jedoch noch nicht genau was. Ihr müsst vorsichtig sein.“
„Das klingt nicht gerade ermutigend,“ sprach Lumniuz. „Ich hoffe wirklich, sie lassen mit sich reden.“
„Ich glaube, um die Leute im Nordviertel zu besänftigen wird wohl etwas mehr nötig sein als zu reden,“ gab der Greif mit ernster Stimme zurück. „Meinst du, dass zwei duzend Männer überhaupt reichen werden?“
„Also ich würde auf jeden Fall noch eine Nachhut zusammenstellen, die sich anfangs jedoch im Hintergrund hält. Ich werde diese Nachhut begleiten, so kann ich alles gut im Auge behalten.“
„Alles klar,“ meinte Benjamin, dem auf einmal ziemlich mulmig zu Mute war. „Dann machen wir das so.“
Kurz darauf, machten sich alle auf den Weg Richtung Norden.
Ein Stück ihres Weges führte sie noch durchs Westreich. Doch schon bald kamen sie an den Grenzstein, der den Westen und den Norden voneinander trennte. Hier begann ein schmaler, gewundener Gang, der ihnen gar nicht geheuer war.
„Wenn uns die Nordoks jenseits dieses Ganges angreifen wollen, dann haben wir kaum eine Chance, denn hier können höchstens zwei Personen nebeneinander gehen,“ meinte Malek nachdenklich. „Sie könnten uns, einer nach dem anderen abschlachten, wenn sie es darauf angelegt hätten. Wir müssen das alles sehr gut durchdenken, Lumniuz.“
Lumniuz überlegte angestrengt, dann fragte er: „Könnten wir womöglich eure kleine Sonnenfee vorausschicken, um die Lage auszukundschaften.“ „Ja, das wäre vielleicht eine Idee,“ gab Malek zurück. „Benjamin, wäre es möglich Solaria vorzuschicken?“
„Ich werde sie mal fragen.“ Der blonde Mann wandte sich nun an die kleine Sonnenkugel, die noch immer über ihnen schwebte: „Liebe Solaria. Wäre es denkbar, dass du den Gang, der da vor uns liegt, erst einmal auskundschaften könntest?“
Die Sonnenkugel leuchtete kurz auf und Benjamin hörte auf einmal ein zartes Stimmchen in seinem Geist: „Ja das kann ich gerne tun.“
„Das wäre sehr freundlich! Vielen Dank!“
Die kleine Fee verstärkte ihren Schein noch mehr und zischte dann blitzschnell hinein, in den schmalen Durchgang. Dabei zog sie eine leuchtende Spur hinter sich her.
„Sie sieht aus wie ein kleiner Komet!“ meinte Pia beeindruckt. „Ein Segen, dass sie an unserer Seite ist.“
Kurz darauf vernahmen die Freunde lautes Poltern und Schreien, das von jenseits des Ganges zu ihnen herüberdrang. Das wiederholte sich ein paar Mal und dann war es plötzlich wieder totenstill.
„Was um alles in der Welt war das?“ fragte Pia erschrocken. „Ich hoffe Solaria ist nichts zugestossen?“
Sogleich jedoch, atmete sie erleichtert auf, denn die kleine Sonnenkugel tauchte wieder aus dem Gang auf.
Sie schwebte zu Benjamin und einmal mehr vernahm er ihre Worte in seinem Inneren: „Der Weg ist frei. Ihr müsst euch keine Sorgen mehr machen.“
„Sie sagt, die Luft ist rein!“ rief der blonde Mann in die Runde. „Lasst uns weitergehen!“
Er, Pia, Malek und Lumniuz gingen voraus, während die anderen Gnomen ihnen in Zweierreihen folgten. Der Gang den sie durchquerten war ziemlich unspektakulär und menschenleer. Es gab hier weder Tropfsteine noch Höhlenkristalle. Die Wände wirkten trostlos und karg. Solarias goldenes Licht aber, tanzte darüber hinweg und sorgte dadurch wenigstens für ein wenig Lebendigkeit.
„Da vorne ist der Ausgang!“ rief Lumniuz. „Wir müssen jetzt vorsichtig sein!“
Alle machten ihre Waffen bereit und kurz darauf war der Gang zu Ende und vor ihnen öffnete sich eine grosse Höhle!
Auf dem Boden dieser Höhle, lagen mehrere Gestalten. Als sie näher traten, erkannten sie das es sich bei ihnen um eine Gruppe von
Nordok- Wachposten handelte, die bis zu den Zähnen bewaffnet waren. „Sind sie…?“ fragte Lumniuz und eilte zu ihnen hin.
„Solaria sagt, dass sie nur bewusstlos sind,“ beruhigte ihn Ben.
„Hat sie diese Wachposten etwa ausser Gefecht gesetzt?“
„Sieht ganz so aus.“ Ben musterte die Ohnmächtigen nun ebenfalls. Einige schwarz Striemen liefen über deren Gesichter und Körper.
„Das sind Brandspuren,“ stellte Malek fest. „Ich hoffe sie sind nicht allzu schwer verletzt. Unsere kleine Sonnenfee steckt wirklich voller Überraschungen.“
„Keine Sorge! Solaria versicherte mir, dass sie schon bald wieder auf den Beinen sein werden. Am besten wir fesseln die Wachposten, damit sie beim Aufwachen, nicht noch Alarm schlagen.“
Malek nickte und zauberte kurzerhand einige Schnüre herbei. Damit fesselten sie die Nordok Gnome und setzten ihren Weg dann möglichst leise fort.
Während sie so dahingingen, fiel ihnen auf, dass das Nordviertel viel düsterer und trostloser war als alle anderen Viertel des Erdreiches. Überall lag Unrat herum und niemand kreuzte ihren Weg. „Es ist mir fast zu still hier,“ meinte Malek. „Ausserdem liegt eine Schwere und Düsternis auf diesem Ort, der mir gar nicht gefällt.“
Lumniuz erwiderte etwas bekümmert: „Es wirkt tatsächlich so, als würden wir durch eine vergessene Welt gehen. Ich habe mir das nicht so schlimm vorgestellt. Alles hier sieht so ärmlich und heruntergekommen aus. Wir hätten uns viel mehr um das Nordviertel kümmern müssen. Ich schäme mich dafür, dass wir das nicht getan haben.“
„Du warst ja auch schon ewig nicht mehr im Erdreich,“ beschwichtigte ihn Benjamin. „Deine Schuld ist das bestimmt nicht.“
„Ich glaube, wegen den vielen Anfeindungen der anderen Gnome, durch die Nordoks, hat sich auch niemand mehr wirklich hierhergewagt,“ mischte sich Pia ins Gespräch. „Man darf nicht vergessen, das Mungoluz vor kurzem einen Besuch hier machen wollte und dann von einem Unbekannten niedergestochen wurde. Da verstehe ich, dass er nicht mehr ins Nordviertel gehen wollte.“
„Dennoch… vielleicht hätte man der Sache eine andere Wende geben können, wenn man früh genug gehandelt hätte. Ich hoffe einfach, wir werden eine Lösung finden, die für alle gut sein wird…“
Lumniuz wurde jäh unterbrochen als es mehrmals hintereinander laut knallte und sich die ganze Höhle, in der sie sich gerade aufhielten, urplötzlich mit dichtem Rauch füllte. Kurz darauf, sahen sie nicht einmal mehr die Hände vor Augen.
„Vorsicht!“ rief Lumniuz „wir werden angegriffen!“
Gleich darauf spürte der Gnom, wie eiserne Hände nach ihm griffen. Dann merkte er einen harten Schlag gegen den Kopf und verlor das Bewusstsein.