„Was sollen wir jetzt bloss tun?“ Mungoluz der Älteste ging verzweifelt in seiner Wohnhöhle auf und ab. „Wir müssen Lumniuz und die Turners unbedingt finden. Man weiss ja nie, was ihnen diese Entführer alles antun.“ „Wenn es wirklich die Nordoks waren, die sie entführt haben, dann glaube ich nicht, dass sie in erster Linie vorhaben, sie zu töten,“ meinte Malek, der zusammen mit Morcheluz und dem Greifen sofort nach dem Überfall auf ihre Truppen hergekommen war. „Ich glaube eher, sie wollen mit dieser Entführung etwas erreichen. Vielleicht wollen sie dich und die anderen Gnomen Viertel damit erpressen.“
„Ich vermute etwas Ähnliches,“ stimmte der Greif, der immer noch so gross wie ein Wolf war, ihm zu. „Allerdings sagt mir ein Gefühl, dass da noch etwas weitaus Grösseres dahintersteckt.“
„Ein Grund mehr, warum wir die drei unbedingt finden müssen!“ sprach der Älteste besorgt.
„Leider wurde der Haupt- Zugang ins Nordreich, jedoch von den Entführern in die Luft gesprengt,“ gab Malek zu bedenken. „Das alles scheint genau geplant gewesen zu sein. Woher jedoch wussten die Entführer, was wir vorhatten? Woher wussten sie, dass Lumniuz und auch die Grossen Führer, bei uns sein würden? Entweder sie haben einen sehr guten Informanten oder jemand mit besonderen Kräften führt sie an.“
„Ich tippe eher auf Letzteres,“ sprach der Greif. „Das alles sieht mir verdächtig nach den Ränken der bösen Ritter aus.“
„Was also sollen wir tun?“ fragte Mungoluz. „Zuerst brauchen wir einen anderen Zugang zum Nordreich,“ erwiderte Malek.
„Dabei kann ich euch behilflich sein,“ anerbot sich Morcheluz, der auf einmal viel weniger steif und schnöselig wirkte. „Ich weiss, wo es so einen Zugang gibt. Allerdings führt er über einen Pfad, ausserhalb des Höhlenlabyrinths. Jedes Viertel hat solche Notausgänge, die ins Kristallgebirge führen. Man weiss ja nie, ob man sie nicht irgendwann brauchen kann.“
„Aber meinst du, dass dieser Zugang nicht auch bewacht wird?“
„Das kann schon sein. Dennoch… es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als es zu versuchen, oder?“
„Morcheluz hat recht,“ erwiderte der Greif. „Wir werden erst einmal eine kleine Truppe vorausschicken, um die Lage einzuschätzen. Du wirst sie anführen Morcheluz. Unterdessen werden Malek und ich uns ebenfalls auf die Suche begeben. Dabei werde ich einen Art Unsichtbarkeits- Zauber über uns werfen, der auch von den Rittern und ihren dunklen Schergen nicht durchschaubar ist.“
„Ich will mich auch an der Suche beteiligen!“ sprach Mungoluz. „Mir ist klar geworden, dass ich mich den Problematiken im Nordviertel endlich stellen muss. Ausserdem kenne ich mich sehr gut im Erdreich und auch dem Kristallgebirge aus.“
„Wenn du willst, kannst du dich ja Morcheluz und seiner Truppe anschliessen,“ sprach der Greif.
„Ja, das werde ich!“
Noch eine Weile sassen Malek und die anderen zusammen, um ihre Pläne bis ins Detail zu besprechen, danach machten sich alle für den kommenden Aufbruch bereit.
Hiromis Transformation
Hiromi, die kleine Höhlenelfe war schrecklich aufgeregt, weil die Sonnenfeen sie nun tatsächlich besucht hatten. Schon bald mussten sie sich dann auch den ersten Prüfungen unterziehen. Vieles wurde geprüft: Ihre mentale Stärke, ihr Wissen über die Zusammenhänge des Lebens, ihre Haltung den Mitgeschöpfen gegenüber und auch ihre Liebesfähigkeit und Hingabe an eine höhere Sache. Die Sonnentöchter machten auch verschiedene Übungen mit ihnen um sie mental, emotional und körperlich auf die bevorstehende Sonnenprobe einzustimmen. Zudem wurden sich auch sonst über alles unterrichtet, was eine Sonnenfee wissen musste und Hiromi schnitt überall sehr gut ab. Allerdings wurde sie von den Sonnenfeen manchmal wegen ihrer Eigenwilligkeit und ihrer oft übermässigen Neugier getadelt. Der Tadel war jedoch stets liebevoll und die kleine Elfe kannte ihre Schwächen ja auch selbst.
Eines Tages sprach die grosse Feenkönigin Solara zu ihr und ihren Geschwistern: „Die erste Phase unserer Tests ist nun schon bald abgeschlossen und wir glauben, dass die meisten von euch nun bereit für die erste Sonnenprobe sind.“
Vor diesem Moment hatten sich Hiromi und ihre Artgenossen immer am meisten gefürchtet und jetzt da diese letzte, gefährliche Probe unmittelbar bevorstand, kehrte die Furcht mit aller Macht in ihre Herzen zurück. Einige der Höhlenelfen erzitterten regelrecht bei dem Gedanken an die Sonnenprobe, denn sie hatten schon so oft versucht, sich wieder an die Sonne zu gewöhnen, jedoch ohne Erfolg.
„Habt keine Angst!“ beschwichtigte sie Solara. „Ihr seid jetzt gut vorbereitet und all die Übungen, die wir bisher mit euch machten, werden euch bei dieser letzten Prüfung helfen. Wir werden ganz langsam anfangen, damit eure Körper und Seelen genug Zeit haben, sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Morgen oder übermorgen fangen wir damit an.“
An diesem Abend konnte Hiromi kaum Ruhe finden. Höhlenelfen schliefen zwar sowieso nicht, aber sie hatten dennoch ihre Ruhezeiten, die sie jeweils in ihren Häusern aus Höhlenkristall zubrachten. Die kleine Elfe war jedoch so hibbelig, dass sie diese Entspannungsphase nicht wirklich geniessen konnte. Schliesslich hielt sie es nicht mehr aus und flog einfach drauflos. Sie flog und flog und versuchte ihr kleines, wild klopfendes Herz dabei zu beruhigen. Ein unbestimmter Drang, trieb sie immer weiter in eine ganz besondere Richtung. Sie vergass dabei ganz die Zeit und erschrak deshalb ziemlich, als das Höhlenlabyrinth auf einmal ein Ende nahm und sie sich in einer kleinen Aussenhöhle wiederfand. Vorsichtig schwebte sie bis zum Ausgang der Höhle und vor ihr breitete sich nun eine weite Wiese aus. Hinter dieser Wiese erhoben sich einige Gipfel der Kristallberge und über diesen Gipfeln, war bereits der erste matte Schein der langsam aufgehenden Sonne zu sehen. „Oh nein!“ dachte Hiromi. „Der Tag bricht bereits an! War ich wirklich so lange unterwegs? Sie wollte sich wieder umdrehen, um zurückzufliegen, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Wie in Trance, schwebte sie weiter hinaus auf die Wiese.
Es wurde nun immer heller und heller und langsam ging ein rotgoldener Sonnenball am Horizont auf. Kurz darauf… begannen die Schmerzen! Noch waren sie erträglich, doch je heller die Sonne wurde, desto stärker wurden sie. Hiromi stöhnte und versuchte sich an die Übungen zu erinnern, welche die Sonnenfeen mit ihnen gemacht hatten. Sie konzentrierte sich mit all ihrer Macht darauf, eins mit der Sonne zu werden, die da aufging. Versuchte sich ganz und gar an deren Licht hinzugeben. Sie litt noch immer Schmerzen, aber irgendwie hatte sie diese nun besser unter Kontrolle. Auf der Höhe ihres Herzens verspürte sie auf einmal eine gewaltige Hitze, die sich mehr und mehr ausbreitete.
„Grosser Geist, hilf mir!“ flehte sie in Gedanken, um die Angst und der Fluchtreflex, welche sie drohten zu übermannen, in Schach zu halten. „Hilf mir diese Prüfung zu bestehen! Denn ich bin eine Sonnentochter!“ Diese Worte widerhallten hundertfach in ihrem Innern „Ich bin eine Sonnentochter… Ich bin eine Sonnentochter!“ Ihr Herzzentrum begann heller und heller zu strahlen, durchdrang ihren ganzen Körper. Es war, als würde die kleine Elfe verbrennen und doch spürte sie davon kaum mehr etwas. Und dann…. loderte eine gewaltige Stichflamme auf und…aus Hiromi der Höhlenelfe, war tatsächlich eine strahlende Sonnenfee geworden!!