Rettung in letzter Sekunde
Die Eltern von Pia und Benjamin, ahnten nichts von dem was sich im Märchenreich alles abspielte. Sie hatten andere Sorgen. Denn die Zeit stand hier nicht einfach still. Alle begannen immer mehr die Folgen der grossen Umwälzungen zu spüren, die sich durch das ganze Omniversum zogen.
Daniel und Julia waren nun wieder in ihr altes Haus am Waldrand zurückgekehrt, wie sie es geplant hatten, doch sie vermissten ihre beiden Kinder schmerzlich.
„Wo mögen sie nur sein?“ fragten sie sich jeden Tag und verfolgten besorgt, all die schlimmen Ereignisse, die nun auch immer mehr Glastonbury und seine Umgebung erfassten. Es wurde immer schwieriger an gewisse Lebensmittel oder andere wichtige Ressourcen zu kommen und so stieg auch die Gefahr von Überfällen und Diebstählen.
„Mehl haben wir im Augenblick noch genug in der Vorratskammer,“ sprach July eines Tages zu ihrem Mann. „Ich werde uns etwas Brot backen, nur leider ist mir das Salz ausgegangen.“
„Damit kann ich leben,“ erwiderte Daniel „Immerhin besser als nichts. Ein paar Dosen mit eingemachten Früchten und Bohnen haben wir ja auch noch. Im Wald wachsen zudem immer noch genug Beeren, Pilze und verschiedene Kräuter. Ausserdem habe ich gestern einen wilden Bienenstock entdeckt, als ich Holz gesammelt habe.
Wildtiere scheint es auch noch genug zu geben, welche wir im Notfall jagen könnten. Aber man muss immer aufpassen, dass man dabei nicht irgendwelchen gefährlichen Wilderern begegnet. Einige von ihnen sind sehr rücksichtslos und grausam.
Gerade hörte ich auch wieder von einem Überfall in der Stadt. Acht Tote!“
„Das ist ja schrecklich!“ entsetzte sich July. „Was nur bringt diese Menschen dazu, so etwas zu tun?“
„Nun, seit zum grossen Teil der Strom ausgefallen ist, es kaum mehr Nahrungsmittel gibt und Anarchie auf den Strassen Einzug gehalten hat, bekommen es einige mit der Angst zu tun und wollen sich noch möglichst viele Ressourcen sichern und das tun sie ohne jegliche Rücksicht auf ihre Mitmenschen.“
„Das ist alles einfach so furchtbar!“ flüsterte die Frau. „Wie nur soll das noch weitergehen?“
„Ich weiss es ehrlich gesagt auch nicht,“ erwiderte Daniel und legte tröstend den Arm um seine Frau. „Aber wir dürfen jetzt nicht verzweifeln. Wenn Pia und Benjamin recht behalten, mit dem was sie uns geschrieben haben, dann bleibt uns nichts weiter übrig, als einfach zu vertrauen, dass das Göttliche uns nicht im Stich lassen wird.“
„Es fällt mir manchmal etwas schwer, keine Angst zu haben,“ gab July ehrlich zu.
„So geht es auch mir oft, aber wir dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen! Ausserdem geht es uns im Augenblick doch noch ganz gut. Wir haben immer noch zu Essen und sind bisher von den, überall grassierenden Seuchen und Unruhen, verschont geblieben.“ July nickte wieder etwas zuversichtlicher und machte sich dann ans Brotbacken.
Als die beiden gegessen hatten, gingen sie ziemlich früh ins Bett.
„Wir müssen gut ausgeruht sein,“ meinte Daniel. „Man weiss nie, was die kommenden Tage noch bringen werden.“
Seine Frau nickte zustimmend und dann legten sie sich schlafen.
Mitten in der Nacht jedoch, wurden sie brutal geweckt! Als sie noch ganz benommen ihre Augen öffneten, waren mehrere grelle Taschenlampen auf sie gerichtet, die sie so stark blendeten, dass sie die Gesichter dahinter, gar nicht richtig erkennen konnten. Julia schrie entsetzt auf und Daniel wollte aufspringen, doch da drückte ihn ein Gewehrlauf brutal in die Kissen zurück. Eine männliche Stimme schrie: „Wo habt ihr eure Vorräte und Wertsachen! Na los, raus mit der Sprache!“
„Bitte tut uns nichts!“ rief Daniel und warf sich schützend vor seine Frau. „Ich sage es euch!“
„Nein bitte!“ rief July „nehmt uns nicht unsere letzten Vorräte weg! Wir werden sonst verhungern!“
Ein weitere Gewehrlauf richtete sich nun auch auf ihre Brust. „Das kümmert uns nicht. In diesen schwierigen Zeiten haben alle Hunger. Seid froh, wenn wir euch am Leben lassen.“
„Aber…“ wollte July noch einmal einwenden, doch der Gewehrlauf drückte ihr nun eiskalt gegen die Schläfe. „Halt deine Klappe!“
„Bitte nicht!“ schrie Daniel erneut. „Ich sage euch ja, wo die Vorräte und Wertsachen sind.“
Als er den Einbrechern alles gesagt hatte, was sie wissen wollten, schwärmten jene nach allen Richtungen aus. Nur zwei blieben zurück, um das Ehepaar in Schach zu halten.
Julia zitterte wie Espenlaub und drückte sich an ihren Mann, der sie beschützend mit seinen Armen umfangen hielt. Doch auch sein Herz klopfte zum Zerspringen.
In diesem Augenblick jedoch, wurde es strahlend hell um sie! Der Schein der Taschenlampen verblasste richtiggehend, in diesem überirdischen Licht! Eine wunderschöne Frau, mit blonden, langen Locken und einem purpurnen Gewand stand auf einmal, zwischen dem Ehepaar und den zwei Einbrechern, im Raum. Fassungslos starrten Pias Eltern auf die magische Erscheinung und die beiden Verbrecher wichen entsetzt zurück. Die Frau machte eine graziöse Handbewegung, die Diebe sackten in sich zusammen und blieben reglos liegen!
Der Schein, der die Dame umhüllt hatte, verblasste nun langsam und die Turners, konnten jetzt ihr schönes Gesicht und ihre feinen Glieder, klar erkennen.
„Ihr müsst sofort weg von hier! Sie werden euch töten, wenn sie haben was sie wollen. „Bist du ein Engel?“ frage Julia tief beeindruckt. „Nicht direkt, aber das spielt jetzt auch keine Rolle! Wir müssen sofort das Haus verlassen!“
„Aber wie?“ fragte Daniel hilflos, denn sie befanden sich im oberen Stock des Gebäudes.
„Ihr müsst aus dem Fenster klettern! So hoch ist es nicht! Schnell!“
Das Ehepaar nickte und Daniel trat zur Fensterbrüstung.
„Ich gehe zuerst,“ sagte er zu seiner Frau, „dann kann ich dich unten auffangen, wenn es sein muss.“
Julia nickte zustimmend.
Daniel kletterte ins Freie, hielt sich mit seinen Händen am Sims fest und liess sich so weit hinunter, wie es ging, dann liess er los. Mit einem dumpfen Aufprall, landete er auf dem weichen Rasen unter dem Fenster.
„Es ist wirklich nicht sehr hoch!“ beruhigte er seine Frau „du musst jetzt auch rausklettern. Ich halte dich, wenn nötig.“
Julia schlug sich tapfer und bald standen sie beide auf festem Boden. Sogleich erschien die geheimnisvolle Dame wieder neben ihnen.
„Wir müssen uns beeilen. Los in den Wald!“ befahl sie. Dann lief sie dem Ehepaar voraus und kurz darauf, hatte die Dunkelheit der Bäume, die drei verschluckt.
Es kam den Eltern von Pia und Benjamin vor, als wären sie eine Ewigkeit durch die Finsternis gewandert. Die Orientierung hatten sie mittlerweile gänzlich verloren und sie folgten nur noch, mit blindem Vertrauen, der schönen Frau, deren blasser Schein ihnen den Weg wies. Endlich aber, tauchte in der Ferne ein goldenes Licht auf. „Bald sind wir am Ziel,“ sprach ihre Helferin. Die drei gingen auf das Licht zu und schliesslich erkannten Julia und Daniel, dass dieses aus dem Fenster eines hölzernen Hauses strömte. Die geheimnisvolle Dame, ging schnurstracks auf die Eingangstür zu und stiess sie auf. „Kommt rein!“ forderte sie die Turners lächelnd auf.
„Wohnst du hier?“ wollte Julia gerade fragen, doch als sie das Innere des Hauses betraten, blieben sie und Daniel wie angewurzelt stehen. Dieses Haus war genauso eingerichtet, wie ihr Altes! Nichts fehlte. Die Gegenstände auf der Wohnwand und sogar die Bücher im Büchergestell, waren identisch.
„Seht euch in Ruhe um. Eigentlich sollte nichts fehlen.“ Das Ehepaar blickte seine Helferin entgeistert an. Sie verstanden die Welt nicht mehr. „Aber…“ stotterte Daniel. „Wie… ist das möglich? Wer… bist du?“
„Ich bin eine Fee, man nennt mich Isobia. Ich habe auch euren beiden Kindern schon oft geholfen. Nun helfe ich auch euch. Macht euch keine Sorgen, hier seid ihr vollkommen sicher. Es hat sogar einige Vorräte im Keller. Ich werde euch bald wieder besuchen!“ Mit diesen Worten war die Fee so plötzlich verschwunden, wie sie gekommen war!