Benjamin und seine beiden Begleiter hatten unterdessen einen geeigneten Platz zum Meditieren gefunden. Sie riefen sich das Bild der trollischen Hohepriesterin Triandra ins Bewusstsein, welche sie damals, als sie Magdalena aus dem Trollenreich befreiten, kennengelernt hatten und beschrieben auch Malek, wie diese aussah.
Als ein deutliches Bild der Priesterin vor ihrem inneren Augen entstanden war, konzentrierten sie sich und… gleich darauf, öffnete sich vor ihnen der bunte Kanal, der sie jeweils in andere Welten führte!
Kurz darauf fanden sie sich bei einem kleinen Bauernhof, mit einem alten Schindeldach und lehmverputzten Wänden, wieder. Einige Hühner liefen hier frei herum und pickten, leise gackernd, in der Erde. Auf einer umzäunten Weide, befanden sich zwei Milchkühe, die nun laut muhten, als die drei Freunde einfach so aus dem Nichts erschienen. Die Welt der Trolle unterschied sich eigentlich nicht sehr von der irdischen Welt. Überall wuchsen hier die sogenannten Trollblumen: Blumen mit gelben, kugelförmigen Kelchen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Trollblume) Diese Trollblumen hatten eine ganz besondere Bedeutung, denn die Legende besagte, dass sie einst aus dem Blut zweier ganz besonderer Trolle gewachsen waren, welche im letzten, grossen Bürgerkrieg, ihr Leben gelassen hatten. Damals hatte es ein junges Paar gegeben. Sie stammten aus zwei verfeindeten Sippen. Als ihre Väter hinter die Verbindung der beiden kamen, wurde das Mädchen hingerichtet und ihr Liebster nahm sich, in seinem Kummer, selbst das Leben. Aus dem Blut der beiden Liebenden, entstanden dann die Trollblumen (das ist eine von mir erfundene Legende).
Die drei Freunde schauten hinauf in den blass lilafarbenen Himmel an dem, neben einer goldenen Sonne, auch eine silberne Mondsichel zu sehen war. Die Sonne blendete viel weniger, wenn man in sie hineinblickte, als es bei der irdischen Sonne der Fall war.
„Eine seltsame Welt,“ meinte Malek. „Ihr habt mir zwar schon von diesem sogenannten Tagmond berichtet, aber bisher konnte ich mir all das nicht so wirklich vorstellen.“
„Ja, das Trollenreich ist sehr interessant,“ pflichtete Benjamin bei. „Ich hoffe nur, wir finden Triandra bald. Immerhin sollte sie sich ja irgendwo in der Nähe aufhalten.“
Zusammen gingen sie um das kleine, mit Lehm verputzte Haus, herum. Dahinter befand sich ein ziemlich eindrucksvoller Gemüsegarten.
Eine schlanke Frau in einem einfachen, leinenen Gewand arbeitete hier. Ihr dunkles, langes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Die Freunde traten zögernd etwas näher. In diesem Augenblick schaute die Dame von ihrer Arbeit auf.
„Triandra!“ rief Pia und lief auf sie zu.
Die Angesprochene, welche eigentlich ein sehr hübsches Gesicht, aber eine roten Knollennase, wie alle Trolle besass, musterte die Neuankömmlinge zuerst etwas ratlos. Dann jedoch weiteten sich ihre grossen, braunen Augen vor Freude. „Pia, Benjamin!? Seid ihr das?“
„Ja, wir sind zurück!“ rief Pia und umarmte die dunkelhaarige Frau, welche ein Stück kleiner als sie war, spontan.
Die Trollen- Priesterin strahlte. „Beim grossen Schöpfer!“ rief sie „ihr seid es wahrhaftig! Die Grossen Führer sind endlich zurückgekehrt! Welch eine Freude!“ „Wir sind in einer besonderen Mission hier,“ erklärte Benjamin. „Aber zuerst will ich dir unseren guten Freund Malek vorstellen.“
„Oh ein Magier!“ rief die Priesterin mit der grössten Selbstverständlichkeit. „Woher wisst ihr, dass ich ein Magier bin?“ fragte Malek, während er Triandra respektvoll seine Hand reichte.
„Ach, so etwas sehe ich sofort,“ lächelte die Trollenfrau „nennt mich einfach Triandra. Benjamins und Pias Freunde, sind auch meine Freunde. Aber kommt doch erst einmal rein! Bei Kaffee und Kuchen lässt sich vieles besser bereden.“
Da kleine Haus, war sehr hübsch eingerichtet und in den unterschiedlichsten Gelb- und Orangetönen gehalten. Diese waren die Lieblingsfarben von Triandra, weil sie sie an die Sonne und an die Trollblumen erinnerten. Für sie, als eine Sonnenpriesterin des Trollen- Volkes, war das naheliegend.
Nachdem Triandra ihnen allen eine Tasse mit frischem, dampfenden Kaffee und das Stück. eines gerade frisch gebackenen Kuchens, serviert hatte, setzte sie sich zu ihnen und meinte: „Nun erzählt aber, was euch, nach all diesen Jahren, wieder hierher zurückgeführt hat!“ Ihr müsst mir auch sonst alles erzählen, was sich zugetragen hat, auch wie es Magdalena meiner alten Freundin geht.“
„Oh Magdalena geht es gut,“ erwiderte Pia. „Benjamin hat sich ausserdem sehr gut mit ihrer Nichte Sara angefreundet.“ Sie grinste etwas verschmitzt und blickte kurz zu ihrem Bruder herüber.
„Das ist schön. Schade werde ich dieses Mädchen nie kennenlernen, weil es vermutlich niemals hierher kommen kann.“
„Wer weiss, vielleicht wird sich das ja bald ändern, wenn das Omniversum einst umgestaltet wird,“ meinte Malek. „Ihr denkt, dass es nun wirklich so weit sein könnte? Und dass sich alle Prophezeiungen erfüllen?“
„Es sieht fast so aus, ja. Darum suchen wir ja auch nach einem ganz besonderen Wesen. Es ist der sogenannte Feuer- Greif. Er soll sich hier in eurer Welt aufhalten.“
„Ein Greif?“ fragte Triandra beeindruckt. „Ihr meint jene Wesen, welche halb Adler, halb Löwe sind?“
„Genau!“ riefen die Geschwister, froh darüber, dass die Priesterin bereits über die besonderen Mischwesen Bescheid wusste.
Sie berichteten dieser nun, in groben Zügen, von dem magischen Schlüssel, den sie suchten und von ihrem Vorhaben den Schwarzen Obelisken zu zerstören, um zu verhindern, dass seine Macht von den bösen Rittern missbraucht wurde.
Als Triandra von den Rittern hörte, meinte sie: „Von diesen Rittern habe ich tatsächlich auch schon gehört. In den alten Troll- Schriften steht etwas über sie. Sie sollen sehr mächtig und boshaft sein.“
„Ja, das sind sie,“ stimmte Malek zu. „Wir sind ihnen schon mehrmals begegnet und das waren keine sehr schönen Erfahrungen.“
„Ihr seid ihnen begegnet und lebt noch?“ meinte die Trollenpriesterin bewundernd. „Der göttliche Geist muss euch wahrhaft sehr lieben…“ Mit diesen Worten holte sie ein, in rotes Leder gebundenes Buch, mit goldener Zier- Schrift aus einem Gestell und schlug es auf. „Hier steht übrigens noch mehr über euch, sogar über Malek. Wusstet ihr das?“
„Über uns?“ fragte Pia „bist du sicher?“ „Ich kann es mir kaum anders vorstellen. Als ihr mir von eurer Begegnung mit den drei Reitern berichtet habt, wurde ich darin noch bestätigt. Ah, hier ist es: „Doch wenn diese dreifache Verderbnis über die Welten hereinbricht, werden sich erheben zwei Zeugen. Begleitet werden sie von einem Verbündeten, welcher der magischen Künste kundig ist. Sie werden weissagen viele Monde lang. Wie mächtige Bäume werden sie sein, die der Verderbnis trotzen. Sie werden sich dem Bösen stellen und grosse Taten vollbringen, bis einst das Gute auf ewig triumphieren wird.“
Triandra hielt nun im Lesen inne und blickte die drei Freunde an. Ich bin sicher, dass darin von euch die Rede ist.“
„Also ich weiss nicht so recht,“ gab Benjamin zu bedenken. „Weil ihr schon immer viel zu bescheiden wart,“ lächelte die Priesterin. „Allerdings passt alles perfekt zusammen. Darum glaube ich ganz fest daran. Darum werde ich euch natürlich helfen, so gut ich kann. Was z.B. diesen Greifen betrifft: tatsächlich seid ihr auf der richtigen Spur. Tatsächlich wurde hier schon öfters so ein Wesen gesichtet. Es soll riesengross sein, ein flammendrotes Gefieder und einen schwarzen, mächtigen Schnabel.“ „Ja, das ist er bestimmt!“ freuten sich die Geschwister. „Weisst du auch, wo er sich aufhält?“ Scheinbar hat er seine Wohnstatt in einer mächtigen Tropfsteinhöhle, die etwa einen Tagesmarsch von hier entfernt liegt.“ „Das ist ja wunderbar!“ rief Pia. „Wir danken dir herzlich, liebe Triandra!“
„Ihr müsst euch bei mir nicht bedanken, ich helfe euch gerne,“ antwortete die Priesterin. Sie wirkte auf einmal etwas schwermütig. „Dann werdet ihr wohl bald wieder weiterziehen.“
Die Geschwister schauten die Trollenfrau prüfend an. Irgendetwas schien diese noch zu beschäftigen…