Die Feuerblumen
Valiocha der verderbte Lavadrachen
Die Blumen sahen genauso aus, wie jene die die Geschwister und Malek in ihrem Traum gesehen hatten und der Rand des Sees, war über und über voll mit ihnen. Auch auf der Oberfläche des Sees selbst gab es einige davon. Dort wirkten sie wie Seerosen, die auf der zähen Magma- Masse schwammen. Ihr sanfter gold- oranger Schein verlieh der ganzen Umgebung eine wundersame Magie. Ein jede der Feuerblumen pulsierte wie ein Herz und ihre filigranen Blütenstempel, umgeben mit den zarten, schimmernden Blütenblätter, verliehen ihnen ein wundervolles, liebliches Aussehen.
„Wir sind am Ziel!“ flüsterte Benjamin „jetzt können wir endlich etwas gegen die Seuche unternehmen!“
Wassilio sprach: „Die Feuerblumen sind wahrlich voller Energie und Macht, aber sie brauchen ein ganz besonderes Umfeld, um zu gedeihen. Wenn ihr sie ohne irgendeinen Schutz hinauf in kühlere Lagen nehmt, werden sie sehr schnell verblühen. Ich werde sie deshalb mit einer besonderen Schutzschicht umhüllen.“
„Das kannst du tun?“ fragte Micha fasziniert.
„Mein liebes Kind,“ entgegnet Wassilio salbungsvoll. „Ich bin schliesslich der Feuerkönig und habe so meine eigenen, magischen Tricks auf Lager. Ich werde es euch gleich zeigen.“
Der König legte vorsichtig mit dem Schiff an und sprang dann von Bord. Er watete zur nächstgelegenen Blume und wollte sie gerade pflücken, als die Lava ganz plötzlich in Aufruhr geriet!
Sie begann zu brodeln und schlug hohe Wellen, welche den Feuerflusskreuzer hin und her warfen. Wassilio wich erschrocken zurück. In diesem Augenblick tauchte aus der Lava ein riesiger, rotbeschuppter Kopf, der sich auf einem langen Hals befand, auf. Wie ein Turm ragte er über den Gefährten auf, welche entsetzt auf die unheimliche Erscheinung starrten.
„Das ist Valiocha!“ rief der Feuerkönig und Furcht schwang in seiner Stimme mit. „Bring dich in Sicherheit!“ schrie Benjamin. „Wir kümmern uns darum!“ Der Feuerkönig zögerte einen Moment, dann löste er sich auf und verschwand.
Benjamin packte den Weissen Diamantdolch und stellte sich dem Lavadrachen mutig entgegen. Valiochas glühende Augen richteten sich auf ihn. „Was seid ihr doch für kleine, zerbrechliche Geschöpfe,“ sprach er, mit einer unheimlichen, spöttischen Stimme. „Glaubt ihr wirklich, ihr könnt etwas gegen den grossen Valiocha ausrichten?“
„Das werden wir noch sehen,“ erwiderte Benjamin und machte sich bereit zum Angriff. Valiocha musterte ihn und seine Begleiter mit verschlagener Miene und sein Kopf auf dem langen Hals, zuckte aufgeregt hin und her. Dann erhob sich sein langer, beschuppter Schwanz auf einmal aus den Feuerfluten und traf die überraschten Freunde mit solcher Wucht, dass sie allesamt quer durch die Grotte geschleudert wurden. Ächzend erhoben sie sich wieder und Benjamin tastete nach dem magischen Dolch, der seinen Händen entglitten war. Am Fusse eines kleineren Felsens hinter dem Micha gelandet war, entdeckte er ihn und wollte nach vorne hechten, um ihn erneut zu packen. Doch Micha war schneller und erreichte den Dolch zuerst.
„Gib ihn her!“ zischte Benjamin dem Jungen zu.
„Nein!“ erwiderte Micha trotzig „das ist endlich meine Chance allen zu beweisen, dass ich auch zu etwas tauge.“ „Aber das ist doch nicht nötig! Überlass das mir, du hast keinerlei Erfahrung im Kampf!“ „Ein Bisschen schon und ich habe eine Idee. Lenk du den Lavadrachen, zusammen mit den anderen ab.“ „Das kann ich nicht zulassen, du bist noch zu jung!“
„Du warst damals, als du das erste Mal im Märchenreich warst, sogar ein Jahr jünger als ich und hast auch schon gegen gefährliche Gegner gekämpft.“
Darauf konnte Benjamin nichts weiter sagen. Ausserdem hatte er wirklich nicht die Zeit lange herumzustreiten. So nickte er, wenn auch sehr widerwillig und gesellte sich zu seinen anderen Freunden, welche bereits angefangen hatten, gegen Valiocha zu kämpfen. Ihre bescheidenen Waffen, konnten jedoch nur wenig gegen den Drachen ausrichten. Auch Malek Magie schien kaum Wirkung zu zeigen. Auf einmal jedoch taucht, wie aus dem Nichts, wieder der Feuerkönig auf. „Ich konnte euch nicht einfach allein lassen!“ rief er. Dann wandte er sich an Malek. „Wir können unsere Magie vereinen! Du übernimmst das Wasser und ich das Feuer, alles klar?“
Malek nickte, dann hob er die Arme und schrie: „Macht des Wassers!“ Der König tat es ihm nach und schrie: „Macht des Feuers!“ In diesem Moment schoss aus Wassilios Händen ein Feuerstahl, aus Maleks Händen ein Wasserstrahl. Die beiden Strahlen vereinigten sich und schossen wie ein rotblauer Torpedo, auf den Lavadrachen zu. Als dieser Valiocha mit voller Wucht traf, schrie dieser schmerzerfüllt auf, verlor das Gleichgewicht und fiel schwer zurück in die Lava. Der See brodelte und zischte unter seinem aufschlagendem Körper und schwappte über die Ufer.
Valiocha lebte jedoch immer noch und versuchte sich wieder aufrappeln, als Micha von einer leicht erhöhten Klippe über dem Vulkansee, hinab auf seinen Rücken sprang! Der Weisse Diamantdolch steckte in seinem Gürtel. Pia schrie entsetzt auf, als sie den Jungen erblickte. Valiocha war im Augenblick jedoch zu schwach, um sich richtig zur Wehr zu setzen. Sein Atem ging keuchend, sein von der magischen Attacke, schwer in Mittleidenschaft gezogene Körper, wollte ihm einfach nicht gehorchen. Doch er begann sich bereits zu regenerieren, indem er die Kraft der ihn umgebenden Lava absorbierte. Micha wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte und kletterte geschickte weiter, in Richtung des Drachenkopfes. Valiocha schien ihn anfangs noch nicht zu bemerken, doch dann auf einmal bäumte er sich auf und brüllte: „Geh runter von mir, du widerliches Insekt!“ Er schüttelte sich heftig, doch Micha klammerte sich wie ein Äffchen, an den feuerroten Schuppen fest. „Valiochas Kräfte sind beinahe wiederhergestellt!“ schrie Wassilio „wir müssen nochmals einen Zauber wirken Malek!“ „Ich… kann nicht…“ erwiderte der Magier, der erschöpft in die Knie gesunken war. „Der Wasserzauber hat mich zu sehr geschwächt, wie es scheint. Hier… ist nicht unbedingt der ideale Ort, um Wasser zu beschwören.“ Pia lief zu ihrem Freund hin und versuchte ihm auf die Beine zu helfen. „Micha braucht aber deine Hilfe, Malek! Kannst du den Drachen nicht wenigstens für einen Moment lang etwas ruhigstellen, dass der Junge eine Chance hat, mit dem Dolch zuzustossen?“ „Ich… versuche es!“ meinte Malek matt und murmelte einen Zauberspruch. Da er sehr erschöpft war, wirkte dieser zwar nur schwach, aber immerhin reichte er, um Valiocha für einige Sekunden ruhigzustellen. Micha kletterte blitzschnell weiter zur Mitte des mächtigen Drachenkopfes, sammelte sein gesamte Kraft und stiess mit dem Kristalldolch zu. Valiocha brüllte laut auf und begann dann unkontrolliert hin und her zu schlenkern. Petes Sohn wurde dabei von seinem Kopf geschleudert und versank in der siedend heissen Lava. Zum Glück wurde er durch die magischen Gewänder vor dem Verbrennen geschützt, doch das flüssige Vulkangestein erwies sich als eine sehr zähe Masse. Micha musste wie ein Verrückter strampeln, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Er versuchte irgendwo Halt zu finden und fühlte unter seinen Händen etwas Schuppiges. Instinktiv griff er danach und zog sich daran empor.
Pia, Benjamin und die anderen sahen wie der, nun tatsächlich tote Drache, in den Fluten versank. „Micha!“ schrie Malek und lief zum Ufer. Die Lava umspülte seine Füsse dabei, wie zäher Schleim. Die Grotte war erfüllt von Rauch und es roch intensiv nach Schwefel. Überall zischte und brodelte es und dann… war der verderbte Lavadrachen ganz plötzlich verschwunden! Die Gefährten riefen immer wieder nach Micha, als sich plötzlich ein hellgelber Schein, über dem sich nun wieder beruhigenden See, ausbreitete.
„Seht doch!“ rief Wassilio. Kleiner und grössere Funken, begannen auf einmal auf der Oberfläche des Sees zu tanzen. Sie bewegten sich auf die Freunde zu. „Es sind Salamander!“ rief Manuel. Tatsächlich! Die Funken formten sich nach und nach zu klaren Silhouetten und kurz darauf hüpften eine ganze Armee von Feuergeistern vor ihnen auf und ab. Sie verneigten sich respektvoll vor ihrem König und wendeten sich dann auch den anderen zu.
„Ihr habt uns alle gerettet!“ riefen sie voller Freude. „Vielen herzlichen Dank!“ „Leider konnten wir nicht alle retten…,“ sprach Malek traurig. „Ach ihr redet von eurem jungen Freund, welcher Valiocha so heldenhaft den Todesstoss versetzt hat! Keine Sorge, ihm geht es gut!“
„Micha lebt also noch!“ freute sich Pia.
„Ja, seht selbst!“ Die Salamander deuteten hinaus zu der Stelle, wo Valiocha versunken war. Umhüllt von einem rot-goldenen Schein, schwammen nun mehrere Lavadrachen auf sie zu. Auf dem Leittier sassen zwei Gestalten. Ungläubig blickten die Gefährten ihnen entgegen.