Ein weiterer Besuch bei Miranda und Kiranda
Am nächsten Tag, brachen die drei Freunde wieder auf. Der Abschied fiel ihnen allen sehr schwer, aber sie versprachen, bald wieder zu kommen. Malek meinte tröstend an Nofrete gewandt: „Ich werde meine kleine Kristallkugel mitnehmen. Ich gab dir ja eins ihrer Gegenstücke für dein Zimmer. So können wir so oft wie möglich, Verbindung miteinander aufnehmen.“
„So einfach wird das vermutlich nicht, wenn ihr grösstenteils unter Wasser seid,“ erwiderte die Prinzessin bekümmert.
„Wir werden bestimmt auch mal ausserhalb des Wassers sein. Ich melde mich bei dir, so schnell ich kann.“ Die Prinzessin nickte hoffnungsvoll, dann umarmte sie alle noch einmal und winkte den dreien, bis sie ihren Blicken schliesslich entschwanden.
Malek und die Geschwister durchquerten die mächtige Eingangspforte des Schlossgeländes, während ihnen die Wachen kurz freundlich zunickten, dann schritten sie tüchtig aus, damit sie möglichst schnell an ihrem Ziel anlangten.
„Was meint ihr?“ frage Pia „Steckt wohl auch bei den Konflikten, unter den Wassergeistern, einer der bösen Ritter dahinter?“
„Es könnte gut sein,“ erwiderte Malek „vielleicht eben der rote Ritter, der vorwiegend Krieg bringt.“
„Aber der Schwarze brachte als Darkuloz ebenfalls Krieg.“
„Ja, aber er hat vor allem die Seuche ausgelöst, die auch die Bäume befiel. Dadurch wurde die Lebensgrundlage der Waldelfen bedroht und es kam zu Konflikten.“
„Ich hoffe sehr, wir können den Wassergeistern ebenfalls helfen.“
„Das hoffe ich auch,“ sprach Benjamin nachdenklich. „Vielleicht wissen ja Miranda und Kiranda mehr über diese Vorkommnisse.“
Es ging nicht lange und die Freunde erreichten das malerische Gewässer der beiden Nymphen- Schwestern. Allerdings lagen diesmal eine seltsame Trauer und Schwere in der Luft. Auch das Wasser wirkte irgendwie weniger klar, als bei ihrem ersten Besuch.
Sie traten mit ein paar Blumen, in der Hand, ans Ufer und Benjamin rief: „Hallo ihr guten Nymphen! Wir sind wieder zurückgekehrt! Bitte zeigt euch, wir brauchen eure Hilfe!“
Es dauerte eine ganze Weile, bis etwas geschah und die Freunde wollten schon fast wieder enttäuscht umkehren, als das Wasser des Teiches auf einmal in Bewegung geriet und die beiden Nymphen, mit ihren glänzendschwarzen, langen Haaren, ganz plötzlich auftauchten! Diesmal sahen sie jedoch etwas mitgenommen aus. Sie hatten dunkle Schatten unter ihren saphirblauen Augen und ihre Wangen wirkten eingefallen. Als sie die drei Freunde jedoch erblickten, lächelten sie freundlich und sprachen: „Seid willkommen! Es freut uns sehr, dass ihr wieder zu uns zurückgekehrt seid! War euer Besuch bei Aurelia, der Kristallfrau hilfreich?“
„Ja allerdings!“ ergriff Benjamin erneut das Wort. „Aurelia hat uns ein paar gute Ratschläge gegeben und dadurch konnten wir bereits ein Heilmittel gegen die rätselhafte Seuche finden, die in letzter Zeit, so viele Leute krank gemacht hat.“
„Ihr habt tatsächlich ein Heilmittel gefunden?!“
„Ja und wir konnten dadurch schon eine Menge Leben retten. Darunter auch Ismalas.“
„Ismala ist wieder gesund!“ Ein freudiges Strahlen erhellte die schmalen Gesichter der Nymphen. „Das sind ja wundervolle Neuigkeiten!“
„Ja, das kann man wohl sagen!“
Pia musterte die beiden Teichwächterinnen etwas besorgt: „Seid ihr denn in Ordnung? Ihr seht ein wenig mitgenommen aus. Ich hoffe die Seuche hat euch nicht auch befallen.“ „Nein nein, wir sind gesund! Aber ziemlich geschwächt. Der Konflikt zwischen unseren Brüdern und Schwestern, zerrt auch an unseren Kräften und wir waren die letzte Zeit oft unterwegs und haben versucht, zwischen den verschiedenen, gegnerischen Parteien zu vermitteln. Bisher leider vergebens. Durch all diese Ereignisse bleibt uns viel weniger Zeit, uns um unseren eigenen Teich zu kümmern. Darum ist das Wasser gerade nicht gar so klar. Zwar ist es noch nicht schlecht, das lassen wir keinesfalls zu, aber seine Qualität hat ein wenig abgenommen. Ihr müsst wissen: Alle Gewässer und auch deren Geister, sind wie durch ein Netzwerk miteinander verbunden. Wenn irgendwo Probleme auftauchen, dann kriegen das alle zu spüren. Es ist gerade eine ziemlich vertrackte Situation und wir verstehen nicht, wie es je so weit kommen konnte.“
„Das tut uns sehr leid,“ sprach Malek bekümmert. „Wir sind deshalb auch gekommen, um dem Wasservolk beizustehen.“
„Das ist sehr freundlich von euch! Vielleicht könnt ihr mehr bewirken als wir.“
„Wir geben zumindest unser Bestes.“
„Das wissen wir. Wenn ihr wollt, könnt ihr durch unseren Teich, in das Krisengebiet gelangen. Wir besitzen so etwas wie ein Portal, dass uns in die verschiedensten Wasserwelten bringen kann.“
„Ein Portal?“ rief Benjamin angenehm überrascht.“
„Ja. Ihr dürft es gerne benutzen, wenn ihr wollt. Allerdings braucht ihr noch etwas damit ihr unter Wasser atmen, sprechen und sehen könnt.“
„Wir besitzen noch ein paar der Beeren, die Malek einst von einer Nixe erhalten hat. Diese haben uns, schon bei unserem ersten Besuch im Wasserreich, gute Dienste geleistet. Allerdings werden sie wohl nicht mehr soweit reichen…“ fügte er dann etwas besorgt hinzu. „Wer weiss, wie lange wir unter Wasser bleiben müssen.“
„Wir könnten euch etwas von dem Atemkraut bringen, dass tief unten in unserem Teich wächst. Ihr müsst wissen unser Teich ist viel tiefer, als ihr denkt. Da unten gibt es ausserdem ein richtiges Labyrinth an Höhlen und Gängen. In einer dem Höhlen steht unser Wohnschloss.“
„Ihr habt ein eigenes Schloss?“ fragte Pia fasziniert. „Ja richtig. Es ist aus einer ganz besonderen Korallen- Art die golden leuchtet. Wir nennen sie Licht- Korallen.“
„Richtige Korallen, im Süsswasser?“ staunte Benjamin.
„Ja, bei uns gibt es das,“ erwiderte Malek schmunzelnd.
„Schon erstaunlich.“ murmelte der jüngere Mann.
„Das würde ich so gerne mal sehen!“ rief Pia begeistert.
„Dann holen wir euch also jetzt mal das Atemkraut!“ sprachen die Nymphen „und dann wird aus eurem Besuch, bei uns, doch noch etwas.“
Kiranda blickte sich plötzlich suchend um. „Aber… ihr seid diesmal gar nicht zu viert! Wo ist denn dieser andere hübsche, junge Mann, mit den dunklen Haaren?“
„Oh ihr meint Manuel? Er konnte diesmal leider nicht dabei sein.“
„Das ist aber schade!“ die Nymphen wirkten sichtlich enttäuscht. „Wir hätten auch ihm gerne unser Reich gezeigt.“
„Vielleicht gibt es ja mal eine andere Gelegenheit.“
„Das hoffen wir! So jetzt holen wir euch aber das Kraut. Habt einen Moment Geduld!“
Die Nymphen tauchten ab und kamen nach einer Weile mit einem Strauss, seltsam aussehender Pflanzen zurück. Ihre Stiele und Blätter waren fleischig und sie trugen pro Rispe immer ein paar winzige, schwarze Beeren.
„Ihr müsst das Kraut ganz schlucken, mit Beeren, Blättern und Stielen. Dann hält ihre Wirkung etwa 30 Stunden an.“
„30 Stunden, das ist sehr gut!“ freute sich Malek.
Pia und Benjamin blickten die Pflanzen etwas kritisch an. „Wie schmecken die denn so?“ wollte Ben wissen.
„Sie schmecken eher etwas bitter, sind aber saftig und liefern, noch zusätzlich, einige wertvolle Vitamine.“
„Also gut, dann probieren wir sie am besten mal aus!“
Benjamin trat mutig vor und nahm einen Zweig der Pflanze entgegen, den ihm Miranda entgegensteckte.
Langsam biss er hinein und verzog das Gesicht. Die Pflanzen waren wirklich ziemlich bitter, aber irgendwie auch saftig und gut zu kauen. Schnell schluckte er sie herunter und beobachtete, ob sich etwas veränderte. Doch er merkte kaum etwas.
Neugierig tauchte er dann seinen Kopf unter Wasser und staunte sehr! Es konnte tatsächlich so gut sehen, wie an Land und auch atmen konnte er problemlos. „Es funktioniert!“ rief er, während das Wasser von seinem Kopf herabtropfte und seinen Hals hinabfloss. Er schüttelte sich wie ein Hund und die Wassertropfen flogen nach allen Seiten. Pia sprang zurück und Malek lachte erschrocken auf. Die Nymphen kicherten vergnügt und musterten den blonden Mann, erneut etwas anzüglich.
„Auch mit nassen Haaren macht er noch immer eine sehr gute Figur,“ sprach Miranda zu ihrer Schwester. „Wenn er doch nur etwas länger bei uns bleiben würde!“
Benjamin trat, etwas seltsam berührt, ein paar Schritte zurück, während ihn die Augen der Nymphen festnagelten. Die beiden musterten ihn mit schräg gelegten Köpfen. „Aber… da scheint jemand zu sein, der ihn vor unserem Zauber schützt,“ stellte Kiranda auf einmal fest.
„Wirklich!“ rief Miranda und schaute Benjamin nochmals tief in die Augen. „Du hast recht! Hat er… womöglich seine grosse Liebe gefunden? Och, wie traurig, wieder bleibt nichts für mich!“
Benjamin starrte die Nymphen etwas erschrocken an. Was redeten die beiden da von einer grossen Liebe, die er gefunden haben sollte?
„Aber… ich weiss nichts von einer grossen Liebe…“ stotterte er etwas unbeholfen. „Doch, doch, da ist etwas, ganz bestimmt!“ versicherte ihm Kiranda. „Vielleicht ist es dir noch nicht so wirklich bewusst, aber du hast unserem Zauber widerstanden. Nicht wie das erste Mal, als du hier warst. Das bedeutet, es gibt neuerdings eine grosse Liebe in deinem Leben.“
„Aber… das kann ich mir gar nicht recht vorstellen!“ wollte Benjamin erwidern, doch dann tauchte in seinen Gedanken ein Bild auf! Das Bild einer jungen, wunderschönen Frau mit schwarzen, dichten Locken, tiefblauen Augen und einem apfelroten Gewand. „Sara!“ ging es ihm durch den Kopf „kann das wirklich sein?“