Der Feuer- Greif
Bei Tagesanbruch, brachen Benjamin, Pia und Malek erneut auf, um sich auf die Suche nach dem Feuer- Greif zu machen.
Triandra hatte ihnen genau erklärt, wo sich die Tropfsteinhöhle befand, in der das Mischwesen vermutlich seine Heimstatt hatte. Der Himmel war heute etwas verhangen und die Sonne verschwand immer wieder hinter den Wolken. Wenn das geschah, leuchtete der Tagmond jedoch umso heller. Da die Welt der Trolle niemals dieselbe Helligkeit, wie z.B. die Menschenwelt erreichte, war hier bei bedecktem Himmel alles in ein seltsames, lilafarbenes Zwielicht getaucht. Für jemanden der sich daran nicht gewöhnt war, konnte dieses Zwielicht ziemlich bedrückend wirken. Pia sprach schliesslich, während sie nachdenklich in den bedeckten Himmel schaute: „Es kommt mir fast so vor, als würde die Sonne ihr Angesicht vor dem verbergen, was sich zur Zeit im Trollenreich abspielt. Die ganze Geschichte mit diesem Triobald, scheint wirklich sehr übel zu sein.“
„Ja, darüber habe ich auch gerade nachgedacht,“ gab ihr Bruder zurück. „Ich hoffe, wir finden eine Lösung.“
„Darum suchen wir ja auch den Greifen auf,“ mischte sich Malek ins Gespräch. „Diese Wesen sind sehr weise und haben Einblick in viele Dinge, die uns verborgen bleiben. Darum wird uns der Feuer- Greif bestimmt helfen.“
„Dann hoffen wir einfach mal das Beste,“ sprach Ben.
Danach schwiegen die Freunde erneut und jeder von ihnen hing, eine Weile seinen eigenen Gedanken nach.
Die drei Gefährten wanderten den ganzen Tag hindurch, immer in die Richtung, die ihnen Triandra genannt hatte. Als die Umgebung immer felsiger und unwirtlicher zu werden begann und die Sonne bereits am Untergehen war, beschlossen sie, die Nacht an einem gut geschützten Ort zu verbringen. Im Windschatten einiger Felsen und dornigem Gestrüpp, richteten sie schliesslich ihr Lager ein.
Diesmal zauberte Malek jedoch ein Zelt herbei, denn sie waren sich nicht sicher, ob es nicht bald regnen würde, denn mittlerweile hatten sich einige dunkle Wolken am Himmel zusammengeballt und es wurde merklich kühler. Sie entzündeten unter dem Vordach des Zeltes ein Feuer und legten einige Kartoffeln in die Glut. Dazu assen sie gut gewürzten Quark, einige frische Karotten und tranken etwas dunkles Bier.
Mit einem wohligen Seufzer liess sich Benjamin dann auf die weiche Matte fallen, die er etwas nach draussen gezogen hatte und meinte: „Ach Malek. Was würden wir auch ohne dich machen?! Du sorgst immer so gut für uns.“ „Das tu ich doch gerne,“ erwiderte der Magier.
„Schliesslich habe ich dafür gesorgt, dass meine Speisekammer wieder reichlich gefüllt ist, bevor wir hierher aufbrachen.“
Benjamin biss in eine Karotte und murmelte: „Ob das wohl eine der Karotten ist, die Sara gestern in der Küche geschält hat, bevor ich sie zu einem Abendspaziergang eingeladen habe.“
„Du hast Sara zu einem Abendspaziergang eingeladen?“ fragte Pia interessiert.
„Ja.“
„Soso, Magdalenas Nichte scheint es dir ja wirklich angetan zu haben.“ „Dem kann ich… nicht widersprechen,“ gab der Mann etwas verlegen zurück.
„Ist es diesmal etwas Ernsteres?“
„Hmm…“ überlegte ihr Bruder. „Es fühlt sich irgendwie schon so an. Sara ist schon etwas ganz Besonderes. Allerdings weiss ich nicht so recht, ob es klug ist, mich schon auf etwas Festeres einzulassen. Du weisst ja… wegen meiner Berufung und so.“
„Dennoch hat mich die Erfahrung gelehrt, dass man der Liebe nicht wirklich befehlen kann,“ mischte sich Malek ins Gespräch. „Wo sie hinfällt, fällt sie hin und schlägt manchmal einfach Wurzeln.“
„Ach, ich weiss nicht…“
„Ich kann dich schon verstehen,“ sprach Pia verständnisvoll. „Ich habe mir ganz ähnliche Gedanken gemacht, über eine Beziehung zu Hungoloz, aber heute bin ich sehr froh, habe ich mich für die Liebe entschieden. Hungoloz, macht mich, trotz allem, irgendwie vollständiger. Vielleicht ist es bei dir und Sara ja ähnlich.“
„Ich bin manchmal nur nicht ganz sicher, ob Sara überhaupt mit mir zusammen sein will. Sie hat sich heute, als wir abgereist sind, nicht einmal mehr von mir verabschiedet. Vermutlich hatte sie Zweifel, auch weil ich einer der grossen Führer bin. Zudem fühlt sie sich, mir gegenüber, irgendwie minderwertiger.“
„Aber das ist doch Schwachsinn!“
„Ja, das sagte ich ihr auch. Aber sie hat sich schon ziemlich seltsam verhalten.“
„Du darfst ihr das nicht allzu übel nehmen,“ versuchte Pia zu vermitteln. „Ich glaube schon, dass sie dich sehr mag. Aber sie macht sich vermutlich zu viele Gedanken. Ich meine, sie kann dich nie wirklich auf deinen Missionen begleiten und weiss auch nicht, ob du eines Tages einfach nicht mehr zurückkommst. Immerhin sind wir stets grossen Gefahren ausgesetzt.“ „Genau das ist es,“ Ben seufzte tief.
„Darum sollte ich mir dieses Mädchen wohl schnellstmöglich aus dem Kopf schlagen.“
„Das meinte ich nicht so! Wenn du Sara wirklich magst, solltest du ihr das jedoch offen sagen und jeden Moment, den du mit ihr hast, in vollen Zügen geniessen. Denn wir wissen nicht was Morgen sein wird. Und wenn sich etwas wirklich lohnt, dann ist es doch die Liebe. Wir sollten uns der Liebe nicht verschliessen, nur weil wir die „Grossen Führer“ sind, denn ist Liebe nicht die Essenz unseres ganzen Daseins?“
„Da muss ich Pia recht geben,“ pflichtete Malek bei. „Was kannst du schon verlieren, wenn du Sara deine Gefühle offen zeigst? Denn bald wird sowieso nichts mehr so sein, wie es einst war. Und sollte dir, wider Erwarten, wirklich irgendetwas zustossen, dann würdest du es bestimmt bereuen, Sara nicht näher an dich herangelassen zu haben.“
Benjamin überlegte angestrengt. Irgendwie hatten Pia und Malek ja recht. So nickte er langsam und erwiderte: „Also ich werde Sara, sobald wir zurück im Juwelenreich sind, meine Gefühle offen zeigen. Denn ich weiss, dass ich es sonst für immer bereuen würde.“
„Das ist doch mal ein Wort,“ freute sich Pia. „Dann legen wir uns jetzt doch erst einmal etwas aufs Ohr, denn so wie es aussieht, zieht tatsächlich ein Unwetter auf.“
Gerade als sie das gesagt hatte, begannen tatsächlich schwere Regentropfen vom Himmel zu fallen und weit in der Ferne, grollte bereits der erste Donner. Der Regen wurde immer heftiger und die drei Freunde mussten sich fluchtartig in ihr Zelt zurückziehen.
„Ich glaube, ich errichte lieber noch einen Schutzschild um unser Nachtlager.“ sprach Malek.
Er griff in seinen Beutel, den er immer dabeihatte und holte vier Edelsteine hervor. Zwei davon waren goldgelb, zwei davon schwarz. Davon legte er einen in jede Ecke des Zeltes und murmelte eine kurze Zauberformel. Kurz darauf vernahmen die Geschwister ein leises Knistern und dann spürten sie, wie sich, um sie herum, ein energetisches Feld aufbaute.
„Was hast du da gemacht?“ fragten sie ihren Zauberer- Freund.
„Ach, das ist nur ein einfacher Schutzzauber, der uns vor den Blitzen und auch von sonstigen negativen Einflüssen schützen soll. Bei den Steinen handelt es sich um Bernstein und schwarzen Turmalin. Dies sind grossartige Schutzsteine und ich muss dann nicht immer wach bleiben, um den Zauber aufrecht zu erhalten.“
„Du überrascht uns immer wieder,“ lachte Pia.
„Nun ja, ich baue meine magischen Fähigkeiten ja auch immer weiter aus. Es gibt immer noch sehr viel Neues für mich zu entdecken.“
„Dann müssen wir uns ja gar keine Sorgen machen,“ lachte Ben, seinerseits.
„Als Schutz vor dem Gewitter, reicht dieser Zauber auf jeden Fall aus. Allerdings, wenn wir jetzt angegriffen werden würden, wäre er schnell durchbrochen.“
„Dann hoffen wir jetzt einfach mal, dass auch Triobald und seine Schergen, sich bei diesem Wetter nicht nach draussen wagen.
Morgen dann, besuchen wir den Greif. Ich hoffe wir finden ihn auch wirklich.“
Benjamin gähnte nun ausgiebig und steckte auch die anderen beiden damit an.
„Ich bin jedenfalls hundemüde. Gute Nacht ihr beiden!“ sprach der blonde Mann: „Gute Nacht!“ erwiderten seine Begleiter.